Dortmund. Läufer entwickeln mit der Zeit eine ganz eigene Art von Körperkult. Sie lieben Schmerzen und verachten Schwäche. Das Problem ist die richtige Balance.

Laufen ist nicht nur Sport. Laufen ist ein Lebensgefühl. Und wenn man weit genug läuft, ist Laufen noch mehr Gefühl, nämlich Schmerz. Läufer lernen mit der Zeit ihren Körper kennen. Ich zum Beispiel bilde mir ein, dass ich ganz genau spüre, wie mein Herz stärker geworden und mein Ruhepuls auf irgendwas unter 50 gesunken ist. Das ist natürlich Unsinn, weil diese Veränderungen nur sehr langsam vonstatten gehen.

Andere Veränderungen sind offensichtlicher. Zum Beispiel der kleinere Bauch. Oder die stärker definierten Muskeln an den Beinen. Läufer mögen ihre Beine - so lange die Haxen funktionieren. Aber wehe, etwas funktioniert nicht! Ich kann jedenfalls wunderbar fluchen und meine Knie, Waden, Muskeln, Füße mit den übelsten Schimpfwörtern bepöbeln. Im Zweifel lautet meine Devise: Wenn Schmerz kommen kann, kann er auch wieder gehen. Über Erkältungen und wie man sie ignorieren kann und wann besser nicht, habe ich bereits geschrieben.

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Das Blöde ist nur, dass Schmerzen, die nicht von alleine gehen, dafür sorgen können, dass ich nicht mehr laufen kann. Daher habe ich mir Vorsicht anerzogen und gelernt, "gute" von bösen Schmerzen zu unterscheiden. Der Grat zwischen ignorierbaren Schmerzen und solchen, die eventuell eine Zwangspause erforderlich machen könnten, ist schmal. Schmerz mag manchmal eine Trophäe sein, die man in stolzen Momenten still bewundert. Aber sie können auch einfach Mist sein. Manchmal gehört Mut dazu, sich die Schwäche einzugestehen und mit dem Hintern zu Hause zu bleiben.

Bei Muskelkater ist der Spuk nach ein paar Tagen vorbei

Unter guten Schmerzen verstehe ich zum Beispiel Muskelkater. "Da weiß man, was man gemacht hat", sagt der Volksmund gerne. Vor allem ist bei Muskelkater klar, dass der Spuk nach zwei oder drei Tagen vorüber ist. Gut sind auch die Schmerzen, die einfach da sind, weil der gerade abgeschlossene Lauf einfach irre anstrengend war und die Muckis leer und übersäuert sind. Auch dieser Schmerz geht weg. Und da wir Läufer ja jetzt die Faszien entdeckt haben, können wir noch mehr gegen Schmerzen tun.

Die bösen Schmerzen hingegen treten zum Beispiel im Knie auf oder an den Adduktoren. Sie kommen mal schleichend und mal plötzlich, und sie bleiben dann ein Weilchen. Das ist der Moment, in dem der Läufer zum Orthopäden geht, sein Leid klagt und um Physiotherapie bettelt. Kriegt er aber nicht, weil Orthopäden einen Läufer, bevor sie zum Rezeptblock greifen, immer erst einmal durch ihren gesamten Gerätefuhrpark schleusen und anschließend entweder als geheilt oder als hoffnungslosen Fall entlassen.

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Ich habe zum Glück ein ganzes Heer fähiger und netter Physiotherapeutinnen, die sich um meine Wehwehchen kümmern. Seit dem Hillymanjaro bereitet mir ein übler Schmerz im rechten Knie Kummer. Ich konnte ihn soweit lokalisieren, dass ich sagen konnte, dass die Ursache nicht direkt im Knie liegt, sondern im Bereich des Wadenmuskels. Aber wo genau? Definitiv gehört der Schmerz zur Kategorie "böse", weil er mich schlicht und ergreifend am laufen hindert.

Die böse Fibula blockiert einfach

Meine Physiotherapeutin E. hat die Ursache entdeckt: die Fibula, das Wadenbein also. Das Miststück (die Fibula, NICHT Frau E.) neigt zum Blockieren. Wie schmerzhaft das ist, habe ich bereits im vorigen Jahr festgestellt. Irgendwann war alles wieder gut und ich konnte den Hamburg Marathon in neuer persönlicher Bestzeit laufen. Doch jetzt meldet sich die Fibula wieder und blockiert. Es fühlt sich an, als bekäme ich bei jedem Schritt einen Tritt in die Kniekehle. Laufen unmöglich.

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Ich sehe gerade meine Felle schwimmen, was den Marathon in Paris angeht. Bei meinem bislang letzten langen Lauf fing die Fibula nach 20 Kilometern an zu zicken. Ich musste den Lauf abbrechen und nach Hause gehen - GEHEN! Physiotherapeutin E. meint, die Gräte müsste immer wieder manuell mobilisiert werden. Das ist ziemlich blöd, weil E. vermutlich nicht gewillt ist, z.B. beim Ruhrklippenlauf neben mir her zu latschen, um im Notfall an mir herum mobilisieren zu können. Nun hoffe ich, dass ein wenig Ruhe für stabilere Verhältnisse in der Wade sorgt. Bis Paris sind es noch ein paar Wochen. Wenn's bis dahin nichts wird, müssen schwerere Geschütze ran: Tapes, eine Bandage oder von mir aus auch Gips. Ich bleibe dran.