Bochum. Leon Goretzka, Supertalent vom VfL Bochum ist ein “bodenständiger, zielstrebiger, hilfsbereiter Junge mit trockenem Humor“. Das sagt seine Klassenlehrerin. Goretzka will 2014 sein Abitur am Alice-Salomon-Berufskolleg machen - und bis dahin beim VfL Bochum spielen. Aber “nur“ in der 2. Liga, versteht sich.

Klassenzimmer 214, Fotoshooting und TV-Dreh mit dem aktuell berühmtesten Schüler des Alice-Salomon-Berufskollegs. "Sky" ist da, eine große Fotoagentur, weitere Journalisten, die fürs Bild auch mal die Schüler mimen. Leon Goretzkas Käppi sitzt verkehrt herum auf dem Kopf, wie das so üblich ist (nicht nur) bei Jungs in seinem Alter. Lässig sieht er aus, ohne arrogant zu wirken, das ist ja eine seiner großen Stärken. Stimmung? Heiter.

Ein bodenständiger, zielstrebiger und hilfsbereiter Junge

Ulla Kaupp, seine Klassen- und Sportlehrerin, will ihren Schüler im Licht der jugendlichen Wahrheit inszeniert sehen: "Jetzt muss er noch einen Kaugummi kauen und unauffällig versuchen, auf sein Handy zu schauen", sagt sie. Man lacht.

Später sagt Ulla Kaupp sinngemäß - und ohne Scherz im Unterton - das, was so viele sagen, die Goretzka etwas näher kennen. Dass er ein "normaler" 17-Jähriger geblieben ist, ein bodenständiger, zielstrebiger, hilfsbereiter Junge mit trockenem Humor. Clever noch dazu: "Er hat es nicht nur in den Beinen, sondern auch im Kopf", sagt sie. Anders kriegt man diese Doppelbelastung auch nicht gestemmt.

Goretzka will 2014 sein Abitur machen

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In jedem Fall will er sein Abitur machen, 2014, hier am Alice-Salomon-Berufskolleg, das "nur einen Kilometer Luftlinie vom Stadion" entfernt liegt. Bis dahin, in den nächsten anderthalben Jahren also, will der Bochumer noch beim VfL Bochum spielen, bei dem Klub seines "Herzens", bei dem er deshalb gleich einen Vertrag bis 2016 unterschrieb. Das gilt allerdings "nur", wenn der VfL in der 2. Liga bleibt. Für ihn keine Frage: "Unser Kader", sagt Goretzka, "ist zu gut, um in die 3. Liga abzusteigen. Wir werden da wieder rauskommen."

Dass große Klubs anklopfen, angeblich ja halb Europa ihn verpflichten will, dass er als einziges großes Faustpfand seines VfL gehandelt wird, belastet Goretzka nicht, versichert er: "Ich sehe mich ja gar nicht als diesen Hoffnungsträger".

Bescheidenheit ist eine Tugend.

Offiziell Interesse bekundet hat bisher nur der FC Schalke. Der FC Bayern hat ihn auf dem Zettel, der BVB im Blick, auch englische, spanische, italienische Klubs sollen den zum Jahresbesten seines Jahrgangs gekrönten Mittelfeldmann notiert haben. Für Goretzka ist ein Wechsel ins Ausland "ein deutlich größerer Schritt", also: vorerst kein Thema. Und vor allem will er "spielen" und nicht auf der Bank sitzen: "Das muss man immer gut abwägen."

"Die schwierige Phase beim VfL kostet genug Kraft"

Die Kontaktaufnahme geht ohnehin am Talent der Begierde vorbei. Bei Goretzkas Vater, dem ersten Ansprechpartner für alle Lebensfragen, oder Jörg Neubauer, seinem Berater bei Vertragsverhandlungen, landen die Agenten der Klubs. Bei ihm selbst nicht. "Die schwierige Phase beim VfL kostet genug Kraft", sagt Goretzka und wirkt längt wieder erstaunlich erwachsen, wie ein abgeklärter Profi und nicht wie ein 17-jähriger Schüler. All diese Eigenschaften hat sein Ex-Trainer Andreas Bergmann mal so gebündelt: "Nicht nur der Spieler, das Gesamtpaket Goretzka ist ein Phänomen."

Eines, das viel häufiger spielen durfte (oder musste) als geplant. Schon mit 17 wurde Goretzka sofort Stammkraft, agierte mal zentral ("Da sehe ich mich am Stärksten"), mal links, mal rechts - fast immer von Beginn an. Für ihn mehr ein Segen als Belastung. Geradezu artig dankt der Junge, der in den letzten Wochen, wen wundert’s, etwas an Kraft, seiner Dynamik, seinem Tempo verloren hat, seinen Trainern für "das Vertrauen" - und weiß: "Bei mir ist noch viel Luft nach oben." Fraglich ist nur, ob er sein Potenzial ausschöpfen, weiterentwickeln kann bei einem Zweitligisten dieser Güte.

Goretzka würde das so wohl nicht denken, auf keinen Fall so sagen. Was ihn nervt am Profifußball? "Die Niederlagen", sagt er sofort, und: "Die langen Fahrten kannte ich auch noch nicht." Kurze Pause. Goretzka, am Pult sitzend, trocken in die Runde im Klassenzimmer: "Wer es kombinieren will: Lange Fahrten nach Niederlagen."