Westkapelle. Beim FC Schalke 04 war Marc Wilmots ein Held. Die Fans riefen ihn “Willi, das Kampfschwein“. Heute dirigiert der Coach im belgischen Nationalteam großartige Offensivspieler. Seine Auswahl begeistert auf der ganzen Welt. Die Disziplin kommt aus Deutschland.
Am anderen Ende der Leitung wartete König Philippe höchstpersönlich. Als sich die Fußball-Nationalmannschaft Belgiens im vergangenen Oktober durch das 2:1 in Kroatien zum ersten Mal seit 14 Jahren wieder für eine Weltmeisterschaft qualifiziert hatte, ließ es sich sogar das Staatsoberhaupt nicht nehmen, bei Coach Marc Wilmots anzurufen und ihn für die WM-Teilnahme in Brasilien zu beglückwünschen.
Nach der Beförderung des damaligen Co-Trainers Wilmots zum Chef im Mai 2012 waren die meisten Belgier noch nicht von ihm überzeugt. Doch spätestens nach der souveränen Qualifikation mit acht Siegen, zwei Unentschieden und bloß vier Gegentreffern in zehn Spielen standen die Gratulanten bei dem ehemaligen Profi des FC Schalke 04 Schlange. 26 Punkte hatte er mit dem jungen Team eingefahren. In den anderen Gruppen konnten am Ende nur Deutschland und die Niederlande mehr Zähler aufweisen.
Viele Stars im Team
In weniger als zwei Jahren hat Wilmots eine Mannschaft geformt, die auch in Brasilien zu Überraschungen fähig sein wird. Er selbst ist angesichts der rasanten Entwicklung seiner Auswahl überrascht. Einige sehen in den Roten Teufeln sogar einen Halbfinalisten. Die Stars Vincent Kompany, Eden Hazard, Axel Witsel, Kevin de Bruyne, Romelu Lukaku und Keeper Thibaut Courtois werden in ihrer Heimat gefeiert wie Popstars, obwohl die meisten von ihnen nie in der belgischen Liga aktiv gewesen sind. Dem Coach liegt mittlerweile das ganze Land zu Füßen.
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Im April hat Wilmots seinen Kontrakt vorzeitig bis 2018 verlängert. Die nächste WM in vier Jahren soll der Höhepunkt für ihn und seine Mannschaft werden. Seit der Vertragsverlängerung ist er der bestbezahlte Nationaltrainer in der Geschichte des belgischen Fußballs. 600 000 Euro soll er pro Jahr verdienen.
Wilmots erzeugt WM-Stimmung
Vor den WM-Gruppenspielen gegen Algerien, Russland und Südkorea ist die Euphorie im Königreich riesengroß. Gerne erzählt der 45 Jahre alte Trainer, dass mittlerweile alle Heimspiele ausverkauft sind. Das gilt auch für das letzte Testspiel am Samstag im König-Baudouin-Stadion in Brüssel gegen Tunesien. Vor der Wilmots-Ära hatte der Verband die Tickets nicht mal kostenlos an den Mann bringen können.
Auch beim letzten öffentlichen Training vor der Abreise nach Südamerika am Mittwoch säumten unzählige Anhänger den Trainingsplatz in Westkapelle an der belgischen Küste. Es war kalt. Der Wind blies heftig. Doch Wilmots stand als einer der wenigen in kurzen Hosen auf dem Rasen. Vom Wetter unbeeindruckt stapfte er über das Spielfeld. Er unterbrach, erklärte, schimpfte und verbesserte. Seine Spieler zählen zum großen Teil zu den feinsten Technikern. Wilmots bleibt jedoch ein Kämpfer.
"Willi, das Kampfschwein"
Während seiner ersten Zeit auf Schalke von 1996 bis 2000 riefen sie den Publikumsliebling bald "Willi, das Kampfschwein". Er war die Leitfigur der "Eurofighter", die 1997 den Uefa-Pokal gewannen. Im Finale schoss der Mittelfeldspieler im Hinspiel den 1:0-Siegtreffer. Im Elfmeterschießen im Rückspiel bei Inter Mailand verwandelte er den entscheidenden Strafstoß. "Das war der wichtigste Schuss meines Lebens", sagte Wilmots später. Er hatte die Königsblauen zum ersten internationalen Titel geschossen und wurde zum Helden. Später fungierte er in Gelsenkirchen sogar kurz als Interimstrainer.
Von seiner Zeit auf Schalke hat der 70-fache Nationalspieler vieles mitgenommen, das ihm jetzt als Coach zu Gute kommt. "Inzwischen ist bei uns alles sehr professionell, auch der Trainerstab und die medizinische Abteilung. Da habe ich viel von Schalke und Rudi Assauer gelernt, was Arbeit und Professionalität angeht", hat Wilmots einmal gesagt.
Der Coach, der schon für die liberale Partei Mouvement Réformateur im belgischen Senat saß, legt Wert auf Disziplin. Seine Spieler müssen pünktlich sein - immer und überall. Denn wer sich neben dem Platz nicht disziplinieren könne, schaffe das auch nicht auf dem Platz. (dpa)