Dortmund. Wer anfängt Sport zu treiben, lernt seinen Körper kennen. Nach einer Weile nerven Sportler ihren Bekanntenkreis mit medizinischem Halbwissen.

Seit ich laufe. kenne ich meinen Körper. Also nicht die Außenansicht - die kenne ich schon länger. Nein, das Innenleben. Plötzlich ergibt der Stoff aus Biologie-Leistungskurs einen praktischen Sinn fürs echte Leben. Laufen ist wie Bio-LK in Turnschuhen. Ich erinnere mich wieder an Mitochondrien, Stoffwechsel und ATP. An Fettverbrennung, kurzkettige oder langkettige Kohlehydrate, Aminosäuren und Eiweiß - an all die Dinge, die wir mal in der 11. Klasse gehört und anschließend erfolgreich verdrängt haben. Bis zu dem Tag, an dem wir mit dem Laufen angefangen haben.

Als Genussmensch, der ich bin, ist das manchmal aber auch kontraproduktiv. Ich bin ja dagegen, Essen nur als Nahrung zu betrachten. Kochen ist für mich eine Art kultureller Schöpfungsakt. Und beim Essen interessiert mich in erster Linie der Geschmack und nicht der Inhalt. Wie unromantisch wäre es denn bitte, wenn ich beim Italiener die Speisefolge anhand des Kohlehydratanteils und des Eiweißgehalts der Speisen bestimmen würde? Wobei italienische Restaurants angesichts der leckeren Pasta ja glatt noch als Sportlerkantinen durchgehen würden. Aber der Grieche mit den Fleischbergen? Im Leben nicht!

Auf Du und Du mit den Muskeln

Doch auch jenseits des Speiseplans wird man als Läufer sensibel für seinen Körper - und entsprechend wissbegierig. Seit ich laufe, kenne ich zum Beispiel meinen Gluteus Maximus und weiß, dass es ein Kompliment ist, wenn die Physiotherapeutin sagt: "Der ist aber schön weich." Anders sah es eine Weile mit meinem Tractus aus. Der war ganz schön hart und wurde von versierten Physio-Händen weichgeknetet.

Auch interessant

Läufer lieben es, die technischen Daten ihres Körpers aufsagen zu können. Da habe ich noch eine Wissenslücke. Ich kenne weder meine HFmax (maximale Herzfrequenz - ich vermute, sie liegt bei 161) noch meine VO2max (maximale Sauerstoffaufnahme). Keine Angst, beide Werte werde ich im Rahmen einer Leistungsdiagnostik noch einholen und kann dann beim nächsten Tischgespräch wieder ein paar Zahlen zum Besten geben. Schließlich kennt ja auch jeder den Spritverbrauch seines Autos. Meinen Ruhepuls kenne ich - der liegt um die 47 und eignet sich somit hervorragend zum Prahlen.

Die fasznierende Welt der Faszien

Nein, Läufern kann man nicht vorwerfen, konservativ zu sein. Im Gegenteil. Sobald die Wissenschaft ein neues Körperteil entdeckt, habe ich dort Schmerzen. Neuester Trend: Faszien. Schon mal gehört? Mir hat eine Freundin neulich erzählt, dass es die gibt und dass die Dinger Knieschmerzen verursachen können, wenn man sie nicht trainiert. Mein erster Schritt führte mich zu Wikipedia, um zu schauen, ob vielleicht nur meine Freundin über Faszien verfügt. Nein, die hat jeder. Faszien sind Bindegewebstrukturen, die die Muskeln umhüllen und dafür sorgen, dass die Muskeln geschmeidig an der Haut vorbeigleiten können.

Bei meiner Recherche habe ich weiterhin gelernt, dass Faszien für viel menschliches Leid verantwortlich sein können: Knieweh, Kopfweh, Rückenweh. Das Problem: Wenn man sich nicht bewegt oder dehnt, verkleben die Faszien und nichts gleitet mehr aneinander vorbei. Also habe ich meine Physiotherapeutin gefragt: "Kannst du Faszien?"

Schmerzen für das fehlende Zehntel

"Klar. Das tut sauweh", warnte sie mich und erklärte schnell, dass Osteopathen schon lange um die Bedeutung und Pflege der Faszien wissen, das Thema aber erst vor Kurzem von den Ärzten entdeckt worden sei. Und was Ärzte kennen, gehört für Läufer nun mal zum Lifestyle. Also, ran an den Speck und Faszien massieren - was sind schon Schmerzen, wenn man die Aussicht hat, beim nächsten Marathon eine Zehntel schneller zu laufen? Also knetete sie meine Faszien, merkte aber recht schnell, dass bei mir nichts verklebt ist. Darum tat es auch kaum weh. Diesmal zumindest. Denn ich erinnere mich, dass eine andere Physiotherapeutin mal etwas kryptisch sagte, bei mir sei ja "alles verklebt". Und dann massierte sie - und ja, es tat sauweh!

Besser kann ein Besuch beim Physio doch kaum enden: Meine Faszien sind super - und ich habe auf der nächsten Party ein neues Thema.