Curitiba. . Mit dem eingebürgerten Diego Costa steht Spanien erstmals ein klassischer Torjäger zur Verfügung. Auch weit geschlagene Pässe sind dank des schnellen Hispano-Brasilianers ein probates Mittel. Die Kreativkräfte müssen bei der WM nicht den Ball ins Tor tragen.

Die Titelverteidigung ist der große Traum, aber Illusionen macht sich deshalb beim Weltmeister Spanien keiner. Allen voran Erfolgstrainer Vicente del Bosque wies vor der „Copa do Mundo“ ständig darauf hin, dass Wunsch und Wirklichkeit zwei völlig verschiedene Dinge seien. „Der Stern stimuliert uns, uns weiter zu verbessern, zu wachsen“, sagte er im Vorfeld der Fußball-WM. „Aber wir alle wissen, wie schwierig es ist, das Double zu schaffen.“

In der WM-Geschichte glückte dies bislang nur Italien (1934/ 1938) und Brasilien (1958/ 1962). Vermeintliche Favoriten wie Frankreich (2002) oder Rekord-Champion Brasilien (2006) scheiterten kläglich beim Versuch, den Coup vom letzten Mal zu wiederholen. Del Bosque erinnerte nicht nur an diese Negativbeispiele, sondern auch daran, dass das letzte Double bereits über ein halbes Jahrhundert zurückliegt.

„Wir wollen wieder Weltmeister werden“

Solche historischen Rückblicke beschäftigen die WM-Helden von Südafrika wenig. Egal ob Torhüter Iker Casillas, Abwehrchef Sergio Ramos oder Mittelfeld-Star Andrés Iniesta – sie alle eint das große Vorhaben: „Wir wollen wieder Weltmeister werden.“ Aber auch sie warnen vor der großen Konkurrenz beim Turnier in Brasilien.

Die Titelverteidigung ist selbstverständlich auch del Bosques großes Ziel. „Wir wollen das Maximum“, kündigte der 63-Jährige in einem Interview des Fachblattes „Marca“ an. „Dafür arbeiten wir.“ Sein Plan für diese Mega-Mission steht. Der Trainerfuchs hat das alte Erfolgssystem „Tiki-Taka“ mit atemberaubendem Kurzpasszauber und hohem Ballbesitz weiterentwickelt.

In Diego Costa steht der spanischen „selección“ endlich der seit langem erwünschte klassische Mittelstürmer zur Verfügung. „Es gibt kein Problem, ich bin topfit und voll motiviert“, sagte der Torjäger vom Meister Atlético Madrid, der im Champions-League-Finale gegen den späteren Sieger Real Madrid schon nach neun Minuten wegen einer Oberschenkelverletzung den Platz hatte verlassen müssen, nun am Dienstag. Mit Diego Costa eröffnen sich den Spaniern neue Möglichkeiten: Die Kreativkräfte um Xavi, Iniesta & Co müssen nicht länger den Ball förmlich ins Tor tragen. Dank des schnellen, äußerst durchsetzungsfähigen und torgefährlichen Hispano-Brasilianers sind nun auch weit geschlagene Pässe wieder ein probates Mittel. Spanien spielt 2014 also ein „Tiki-Taka mit Knipser“, wie der „Kicker“ trefflich titelte.

Villa und Fábregas als Alternativen

Del Bosque betonte jetzt vor dem „Schlüsselspiel“ gegen die Niederlande, den Finalgegner von Südafrika, beim Gruppenauftakt an diesem Freitag: „Wir haben keine magische Formel.“ Guter Fußball könne auf verschiedene Weise gespielt werden. „Wir sind keine Taliban“, wies er drastisch darauf hin, dass er nicht radikal an einem Spielsystem festhalte. Ballbesitz allein mache keinen Sinn. „Deshalb arbeiten wir daran, in der Rückeroberung aggressiv zu sein, kompakt zu agieren und Druck zu machen“, beschrieb del Bosque seine Vorstellung von modernem Fußball.

Allenfalls wenn Costa ausfallen sollte, könnte del Bosque wieder zu einem taktischen Rückschritt in die Vergangenheit gezwungen sein. Costas WM-Nominierung stellte ein gewisses Risiko dar. In den beiden Testpartien gegen Bolivien und El Salvador wirkte der eingebürgerte Brasilianer zwar mit, spielte aber nie 90 Minuten durch. Als Alternative bieten sich in erster Linie David Villa, mit 58 Treffern der Rekordtorschütze der Nationalmannschaft, oder der offensive Mittelfeldmann Cesc Fábregas an. Dann droht aber im schlimmsten Fall wieder die lähmende und lästige Debatte über den „echten“ oder „falschen Neuner“. (dpa)