São Paulo. Futuristisches im Corinthians-Stadion in São Paulo: Ein gelähmter Mann in einem Roboteranzug wird den ersten Kick dieser Weltmeisterschaft ausführen. Ein solches Exoskelett ist eine Hoffnung für viele Gelähmte - aber kein Wunderheilmittel.
Der Anstoß der Fußball-WM in São Paulo an diesem Donnerstag ist eine ganz besondere Premiere für einen brasilianischen Rollstuhlfahrer. Der querschnittgelähmte Patient wird mit Hilfe eines Exoskeletts symbolisch den WM-Ball "Brazuca" vom Mittelpunkt schießen.
Ein internationales Wissenschaftlerteam hat diesen Spezial-Roboteranzug entwickelt. Er sieht beinahe aus wie das Kostüm des Comic-Helden "Iron Man" und wurde nach dem Vater der brasilianischen Luftfahrt "BRA-Santos Dumont" benannt. Gesteuert werden die Bewegungen allein durch Gehirnaktivitäten. Der Gelähmte wird 25 Schritte laufen und dann den Ball kicken, vor einem Milliardenpublikum in aller Welt.
70 Kilo schwerer Anzug
Die Demonstration ist Teil des internationalen Projektes "Andar de Novo" (Wieder laufen), an dem 156 Forscher, Ingenieure und Techniker unter Regie des brasilianischen Neurowissenschaftlers Miguel Nicolelis beteiligt sind. Der Anzug ist 1,78 Meter groß und wiegt 60 bis 70 Kilogramm. "Das ist aber irrelevant, weil der Patient dies nicht spüren wird, die Maschine wird verantwortlich sein für das Gleichgewicht und die Kontrolle des Exoskeletts, während der Patient Anfang und Ende der Bewegungen und auch den Schuss bestimmt", erklärt Nicolelis. "Es ist ein großer Sprung für die Menschheit", sagt er in Anspielung auf die Worte von Neil Armstrong, dem ersten Mann auf dem Mond.
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Auch Gordon Cheng vom Institut für Kognitive Systeme der Technischen Universität München (TUM) ist beteiligt. "Unser Gehirn ist sehr anpassungsfähig, wenn es darum geht, körperliche Fähigkeiten durch die Verwendung von Werkzeugen zu erweitern", sagt der Professor.
Monatelanges Training für einen Kick
Seit Monaten trainieren acht brasilianische Männer und Frauen mit dem Exoskelett. Sie alle sind von der Hüfte abwärts gelähmt. Das Gerät zeichnet die elektrische Hirnaktivität des Patienten auf, erklärt die TUM. Es erkennt, ob er gehen oder einen Fußball kicken möchte und führt diese Aktion aus. Gleichzeitig fühlt dies der Patient. Dafür wurde eine künstliche Haut entwickelt, die auf Berührungen, zum Beispiel an den Füßen, reagiert und diese Signale weiterleitet.
Der WM-Auftakt ist nur der Anfang dieser Entwicklung, ist Cheng überzeugt. "Dies mag ein wichtiger Meilenstein sein, aber es gibt noch viel zu tun." Weltweit arbeiten mehrere Firmen an solchen Gehhilfen, doch Experten warnen vor zu hohen Erwartungen - ein Exoskelett ist kein Wunderheilmittel: Die Geräte sind nicht für alle Gelähmten geeignet. Patienten dürfen etwa nicht zu starke Muskelkrämpfe haben, die mit ihrer Lähmung einhergehen, auch drohen Wundstellen. (dpa)