Bochum. Gerade noch schwamm der VfL Bochum auf einer Euphoriewelle, jetzt fühlt sich der Ligaalltag eher wie eine Fahrt auf stürmischer See an. Nach dem 0:3 gegen 1860 München wird nun vor allem einer in Haftung genommen: Trainer Peter Neururer. Der einstige Retter wird für einige Fans zum Sündenbock.

Es liegt noch nicht lange zurück, dass Peter Neururer den Eindruck eines zufriedenen, wenn nicht sogar glücklichen Menschen vermittelt hat. „Die Arbeit mit dieser Mannschaft macht mir unheimlich viel Spaß“, hatte der Trainer des Zweitligisten VfL Bochum gesagt, und zwar zu einem Zeitpunkt, als diese Mannschaft längst aufgehört hatte zu gewinnen. Inzwischen hat sie offenbar auch damit aufgehört, an sich zu glauben, diesen Eindruck musste man jedenfalls nach dem 0:3 gegen im Grunde harmlose und anfangs regelrecht zittrige Münchener „Löwen“ bekommen. Und wenn das eintritt, man kennt das im Fußball, ist der Tiefpunkt nicht mehr weit.

Wer in erster Linie dafür in Haftung genommen wird, ist ebenfalls bekannt. Trainer Peter Neururer, der einst mit dem VfL bis in den Uefa-Cup getanzt war, dann für den folgenden Liga-Absturz verantwortlich gemacht wurde und die Bochumer Fanszene spaltete wie kein zweiter Übungsleiter, droht nun erneut vom heftig hin- und herschwingenden Pendel erwischt zu werden. Messias oder Teufel, dazwischen liegt oft nur ein schmaler Grat. In diesem Fall bedeutet das: Der Retter des Frühsommers 2013 ist in den Augen vieler VfL-Fans der Totengräber der Gegenwart.

Testspielsieg gegen Gladbach war der vorläufige Höhepunkt

Weil die Anhänger in den ersten Saisonwochen gesehen haben, was die nach dem Dauerfrust der vergangenen Jahre gründlich umgekrempelte Mannschaft grundsätzlich zu leisten imstande ist, fällt die Kritik am Trainer umso härter aus. Es sei schließlich seine Aufgabe, so heißt es, das Potenzial sichtbar zu machen – letztlich natürlich auch in den Ergebnissen.

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Wenn dann auf der Gegenseite nach sieben sieglosen Spielen, in denen die Bochumer nur drei von 18 möglichen Punkten einstrichen, von zu „hohen Erwartungen“ die Rede ist, kommt man sich argumentativ nicht näher. Denn diese hohen Erwartungen wollte man doch beim VfL, man wollte doch die kleine Welle der Euphorie, die Ende August, Anfang September durch die Stadt schwappte. Nur deshalb füllte sich das Stadion an der Castroper Straße wider Erwarten gut. Als sogar Borussia Mönchengladbach in einem Freundschaftskick mit 4:2 bezwungen wurde, war der vorläufige Höhepunkt erreicht. Neururer, der die „Mentalität“ seiner Spieler über den grünen Klee lobte, sprach – sehr zufrieden – von „vielversprechendem Fußball“, die Mannschaft ließ ein in der Öffentlichkeit hymnisch besungenes 5:1 beim FSV Frankfurt folgen, dann war abrupt Schluss.

Das Tabellenende kommt für den VfL bedrohlich nahe

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Zunächst schien der VfL nur für eine Weile vom Glück verlassen zu sein, inzwischen ist weder Dynamik noch Spielvermögen zu sehen, auch nicht von den erfahrenen Spielern. Stanislav Sestak (33), Tobias Weis (29), Yusuke Tasaka (29), Patrick Fabian (27) und Torhüter Andreas Luthe (27), der ebenfalls in die Kritik geraten ist, fabrizieren selbst Fehler in erklecklicher Anzahl oder lassen das nötige Durchsetzungsvermögen vermissen.

Und so scheint der VfL-Tanker einmal mehr orientierungslos in gefährlichem Wasser den sich auftürmenden Wellen ausgeliefert zu sein. Noch befindet sich der Klub im Tabellen-Mittelfeld, aber der Weg nach unten ist inzwischen erheblich kürzer als der nach oben.

Aufsichtsrat verspricht die Ruhe zu bewahren

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In dieser Situation den Mann auf der Brücke zu wechseln, wie ein Teil des Fanvolkes es fordert, kommt momentan nicht infrage. „Wir werden die Ruhe bewahren, auch wenn wir uns der Lage bewusst sind“, sagte der Aufsichtsratsvorsitzende Hans-Peter Villis am Montag und erinnerte an die schwierige vergangene Saison. Allerdings stehen Team und Trainer unter Beobachtung. „Wir werden Antworten geben“, sagte Villis.