Schnee auf dem Hillymanjaro - die Schlacht am Ebberg
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Dortmund. Die Muskeln haben sich eine Pause verdient. Der Kopf weiß noch nicht, ob der 12-Stunden-Lauf für Blogger Stefan Reinke nun Erfolg oder Debakel war.
Es ist vollbracht - und irgendwie nicht. Der Zwölf-Stunden-Lauf "Hillymanjaro" ist Geschichte, aber noch lange nicht abgehakt. Da ich vor dem Lauf kein offizielles Ziel hatte, das ich erreichen wollte, kann ich jetzt auch nicht enttäuscht sein, es nicht erreicht zu haben. Aber eben auch nicht stolz, es geschafft zu haben. Eine Zwickmühle.
Insgeheim hatte ich natürlich schon ein Ziel. Genau gesagt, sogar zwei Alternativ-Ziele: Ich war mir relativ sicher, dass meine Kondition für 60 Kilometer reichen würde. Das war das realistische Ziel. Das unrealistischere Alternativziel wäre gewesen, einfach zwölf Stunden durchzuhalten - wandernd, laufend, auf dem Zahnfleisch gehend.
Die gute Nachricht: Das Zahnfleisch musste ich nicht bemühen. Die schlechte Nachricht: Zu den 60 Kilometern fehlten am Ende satte 15. Wie konnte es dazu kommen? Irgendwie würde ich am liebsten sagen: "An mir hat's nicht gelegen." Aber das wäre nur die halbe Wahrheit, weil es an meinem rechten Knie gelegen hat, und das gehört ja zu mir. Jedenfalls fing das Wackelknie nach etwa 20 absolvierten Kilometern an zu zwicken. Nein, nicht zu zwicken, sondern einen fiesen, stechenden Schmerz zu senden, der mich bei jedem Schritt einknicken ließ. An laufen war nicht mehr zu denken, wohl aber an wandern. Nur bergab war es echt grenzwertig.
Wandern statt laufen
Ich wanderte also - oder walkte. Das war auch nicht weiter schlimm, weil der von Michele Ufer gesteckte Kurs sehr anspruchsvoll war und auch erfahrene Trail-Läufer an vielen, vielen Stellen auf strammes Walking zurückgreifen mussten. Da ich in meinen Beinen über einen kräftigen Dieselmotor verfüge, war das für mich kein Problem. Nur war - auch weil ich in den ersten drei Runden mit Interviews und Fotos beschäftigt war - an die 60 Kilometer kaum noch zu denken. Es wurden 45 Kilometer bei einer Nettolaufzeit von acht Stunden und neun Minuten. Brutto war ich rund zehn Stunden unterwegs - inklusive einiger ausgiebiger Fotopausen.
Spätestens, als die Dämmerung hereinbrach, war mir klar, dass der Lauf für mich ein vorzeitiges Ende nehmen würde. Die Vorstellung, mit Stirnlampe und Wackelknie den Kurs ein weiteres Mal zu absolvieren, kam mir einfach zu absurd vor. Ich bin für so etwas nicht geschaffen. Ich bewundere Menschen wie Harald Lange, der fast blind die kühnsten Strecken der Erde absolviert und auch am Ebberg eine Wahnsinnsleistung ablieferte. Aber ich beneide sie nicht. Ich weiß, dass ich so nicht bin - und ich bin zufrieden damit. Ich kann mir nicht einreden, ein Rundkurs wäre kein Rundkurs. Ich weiß einfach, dass mein Auto gleich um die Ecke parkt und dass ich in Schwerte bin, nicht am Polarkreis. Wenn ich einmal in einem Flugsimulator säße und einen Flugzeugabsturz verhindern sollte, würde ich auch aufstehen und rausgehen, wenn ich zur Toilette müsste.
Das Knie für den Marathon in Paris schonen
Michele Ufer und sein Team versuchten, mich noch zu einer Runde zu überreden, meinten 50 Kilometer seien besser als die von mir erreichten 45. Naja, aber auch 50 sind keine 60 - und ob ich die um zehn oder um 15 Kilometer verpasse, ist mir dann auch egal. Da ist mir mein Knie wichtiger. Das brauche ich am 12. April beim Marathon in Paris.
Hintergrund des Hillymanjaro war Michele Ufers Forschung zum Flow. Ich weiß nicht, wie es den anderen Läufern erging - bei mir gab es keinen Flow. Ich war mit so vielen Dingen beschäftigt: Fotos machen, an Arbeit denken, Borussia im Netradio hören, jubeln, übers Knie ärgern, damit hadern, dass ich nicht laufen konnte... Kein Flow weit und breit. Leider.
Am Tag danach geht es den Muskeln gut
Für mich selbst habe ich aus dem Hillymanjaro die Erkenntnis gezogen, dass meine Kondition auch für 60 Kilometer gereicht hätte. Ich war fit, ich hatte die ganze Zeit über den Drang, zu laufen, statt zu walken. Jedes Mal verpasste mir das Knie einen Denkzettel. Am Tag nach dem Lauf habe ich kaum Muskelkater, selbst dem Rücken geht es trotz Rucksacktragens prächtig. Was bleibt, ist die Frage nach Erfolg oder Debakel? Das Ufer-Team hat mich viel gelobt und angefeuert, wenn ich am Checkpoint vorbei kam. Wofür? Letztlich bin ich doch "nur" gewandert, war nicht mal aus der Puste. Es steckte noch viel zu viel Energie in mir, um mich völlig entkräftet, aber von Endorphinen beseelt, hinzusetzen und voller Stolz die Beine lang zu machen.
Vielleicht versuche ich ja mal, auf einem leichteren Kurs, so weit zu laufen, wie mich die Füße tragen. Auf lange Sicht habe ich beim Hillymanjaro gelernt, dass ich wahrscheinlich ein Ultra-Läufer sein kann, es aber nicht sein will.
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