Mainz. Einfach weglächeln lassen sich die deutschen WM-Sorgen nicht mehr. Nur ein überzeugender Sieg gegen Armenien wird echte WM-Stimmung entfachen. Löw weiß: Ein Vorrunden-Aus wäre sein persönlicher K.o.
Schluss mit schönen Worten - jetzt müssen Tore bejubelt werden. In der Karnevalshochburg Mainz möchte Joachim Löw am Vorabend der langersehnten Abreise nach Brasilien die abgekühlte WM-Stimmung in Deutschland neu entfachen. Der Bundestrainer weiß, dass nach einer von Störfällen gekennzeichneten Vorbereitung, einem schalen 2:2 gegen Kamerun und Zweifeln an einer neu versprochenen WM-Punktlandung von Torwart Manuel Neuer ein schwungvoller Fußballabend gegen Sparringspartner Armenien am Freitag zu einer Verpflichtung geworden ist.
"Wir wollen uns mit einem Sieg, einem guten Spiel und einem Lächeln aus Deutschland verabschieden", sagte Löw am Donnerstag in Frankfurt und versprach den skeptischen Fans einen tollen Fußballsommer: "Wenn es losgeht, werden wir auch den WM-Turbo zünden!" Die Historie lehrt: Vor jedem der drei deutschen WM-Titel 1954,1974 und 1990 gab es bei der Generalprobe einen Sieg.
Sorgen bei Löw
Ohne Sorgen wird Löw am Samstagabend (22.00 Uhr) aber auch bei einem Sieg gegen den Weltranglisten-38. nicht den DFB-Charterflieger nach Südamerika besteigen. Denn sein WM-Torwart Nummer 1 muss auch in der mit 27 000 Zuschauern ausverkauften Mainzer Arena erneut von Roman Weidenfeller vertreten werden. Neuers im DFB-Pokalfinale lädierte rechte Schulter lässt auch zehn Tage vor dem Ernstfall gegen Portugal keinen Länderspieleinsatz zu. Nicht einmal Torwarttraining konnte der 28 Jahre alte Münchner bislang absolvieren.
"Wir wollen kein Risiko eingehen, auch nicht minimal", sagte Löw zum verschobenen Neuer-Comeback. Als neuen Plan musste er einen WM-Kaltstart des Keepers am 16. Juni in Salvador ankündigen. Die DFB-Ärzte sähen "keine Probleme" für das erste Spiel, berichtete der Bundestrainer. "Wir haben im Moment überhaupt keine andere Pläne", sagte Löw zur Alternativlösung mit Turnierdebütant Weidenfeller.
Duell mit MkhitaryanDFB-Team
Das Fragezeichen hinter Neuer wird sich also frühestens in der Trainingswoche auf dem neu erbauten Fußballplatz beim doch noch rechtzeitig fertiggestellten DFB-Quartier Campo Bahia in Santo André auflösen. Auf Grün umstellen sollen die WM-Ampel dagegen noch in Mainz die Kapitäne Philipp Lahm (Fuß) und Bastian Schweinsteiger (Knie). Das Bayern-Duo soll nach einem gezielten Aufbautraining zumindest einen Teilzeiteinsatz gegen die konterstarken Armenier um den Dortmunder Henrikh Mkhitaryan leisten. "Natürlich brauchen beide Spieler Wettkampf-Rhythmus", sagte Löw.
Ob das auch für Miroslav Klose gilt, darauf mochte sich Löw nicht frühzeitig festlegen. Nachdem der Torjäger beim 2:2 gegen Kamerun 90 Minuten auf der Bank saß, weil er nach dem Trainingslager körperlich "in ein Loch" gefallen war, wollte der Bundestrainer erst noch die Eindrücke des Abschlusstrainings abwarten. "Ich gehe davon aus, dass ich beim Turnier bei hundert Prozent bin", hatte Klose angekündigt.
Druck steigt für den DFB
Ein starker Auftritt des erfolgreichsten deutschen WM-Torschützen (14 Treffer) wäre nach heftigen Stürmerdebatten an den Fan-Stammtischen eine Beruhigungspille. "Das Thema falsche Neun, richtige Neun ist in Deutschland rauf und runter diskutiert worden", bemerkte Löw leicht genervt. "Wir haben genug Möglichkeiten im Sturm", entgegnete der 54-Jährige und zählte neben Klose auch Reus, Müller, Götze, Schürrle und Podolski auf: "Der Spielertyp im Sturm hat sich verändert."
Der Druck steigt mit jedem Tag, den das Turnier näherrückt. An den "zwei schönen Tage zuhause" hätte er kaum noch entspannen können, gestand Teammanager Oliver Bierhoff. "Man ist schon im WM-Tunnel drin." Und auch Löw spürt, dass er bei seinem vierten Turnier als Bundestrainer liefern muss - im Grunde den Titel. "Jeder weiß, auch ich, dass ein Bundestrainer an einem Abschneiden bei einem Turnier bewertet wird", sagte der seit 2006 als Chefcoach amtierende Löw. Bei einem krassen Misserfolg wäre auch der schon verlängerte Vertrag bis 2016 hinfällig: "Wenn wir in der Vorrunde ausscheiden, denke ich, ist klar, wird es wahrscheinlich notwendig sein, dass es eine Veränderung gibt."
Stiftungen der Gewinner des Spiels
Ein Gewinner des Benefiz-Länderspiels steht schon fest. 4,5 Millionen Euro sollen als Reingewinn der Partie an die DFB-Stiftungen und die Bundesliga-Stiftung fließen. Seit der Premiere 1993 kamen in nun elf Partien insgesamt 32 Millionen Euro zusammen. "Wir müssen unsere gesellschaftspolitische Verantwortung auch leben", erklärte Ligapräsident Reinhard Rauball zu den Hilfsmaßnahmen. "Wir werden versuchen, auch in Brasilien Akzente zu setzen", kündigte DFB-Präsident Wolfsgang Niersbach an. Die Nationalmannschaft wird am Standort des WM-Quartiers über vier Jahre ein Schulprojekt unterstützen. "Wir lassen als Nationalmannschaft auch was da", sagte Bierhoff. Es muss ja nicht gerade der WM-Pokal sein. (dpa)