Lemgo. . Der TBV Lemgo bleibt in der Rückrunde der Handball-Bundesliga ungeschlagen. Das Team von Trainer Dirk Beuchler trennt sich vom Tabellenzweiten, den Rhein-Neckar Löwen, mit 27:27 – es hat allerdings bereits mit sechs Treffern vorne gelegen. Jens Bechtloff trifft zehnmal.

Schon mit 23:17 hatte der TBV Lemgo in der 47. Minute gegen den Tabellenzweiten Rhein-Neckar Löwen geführt. In der letzten Minute aber stand es vor 3911 Zuschauern in der Lipperlandhalle nur noch 26:26. 23 Sekunden noch, und Trainer Dirk Beuchler nahm eine Auszeit. Ob er jedoch an das folgende Szenario gedacht hatte, als er sagte: „Ein Punkt ist besser als keiner!“ Zunächst passte es hervorragend: Florian Kehrmann bediente Gunnar Dittrich, der von Gedeón Guardiola nur so gestoppt werden konnte, dass es einen Siebenmeter gab, den Jens Bechtloff eiskalt zum 27:26 verwandelte. Der Sieg? Der schon achte Erfolg in Serie für den TBV? Nein. Nachdem die Löwen nämlich ihre Auszeit genommen hatten, reichten dem Schweizer Andy Schmid fünf Sekunden, um hochzusteigen und den Ball durch die Beine von Carsten Lichtlein zu werfen – 27:27 (13:12). Der Lemgoer Keeper musste dann erst einmal von seinem Weltmeister-Kollegen Florian Kehrmann getröstet werden – wie anschließend auch Jens Bechtloff, der total traurig war.

Dennoch: Die Serie des TBV Lemgo, der bekanntlich während der Bundesliga-Hinrunde schon mal auf Rang 17 gestanden hat, hält. Das Team von Trainer Dirk Beuchler bleibt in der Rückrunde ungeschlagen (13:1 Punkte). Und es hat am Mittwochabend einer Mannschaft, die davon träumt, an der Ausnahmestellung des THW Kiel rütteln zu dürfen, einen großen Kampf geliefert. Nicht nur das: Die Lemgoer, immer wieder angeführt von ihrem glänzend aufgelegten Rückraum-Mitte-Mann Martin Strobel, haben phasenweise auch richtig guten Handball gespielt und in der Abwehr mit einer tollen Moral vorbildlich geacktert. „Wir hätten den Sieg heute verdient gehabt“, sagte TBV-Trainer Dirk Beuchler und bescheinigte seinem Team über fast 55 Minuten eine ausgezeichnete Vorstellung. „Beim 25:20 haben viele, auch ich, gedacht, dass wir dieses Spiel gewinnen können. Der Sieg war zum Greifen nah, aber wir haben leider nicht zugepackt. Am Ende kommen ein, zwei Zeitstrafen gegen uns, die die Löwen genutzt haben.“

Guðmundur Guðmonsson: „Am Schluss haben wir auch Glück gehabt“

Die Lemgoer hatten – wie bereits erwähnt – sogar schon mit 23:17 vorne gelegen, sich dann aber durch Alexander Petersson (2) sowie Patrick Groetzki von der Siebenmeter-Marke drei Treffer in Serie gefangen, um dann dank der Tore der starken Jens Bechtloff und Hendrik Pekeler in Überzahl zu jenem 25:20 davonzuziehen, als Abwehr-Löwe Oliver Roggisch eine Zwei-Minuten-Strafe abbrummte. Doch der TBV hatte die Löwen noch nicht erlegt, und deren Trainer Guðmundur Guðmonsson sah, dass sich seine Mannschaft in diese Partie zurückbiss. „Wir haben heute nicht gut genug gespielt, um zu gewinnen. Aber am Ende müssen wir mit diesem Punktgewinn sehr zufrieden sein“, sagte der 52-jährige Isländer. „Für die kämpferische Leistung verdient mein Team ein Riesenlob. Denn das war zeitweise eine Mission Impossible. Und ganz klar: Am Schluss haben wir auch Glück gehabt.“ Das Glück eben, dass Nationaltorwart Carsten Lichtlein, der über weitere Strecken großartig gehalten und das Löwen-Duo Niklas Landin/Goran Stojanov klar ausgestochen hatte, den Ball nach dem Wurf von Andy Schmid nicht parierte. „Unsere Abwehr hatten wir heute nicht im Griff, und wir haben mit den Torhütern zusammen keinen gute Mischung gefunden“, sagte Guðmundur Guðmonsson.

Zwar lagen die Lemgoer nach zehn Minuten mit 3:6 hinten, fanden aber schnell zurück in die Spur – weil eben Martin Strobel ganz stark Regie führte, er Hendrik Pekeler am Kreis regelmäßig als starken Abnehmer hatte und das Überzahl-Spiel klasse funktionierte. So auch bei den Treffern zum 10:9 und 11:9, für die Patrick Zieker und Hendrik Pekeler verantwortlich waren. Es war die 23. Minute, und Löwen-Trainer Guðmundur Guðmonsson gönnte sich eine Hüpf-Pause. Er nahm eine Auszeit und teilte seinen Spielern mit: „Das ist zu wenig. Wir müssen Gas geben.“ Das galt vor allem auch für die 6:0-Abwehr, die dann offensiver auftrat, allerdings nur bedingt besser. Dennoch wäre der Tabellenzweite kurz vor der Pause fast wieder in Führung gegangen, aber Carsten Lichtlein entschärfte den Siebenmeter-Ball von Andy Schmid, ehe Marcel Niemeyer im Gegenzug zur Lemgoer 13:12-Pausenführung traf.

BV-Trainer Dirk Beuchler: „Wir haben uns als Team super präsentiert“

Nach dem Wechsel kam der TBV Lemgo in der Lipperlandhalle, in der eine Klasse-Stimmung herrschte und in der Geschäftsführer Christian Sprdlik in der Pause im Gespräch mit Sport1-Moderatorin Anett Sattler verriert, dass er noch keine Anfrage für Carsten Lichtlein (Vertrag bis 2014) erhalten habe, teilweise richtig ins Rollen. Hendrik Pekeler und Jens Bechtloff sorgten dafür, dass das Beuchler-Team nach 43 Minuten erstmals mit vier Toren vorne lag (20:16) und Löwen-Coach Guðmundur Guðmonsson wieder die Grüne Karte zückte. Das Ergebnis: Andy Schmid deckte nun sehr offensiv vor seinen fünf Teamkollegen, später machte dies dann Patrick Groetzki. Und kurze Zeit später kehrte auch Dänemarks Nationaltorwart Niklas Landin für Goran Stojanov zwischen die Pfosten zurück.

Dennoch nahm der Traum beim TBV, im siebten Rückrunden-Spiel auch den siebten Sieg zu landen, konkretere Formen an. „Wir haben es den Löwen schwer gemacht, Tore zu werfen“, erklärte Lemgos Trainer Dirk Beuchler, der jedoch wie alle anderen sah, dass der Vorsprung nach dem 23:17 immer mickriger wurde. Schließlich bis zum Ausgleich beim 26:26 – ehe der nächste Schub der Freude dank Jens Bechtloffs Siebenmeter-Treffer und der nächste Schub der Enttäuschung wegen des Löwen-Tores von Andy Schmid in ganz, ganz kurzen Abständen folgten. Das änderte jedoch nichts daran, dass Dirk Beuchler alles andere als unglücklich war. „Wir haben uns als Team super präsentiert, trotz der vier Ausfälle, die wir verkraften mussten“, sagte der TBV-Coach. „Wenn uns vor dem Spiel jemand einen Punkt angeboten hätte, wären wir damit sehr zufrieden gewesen. Wir haben gegen eine in dieser Saison überragende Mannschaft einen Punkt geholt.“

Löwen-Homepage: „Unglaubliche Aufholjagd mit Punkt belohnt“

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Und diese Zufriedenheit konnten die beiden Klubs am Mittwochabend irgendwie teilen, obwohl sich die Formulierungen unterschieden, ja unterscheiden mussten. „Das war in unserer Situation ganz klar ein gewonnener Punkt, und ich freue mich sehr darüber“, sagte Löwen-Manager Thorsten Storm. Das hörte sich bei Dirk Beuchler dann doch etwas anders an, als er schilderte, was er nach dem Schlusspfiff in den Katakomben erlebt hatte. „Wenn man in der Kabine die Köpfe nach dem einfachen Punktgewinn hängen sieht“, sagte der 42-Jährige, der in der neuen Saison den ostwestfälischen TBV-Rivalen TuS N-Lübbecke trainieren wird, „dann weiß man, dass ein Sieg heute greifbar nahe war.“ Ganz nah sogar. Aber irgendwie waren die Formulierungen dann doch ähnlich, zumindest beim Blick auf die jeweiligen Internet-Seiten. Positiv halt. „Unglaubliche Aufholjagd mit Punkt belohnt“, ist bei den Rhein-Neckar Löwen zu lesen, und bei den Lemgoern steht: „TBV behauptet einen Punkt gegen die Löwen.“

TBV Lemgo – Rhein-Neckar Löwen 27:27 (13:12)

TBV Lemgo: Lichtlein, Dresrüsse (n. e.) – Niemeyer (1), Bechtloff (10/4), Kehrmann (3), Sorrentino (2), Strobel (4), Hermann (1), Pekeler (4), Dietrich (1), Haenen, Schmidt (n. e.), Zieker (1).

Rhein-Neckar Löwen: Landin (1.-26., 47.-60.), Stojanov (26.-47.) – Schmid (6/2), Roggisch, Šešum (2), I. Guardiola (1), Sigurmannsson (2), Myrhol (3), Steinhauser (n. e.), Groetzki (7/1), Abt (n. e.), G. Guardiola, Petersson (6), Bitz (n. e.).