Bochum. . Nach seinem dritten Kreuzbandriss binnen 16 Monaten kämpft der Bochumer Fußball-Profi Patrick Fabian nicht nur um die Fortsetzung seiner Laufbahn.
Im Radio läuft ein Klassiker. „Highway to hell“ von AC/DC. Patrick Fabian (24) hört nicht hin. Er ist zu konzentriert, er soll den Oberschenkel anspannen. Vor Anstrengung beißt er sich auf die Unterlippe. Aber am Oberschenkel kommt so gut wie nichts an, die Anstrengung verpufft wirkungslos. Das Kreuzband, das die Kraft übertragen könnte, funktioniert noch nicht. Es war gerissen. Mal wieder.
Auf der Schnellstraße in die Fußball-Hölle hat der Profi vom Zweitligisten VfL Bochum in den vergangenen Monaten einige Ausfahrten verpasst. Er konnte sie gar nicht ansteuern. Schicksal vielleicht, so genau weiß er das noch nicht. Er liegt in einem Bochumer Reha-Zentrum auf einer Massageliege, sein rechtes Knie ist von der Operation dick geschwollen, die Narbe noch ganz frisch. Nur eine von vielen Narben nach drei Kreuzbandrissen innerhalb von 16 Monaten.
Ein kurzes schönes Gefühl
Der erste am 30. März 2011.
Operation.
Reha.
Kampf.
Rückkehr.
Zwei Spiele im Dezember für die Amateure. Trainingslager: Kreuzbandriss!
Operation.
Reha.
Kampf.
Rückkehr.
„Es war ein Genuss, wieder Fußball zu spielen, wieder mit den Jungs auf dem Rasen zu stehen“, sagt Fabian. Er kostet nur ein paar Tage von dem schönen Gefühl. „Es war ein Sonntag“, sagt der gebürtige Hagener. Mannschaftstraining in Barsinghausener Trainingslager, ein Kopfballduell, die unglückliche Landung, der Schmerz. Wieder das rechte Knie. Ein Physiotherapeut kommt auf den Platz gelaufen, er braucht nicht lang, um eine Ahnung von der Diagnose zu bekommen. Patrick Fabian schaut dem Mann ins Gesicht, der nicht aufblickt, der auf das Knie starrt und nur ganz leicht den Kopf schüttelt.
Lieblingsspielzeug
Patrick Fabian liegt auf seiner Liege. „Es ist, als wäre ich ein Kind, dem man das Lieblingsspielzeug wegnimmt, es ihm wieder hinhält und in dem Moment, in dem ich danach greife, zieht es jemand wieder weg und sagt: Haha, das kriegst du doch nicht.“
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Ein Kreuzbandriss ist gefürchtet. Zwei Kreuzbandrisse im gleichen Knie sind ein Desaster. Drei sind…ohne Worte. Noch an jenem Sonntag versucht Patrick Fabian, sich zu sammeln, alles zu verstehen. Er telefoniert mit seinem Vater. Und spricht kaum ein Wort. „Ich war leer“, sagt er, „und ich hatte Angst, weil mir niemand sagen kann, ob ich überhaupt wieder spielen kann.“ Es geht jetzt nicht nur um seine Profi-Karriere, es geht auch um die Frage, ob er jemals wieder unbeschwert und sorglos Fußball spielen kann.
Ein paar Tage, sagt er, habe er gebraucht, um das alles zu verarbeiten. Er bemüht sich um Optimismus. Von draußen scheint die Sonne herein. Es ist ein schöner, warmer Tag. Die dicke Manschette für das Bein hat Patrick Fabian auf einen Stuhl gelegt, die Krücken lehnen an der Wand. Fußball spielt er seit er fünf Jahre alt ist, weil er das Spiel liebt. „Das vielleicht nicht mehr tun zu können, ist unvorstellbar. Das geht nicht so einfach an dir vorbei“, sagt er und mag diesen Satz nicht einfach so stehen lassen, weil er zu sehr nach Hadern klingt. Deshalb fügt er lapidar an: „Jetzt mache ich das eben das dritte Mal.“
Noch niemand kehrte nach drei Kreuzbandrissen in einem Knie zurück
Der Verteidiger hat sich erkundigt. Jens Nowotny, der frühere Nationalspieler aus Leverkusen, hatte sogar vier Kreuzbandrisse – allerdings gut verteilt auf beide Beine. Eine geglückte Rückkehr ins Geschäft nach drei Kreuzbandrissen in einem Knie ist ihm nicht bekannt. Es könnte ihm den Mut entziehen. Das Gegenteil ist der Fall. „Warum soll ich nicht der Erste sein, der das schafft“, fragt er und streichelt mit der linken Hand über den rechten Oberarm.
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Ein Tattoo blitzt unter dem T-Shirt hervor. Zu sehen ist die Heilige Maria. Darunter der Schriftzug „pray for us“ – bete für uns. Patrick Fabian hat es sich nach dem zweiten Kreuzbandriss stechen lassen. Eine Zeit, in der seine Mutter und sein Vater zeitgleich wegen Herzproblemen auf der Intensivstation liegen. „Da habe ich mir gedacht, dass das keine schlechte Idee ist, damit die Heilige Maria ein bisschen auf uns aufpasst.“
Der Glaube hilft ihm
Seinen Eltern geht es wieder besser, er hingegen ist in der gleichen Situation wie damals. Der Glaube hilft ihm auch jetzt. Er sagt, dass er ja nicht todkrank sei, dass es einen im Leben schlechter treffen könne. „Gott würfelt nicht“, sagt er. „Er weiß schon, wofür es gut ist, welchen Sinn alles hat. Ich erkenne den Sinn noch nicht, aber ich hoffe, dass ich ihn irgendwann sehe.“
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Er weiß, dass er noch so manches Tal durchschreiten muss in den kommenden Wochen und Monaten, dass ihm die Decke auf den Kopf fallen wird, dass ihm alles zu viel werden wird, dass er das Gefühl haben wird, nicht voran zu kommen. Er kennt das ja alles. Er muss sich dem Fernstudium der Wirtschaftswissenschaften in Hagen widmen, in dieser Woche stehen Klausuren an: „Banken und Börsen“ ist die eine, „Finanzierung“ die andere. Seine Laune kann diese Ablenkung aber auch nicht aufhellen.
Gegen Klose und Podolski
Zuhause bei seinen Eltern in Schwerte bewahrt er ein Trikot auf. Es ist das Trikot, in dem er 2009 in seinem ersten Bundesliga-Spiel von Beginn an den Stars Miroslav Klose, Lukas Podolski und Bastian Schweinsteiger vom FC Bayern München gegenüberstand. Patrick Fabian machte ein gutes Spiel, das beste eines Bochumers. Es hätte der Anfang einer Bundesliga-Karriere sein können. Patrick Fabian hat alle seine Mannschaftskollegen auf dem Trikot unterschreiben lassen. Als Andenken.
Sechs Bundesligaspiele und sechs Zweitligaspiele weist seine Vita auch wegen der Verletzungen bisher aus. Wie viele noch hinzu kommen, wird die Zukunft zeigen. Sicher ist, dass Patrick Fabian hart darum kämpfen wird. Wie immer.