Sao Paulo. Dieser Bruch ist wohl nicht mehr zu kitten. Mit klarer Kritik haben Uefa-Vertreter von Joseph Blatter einen Abschied als Fifa-Chef gefordert. Dieser will aber bleiben und hat die Unterstützung der anderen Konföderationen. Der Weltfußball ist zum WM-Start gespalten.
Mit offenem Widerstand gegen Joseph Blatter haben Europas Fußball-Spitzenfunktionäre am Vorabend des Kongresses in Sao Paulo einen Bruch mit dem weiter machthungrigen Fifa-Präsidenten heraufbeschworen. In bislang nicht gekannter Deutlichkeit kritisierten die Uefa-Vertreter am Dienstag den Schweizer und forderten ihn zum Abschied aus dem Amt Ende Mai 2015 auf.
Blatter hatte zuvor seinen Willen zu einer weiteren Amtszeit als Patron des Weltfußballs verkündet - und erntete dafür keinen Applaus. Im Gegenteil. Im Kellerraum des Hotels Renaissance herrschte eine Stimmung zwischen großer Anspannung und dem Willen zur Revolte. "Das ist relativ sachlich abgelaufen, sehr, sehr kühl auch. Es hat bei der Ankündigung keine Beifallsstürme gegeben", sagte DFB-Chef Wolfgang Niersbach der Nachrichtenagentur dpa. "Wir waren klar von einem Stabwechsel 2015 ausgegangen", verdeutlichte Niersbach die enttäuschte Erwartungshaltung.
Van Praag macht Blatter für schlechtes Fifa-Image verantwortlich
Der niederländische Verbandschef Michael van Praag wurde deutlicher und machte Blatter für das schlechte Fifa-Image verantwortlich. "Das ist nicht persönlich, aber wenn man den Ruf der Fifa in den letzten sieben Jahren sieht, verbinden die Menschen die Fifa mit Korruption und Bestechung. Die Fifa hat einen exekutiven Präsidenten und das bedeutet, dass dieser verantwortlich ist", sagte der Niederländer.
Der Engländer Greg Dyke rügte Blatter vor den anderen Delegierten für dessen Rassismus-Vorwurf gegen britische Medien im Zuge der Diskussion um die Katar-WM 2022. Dieser reagierte pikiert, berichteten Augenzeugen. Aus Funktionärskreisen ist Blatter diese konfrontative Art nicht gewohnt. Nach etwa 20 Minuten soll Blatter die Sitzung wie geplant verlassen haben.
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Zuvor war der Fifa-Chef von den Delegierten der fünf anderen Fifa-Konföderationen für seinen Plan einer weiteren Amtszeit teilweise mit Standing Ovations gefeiert worden. Ein großer Riss teilt nun die 209 Verbände vor dem WM-Anpfiff - Europa gegen den Rest der Welt.
Uefa-Präsident Johansson fordert Blatters Abschied
"Ich glaube, es ist Zeit dafür", sprach sich auch der ehemalige Uefa-Präsident Lennart Johansson für einen Abschied Blatters aus, dem er bei der Wahl 1998 unterlegen war. Der Schwede forderte eine Kandidatur von Michel Platini, der ihn 2007 bei der Uefa aus dem Amt gedrängte hatte. Niersbach verriet, dass sich Platini im September endgültig zu seinen Plänen äußern wird. Der Franzose selbst schlenderte scheinbar entspannt aus dem Konferenzsaal und rief den wartenden Journalisten nur ein lockeres "Bonjour et Au revoir" (Guten Tag und Aufwiedersehen) zu.
Mit einem Strategiewechsel hatte Blatter bei Kontinentalvertretern aus Asien, Afrika und Amerika noch Erfolg gehabt und Attacken gegen die "Feinde" der Fifa gefahren. Den bösen Kontrahenten wähnte der Fifa-Boss nach monatelangem Verbalscharmützel mit Platini nicht in dieser Vehemenz unter den Funktionärskollegen, sondern außerhalb der Fifa. "Ich weiß nicht, was der Grund hinter all dem ist. Aber wir müssen jetzt zusammenstehen", rief der Schweizer den asiatischen Kollegen bei deren interner Sitzung vor der großen Vollversammlung im Transamerica Expo Center zu.
Die afrikanischen Delegierten schwor er bei deren Planungsmeeting noch martialischer ein und prangerte direkt das "rassistische" Verhalten speziell der britischen Medien bei deren Berichterstattung über die umstrittene Katar-WM an. Dies konnte Englands Verbandschef Dyke nicht unkommentiert lassen. Unklar ist nun, wie Blatter seinen Plan am Mittwoch umsetzen will, ohne brüskierende Reaktionen von den Uefa-Delegierten im großen Auditorium zu provozieren.
Blatter schmeichelt der Funktionärs-Seele
Sachthemen, wie die auf der Zielgerade stockende Demokratiereform und sogar das unmittelbar bevorstehende und keinesfalls problemfreie WM-Turnier am Zuckerhut, waren für den Schweizer vor Kongressbeginn mit einer Musikshow am späten Dienstagabend (22.00 Uhr/MESZ) und dem formellen Sitzungsteil am Mittwoch sekundär. Es geht um den Machterhalt, und das Rezept schien simpel. Eine gute Portion Wir-Gefühl soll Grundlage für ein positives Votum bei der erwarteten Kandidaten-Proklamation für eine fünfte Blatter-Amtszeit sein.
Auch vor den Uefa-Vertretern sprach Blatter von einem "Sturm gegen die Fifa" in Verbindung mit der Katar-WM. Die "Sunday Times" hatte bei ihren Enthüllungen zu angeblichen Bestechungen durch den Katarer Mohamed bin Hammam über Millionenzahlungen an Funktionäre aus Afrika und Asien berichtet.
Blatter bewies, dass er es versteht, der Funktionärs-Seele zu schmeicheln. Erst versprach er den Asiaten und Afrikanern eine höhere Beteiligung für die Verbände aus dem WM-Gewinntopf. Dann stellte er fest: "Wir sind in einer Situation, in der wir Führung brauchen. Ich habe noch Feuer in mir", betonte der 78-Jährige.
Machtkampf lähmt die Fifa
Der Machtkampf Blatter vs Europa lähmt die Fifa in manchen wichtigen Themenfeldern. Dieses Problem wird sich wohl erst lösen, wenn geklärt ist, ob Platini für den höchsten Fifa-Posten kandidieren will und falls ja, ob dem Franzosen dann der Umsturz in Zürich gelingt.
Zum Opfer fällt dem Disput womöglich die letzte Stufe der viel diskutierten Demokratiereform. Auch in Sao Paulo wird nicht endgültig entschieden, wie eine Amtszeitregulierung für Fifa-Funktionäre künftig konkret aussehen soll. Dieser Punkt war schon im Vorjahr auf Mauritius Auslöser heftiger Kontroversen und wird nun erneut bis zum kommenden Jahr verschoben.
Abstimmen werden die Delegierten wohl nur, ob sie generell für eine Begrenzung der Amtszeiten sind - dafür reicht eine einfache Mehrheit. Eine Statutenänderung mit dem wahrscheinlichen Modell von maximal drei Amtszeiten à vier Jahren benötigt eine Dreiviertelmehrheit, die ohne die Stimmen Europas nicht möglich ist. Als sicher gilt, dass die Delegierten schon jetzt ein Alterslimit ablehnen werden. Dies wird nicht nur von Blatter (78) als diskriminierend empfunden. (dpa)