Essen. . Lothar Matthäus über deutsche Fußballer, die nicht mehr so spielen wie er, über den Weltmeisterschafts-Favoriten Argentinien und warum er den Job als Trainer nicht vermisst. Ein Interview mit Deutschlands Rekord-Nationalspieler, dem sein Leben gefällt, wie es ist.
Wer Lothar Matthäus anruft, darf sich nicht wundern. Das Freizeichen ist kaum zu hören, darüber hat er Musik gelegt, „Wrecking Ball“ von Miley Cirus. Es war vermutlich immer schon etwas anders, Lothar Matthäus zu sein. Für die einen ist er bis heute einer der größten deutschen Fußballer. Für die anderen ist er der Dampfplauderer, den man nicht als Trainer haben möchte. Wer Lothar Matthäus zuhört, erlebt dann allerdings einen Mann, der vollkommen entspannt klingt und über sich sagt: „Mir macht mein Leben einfach Spaß.“
Herr Matthäus, gehört zum Spaß, eine WM zu schauen, bei der der Typ Matthäus nicht vorkommt?
Lothar Matthäus: Was ist denn der Typ Matthäus?
Als Spieler: großer Ehrgeiz, in der Offensive wie in der Defensive aggressiv, einer, der mitreißen und ein Spiel drehen kann.
Matthäus: Dann sagen wir es so: Ich glaube, dass Joachim Löw viel Spaß daran hätte, diesen Spielertypen in seiner Mannschaft zu haben.
Kommen Ihnen denn Sami Khedira und Bastian Schweinsteiger als Spieler nicht nahe?
Matthäus: Das sind sicher zwei Leitfiguren, auf die der Bundestrainer setzen muss. Deshalb stehen sie ja im Kader, obwohl sie angeschlagen sind. Aber Bastian hat seine Stärken eher in der Vorwärtsbewegung, Sami in der Defensive.
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Also gibt es den Spielertyp Matthäus bei dieser WM nicht?
Matthäus: Doch, aber bei den Chilenen. Arturo Vidal, der Ex-Leverkusener, der erinnert mich daran, wie ich früher gespielt habe. Der ist unheimlich ehrgeizig, übernimmt die Standards und geht überall dahin, wo es auch mal wehtut.
Muss man sich also Sorgen um die deutsche Mannschaft machen?
Matthäus: Nein, natürlich nicht. Sie bringt viel mit, auch die Qualität, das Turnier zu gewinnen. Wir haben ein hoch talentiertes Mittelfeld, das in der Offensive Weltklasse sein kann, so etwas findet man bei den anderen nicht. Wenn Mats Hummels und Philipp Lahm in Hochform sind, sieht es hinten auch gut aus. Außerdem haben wir mit Manuel Neuer den besten Torwart der Welt.
Noch was?
Matthäus: Die Stimmung scheint gut zu sein, trotz der Zwischenfälle im Trainingslager in Südtirol. Gute Stimmung ist wichtig, gerade von den Ersatzspielern muss das kommen. Als wir 1990 Weltmeister wurden, hatten wir mit Frank Mill so einen dabei. Er kam an Jürgen Klinsmann und Rudi Völler nicht vorbei. Was hat er gemacht? Für gute Stimmung gesorgt, den anderen geholfen, das war vorbildlich. So muss es sein, nur dann geht es.
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Und die Probleme in Löws Team?
Matthäus: Sehen wir ja: Es sind nicht alle fit, gerade die sind angeschlagen, die voran gehen sollen. Und wir haben mit Miro Klose nur einen echten Stürmer dabei. Wenn er sich verletzen sollte, ist doch keiner mehr da. Dabei gibt es gute Stürmer, Mario Gomez oder Pierre-Michel Lasogga zum Beispiel. Aber Joachim Löw hat sich jetzt so festgelegt.
Da sind wir bei richtiger und falscher Neun. Wird die WM fußballerisch etwas Neues bieten?
Matthäus: Das wird ein Turnier, in dem wir hohes Tempo erleben werden, frühes Pressing, schnelles Umschaltspiel. Also das, was wir aus dem internationalen Spitzenfußball schon kennen.
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Klingt so, als würde wenig Überraschendes passieren…
Matthäus: Das sehe ich anders. Am Ende wird sich wohl einer der Favoriten durchsetzen. Spanien, Brasilien, Deutschland. Ich habe ja Argentinien ganz hoch auf dem Zettel. Aber auf dem Weg dahin wird es Teams erwischen, die nicht damit rechnen, und zwar schon in den Gruppenspielen. Das wird für alle eine ganz enge WM.
Wir haben ausschließlich über Fußball gesprochen, dabei sind Sie seit zwei Jahren kein Trainer mehr. Vermissen Sie den Job?
Matthäus: Gar nicht. Ich kann mir nicht vorstellen, je den Kontakt zum Fußball zu verlieren, ich muss immer dran bleiben, aber das tue ich ja durch meinen Job als Experte für Sky. Ich habe übrigens nie gesagt, dass ich nie mehr Trainer sein möchte. Aber vermissen tue ich nichts.
In Deutschland…
Matthäus: … hat es nie mit einem Job geklappt, ich weiß. Aber das ist in meinen Augen ein Medienthema. Wenn sich irgendwo was tut, wirft man meinen Namen rein und hat eine Schlagzeile, wenn man sie braucht.
Nun haben sie in Ihrer Trainerkarriere im Ausland sicherlich Fehler gemacht…
Matthäus: Ich habe eins gelernt: Wichtig ist die Zusammenarbeit mit dem Umfeld, und da habe ich sicher nicht immer mit den richtigen Leuten zu tun gehabt. Man braucht auch mal jemanden, der bereit ist, den harten Weg miteinander zu gehen. Ich weiß, dass es auf Dauer mit mir als Trainer funktioniert.
Klingt so, als sei das Kapitel doch noch nicht beendet?
Matthäus: Ich hab’s nicht abgeschrieben, aber es geht mir ohne Trainerjob prima. Mein derzeitiges Leben macht mir einfach Spaß.