Bochum. Schlussmann Philipp Heerwagen musste beim VfL Bochum lange warten, bis er in der internen Hierarchie aufstieg. Auf Schalke erwartet er am Sonntag "ein Schweinespiel".

„Servus”, grüßt Philipp Heerwagen, und hätte er sich nicht seinen Dialekt bewahrt und seine Vorliebe für den Currywurst-Ersatz-Snack der Niederbayern, den aus Käseresten gemixten „Obatzter”, man müsste meinen: Der junge Mann ist einer aus dem Pott, wo die Menschen „offener” sind als im tiefen Süden, wo sie sich „nicht so auf die Nerven gehen”, wie der Bayer sagt.

Tach auch, Philipp Heerwagen. 26 Jahre, Bruder der mit dem Grimme-Preis geadelten Schauspielerin Bernadette Heerwagen (32, „An die Grenze”) – neuer Stammtorwart des VfL Bochum. Zwei Jahre musste der große Blonde warten, um als unumstrittene Nummer eins aufzulaufen. Am Sonntag erstmals auf Schalke. Revierderby-Premiere, ein besonderes Spiel? „Nee”.

Ein bodenständiger Typ

So ist er. Ein cooler, lockerer Typ einerseits; ein selbstkritischer, bodenständiger andererseits. Das Fachabi war ihm wichtig, als Junior-Chef führt er mit seinem Vater eine Schule für Sicherheitskräfte in München, einmal im Monat ist er vor Ort. Nach der Karriere will er sich ständig ums Geschäft kümmern. „Man muss für alles gerüstet sein”, sagt Heerwagen, „man kann nicht nur mit der rosaroten Brille durch die Gegend rennen”.

Und auch nicht mit dem dicken Geldbeutel. Luxus-Tempel, Strandurlaub all inclusive? Langeweile! Er schnallte im Juni den Rucksack, tourte allein durch Thailand, China, Japan. Der bequeme Weg führt an ihm vorbei – sein Absturz und Aufstieg beim VfL sind das sportlichste Beispiel dafür.

Man wollte ihn ja schon nicht mehr sehen in Bochum, vor gut einem Jahr. Als Stammkeeper des Zweitligisten Unterhaching war er gekommen im Sommer 2007, im Münchener Vorort hatte er fünf Jahre lang geglänzt und schon mit 19 dem „großen Druck” standgehalten, dass ein Patzer zu viel „Arbeitsplätze kosten kann”. In Bochum der tiefe Fall, sein erstes „Seuchenjahr”, so Heerwagen: Ellbogen-OP, Handverletzung kurz vor seinem geplanten Debüt, Knieverletzung. Kein Einsatz – keine Chance mehr?

Er war nur noch als Nummer vier geduldet

Heerwagen, nur noch als Nummer vier geduldet, sollte gehen vor der vergangenen Saison. „Aber ich wollte auch mir selbst beweisen, dass ich nicht so schlecht bin”, sagt er. Keine Trainingseinheit hat er seitdem verpasst. Lange aber hielt Trainer Marcel Koller an Daniel Fernandes fest. Natürlich, sagt Heerwagen, kommen da mal Zweifel, ob man „alles richtig entschieden hat”.

Ausgerechnet im „Endspiel” aber, am vorletzten Spieltag gegen Frankfurt, die überraschende Wende: Heerwagen hielt, der VfL gewann 2:0, und der Torwart, längst ein Liebling der Fans, heizte die Nicht-Abstiegsfeier vor der Ostkurve an. „Keine Genugtuung” habe er verspürt, sagt er heute, nur „große Zufriedenheit”.

Um dann die „neue Herausforderung” anzupacken. Mit Erfolg: Kurz vor dem Auftakt im Pokal legte sich Koller fest. Weil Heerwagen, stark auf der Linie und besser in der Strafraumbeherrschung als Fer-nandes, mehr Sicherheit ausstrahlt, klarer dirigiert. Im Job, sagt der Torwart, sei er eben ein ganz anderer Typ als privat: absolut „kompromisslos”.

Zwar unterlief auch Heerwagen in der ersten Grotten-Halbzeit gegen Gladbach ein Patzer vor dem 0:3, nach der Pause aber verhinderte er mit einem Blitzreflex den Untergang. 3:3 – zufrieden? „Insgesamt ja”, sagt Heerwagen, ohne die ersten 45 Minuten zu verschweigen.

Soll ja nicht wieder vorkommen: Ein „Schweinespiel” erwartet Heerwagen auf Schalke. Und schwafelt auch beim Tipp nicht drumrum: „Stani Sestak schießt das 1:0”, sagt er. „In der 89. Minute.”