Minden. . Zum Auftakt der Rückrunde in der Handball-Bundesliga verpasste es der vom Abstieg bedrohte TSV GWD Minden, sich ein Weihnachtsgeschenk zu machen. Der Aufsteiger verlor vor 3520 Zuschauern in der Kampa-Halle mit 27:31 (15:14) gegen die Füchse Berlin.

Es war für die Handballer des TSV GWD Minden am frühen Sonntagabend gewiss nicht unmöglich, sich vor dem Heiligen Abend ein herrliches Geschenk unter den Weihnachtsbaum zu legen – und auch den Fans, die ihre Mannschaft pausenlos unterstützt und angefeuert hatten. Nämlich zwei Bonus-Punkte für den Klassenerhalt in der Handball-Bundesliga. Aber? „Wir sind zu naiv“, sagte Trainer Ulf Schefvert nach der 27:31 (15:14)-Niederlage gegen den Tabellenvierten Füchse Berlin. „Ich glaube, wir haben das Spiel in den ersten zehn Minuten der zweiten Halbzeit verloren.“

Dies ist insofern ein Irrglaube, als es innerhalb von nur vier Minuten war. Von der 37. bis zur 41. Minute nämlich zog der Hauptstadt-Klub von 16:17, das Mindens Aljoscha Schmidt in Unterzahl nach einem Klasse-Dreher um die eigene Achs erzielt hatte, auf 22:17 davon. Der Mindener Coach ärgerte sich über die Zeitstrafen, die sich Oliver Tesch und Nils Torbrügge in dieser Phase eingehandelt hatten; vielmehr aber noch nervten ihn die vielen unnötigen Patzer seines Teams, das den Ball mehrmals völlig unbedrängt nicht unter Kontrolle bekam. „Wir haben uns dann mit Gegenstoß-Toren unseren Vorsprung herausgeworfen und das Spiel ganz cool über die Bühne gebracht“, sagte Füchse-Coach Dagur Sigurdsson, der ohne die Nationalspieler Sven-Sören Christophersen (Außenbandanriss am Knie) und Markus Richwien (Bänderriss im Fuss) auskommen musste.

Handball-Bundesliga: TSV GWD Minden - Füchse Berlin 27:31 (15:14). Mindens Bester, der siebenmalige Torschütze Dalibor Doder, gegen Berlins Fabian Wiede. Foto: Biene Hagel
Handball-Bundesliga: TSV GWD Minden - Füchse Berlin 27:31 (15:14). Mindens Bester, der siebenmalige Torschütze Dalibor Doder, gegen Berlins Fabian Wiede. Foto: Biene Hagel

Tja. Dieses coole Verhalten hätte sich GWD-Trainer Ulf Schefvert gerne auch von seinen Spielern gewünscht. „Aber wir machen zu viele technische Fehler“, grummelte der 55-jährige Schwede ins Mikrofon. Und es lohnt sich ein genauer Blick. Steigen wird beim 17:19 aus Mindener Sicht ein: Zunächst stolpert Nenad Bilbija und verliert den Ball – Gegenstoß Berlin, Ivan Ninčević trifft; dann spielt Nenad Bilbija einen Pass ins Leere – Gegenstoß Berlin, Johannes Sellin trifft; dann nimmt Ulf Schefvert seinen slowenischen 2,08-Meter-Riesen raus, aber einen Fehlpass spielt dann Christoph Steinert – Gegenstoß Berlin, Torsten Laen trifft. Und vor allem auch wegen dieser Phase hatte der Mindener Coach, wie er sagte, Kopfschmerzen.

Torwart-Wechsel – aber Jens Vortmann hält keinen einzigen Ball

Nach 41 Minuten war die Jagd auf die Füchse somit schon beendet. Und die erste Halbzeit, in der die Gastgeber dem Top-Klub mindestens ebenbürtig waren, war längst vergessen und wird, wenn überhaupt, in Zukunft unauffällig in irgendwelchen Archiven schlummern. Jens Vortmann hat sicherlich nichts einzuwenden. Nach jenem 17:22 war der Torwart-Wechsel die letzte Lösung, obwohl der Schwede Anders Persson gerade in der ersten Halbzeit klasse gehalten hatte. Die Bilanz des 25-jährigen Schlussmannes: sieben Gegentreffer, null Paraden. Und so musste er seinen Platz nach 51 Minuten auch wieder für Anders Persson räumen.

Zur ersten Halbzeit. „Da hatten wir es sehr, sehr schwer“, sagte Füchs-Coach Dagur Sigurdsson, der nach der Pressekonferenz noch lange in der Kampa-Halle stand und mit seinem Landsmann Vignir Svavarsson plauderte, dem Kreisläufer Mindens. Und da werden die beiden Isländer vielleicht auch darüber gesprochen haben, dass die Mindener in der ersten Halbzeit bissiger und galliger aufgetreten waren als im zweiten Abschnitt. „Wir waren im Angriff gut, aber in der Abwehr können wir es noch besser“, analysierte GWD-Coach Ulf Schefvert die ersten 30 Minuten, um dann nach einer ganz kurzen Pause noch zu ergänzen: „Die Füchse Berlin spielen nicht so überragend wie in den vergangenen Jahren.“

Evgeni Pevnov setzt am Kreis deutlich mehr Akzente als Torsten Laen

Jedenfalls erwischten die Mindener insofern einen Traumstart, als Anders Persson Berlins Konstantin Igropulo direkt einen Siebenmeter-Ball wegfischte. Dennoch musste das GWD-Team Mitte der ersten Halbzeit einem Zwei-Tore-Rückstand hinterherrennen und hatte ab der 15. Minute auch in der Abwehr mehr Arbeit zu verrichten. Füchse-Trainer Dagur Sigurdsson hatte nämlich die Kreisläufer-Position mit deutlich mehr Qualität gefüllt, indem er Evgeni Pevnov für Torsten Laen gebracht hatte. Dennoch: Nach 25 Minuten hatte das Schefvert-Team erstmals wieder den Ausgleich hergestellt (11:11), um dann mit einer 15:14-Führung in die Pause zu gehen.

Bis zur 37. Minute war zumindest auf der Ergebnis-Tafel für den TSV GWD Minden noch alles in Ordnung. In der Folge aber bekam Ulf Schefvert dann die Kopfschmerzen – und zwischenzeitliche Migräne-Anfälle waren auch nicht auszuschließen. Gut, dass der Trainer seine Wut vor allem an einem Handtuch ausließ, das er auf einen der Stühle hinter sich knallte. Knapp elf Minuten vor dem Ende nahm der Mindener Coach dann noch einmal eine Auszeit, obwohl er eigentlich wusste, dass das Spiel bereits verloren ist – 21:27. „Wir mussten für jedes Tor kämpfen. Und wenn man gegen Berlin mit vier, fünf Toren hinten liegt, ist es schwierig, diesen Rückstand aufzuholen“, sagte er.

Die Mindener Fans singen „Ihr werdet nie Deutscher Meister“

Die Mindener Fans standen aber weiterhin wie eine Eins hinter ihrer Mannschaft, sie sangen „Ihr werdet nie Deutscher Meister“, obwohl die Bundesliga-Fußballer des FC Schalke 04 doch gar nicht da waren und schon Urlaub haben, und sie leisteten sich einseitige Scharmützel mit Nationaltorwart Silvio Heinevetter, die dieser mit einem Lächeln zur Kenntnis nahm. Der 28-jährige Füchse-Keeper hatte, und das spricht nicht für die Mindener Handballer, einen recht gemütlichen Abend. 13 Paraden zeigte er und brauchte nicht mehr als eine befriedigende Leistung, um als sicherer Rückhalt seiner Mannschaft aus diesem Spiel hervorzugehen.

Positiv aber muss aus dieser Schlussphase für das Team aus Dankersen festgehalten werden, dass es bis zur letzten Minute kämpferisch alles gab. Obwohl es in seinen spielerischen Möglichkeiten trotz des überragenden Vollstreckers und Vorbereiters Dalibor Doder doch begrenzt war und das Tor zum 25:31 richtig weh tat. Von der Linksaußen-Position traf Iker Romero mit einem Dreher aus sehr, sehr spitzem Winkel. Eigentlich war es überhaupt kein Winkel – null Grad sozusagen. Zum Abschluss des Jahres tritt der TSV GWD Minden nun am Mittwoch (26. Dezember) beim Tabellendrittletzten VfL Gummersbach an, auf den er mit seinen 10:26 Zählern als schlechtester der drei westfälischen Bundesligisten ein Zwei-Punkte-Polster hat. Anwurf der Partie in der Eugen-Haas-Sporthalle wird um 17.30 Uhr sein.

TSV GWD Minden – Füchse Berlin 27:31 (15:14)

TSV GWD Minden: Persson (1.-41., 54.-60.), Vortmann (41.-54.) – Steinert (3), Südmeier, Torbrügge, Tesch, Svavarsson (2), Schmidt (6/1), Svitlica (3), Doder (7), Klesniks, Bilbija (6).

Füchse Berlin: Heinevetter, Štochl (n. e.) – Löffler, Wiede (1), Laen (2), Špoljarić, Pevnov (2), Romero (4), Bult, Sellin (6), Jaszka (3), Ninčević (4/1), Igrpulo (4).