Bochum. U19-Nationaltrainer Heiko Herrlich soll das Traineramt beim VfL Bochum übernehmen. Der 37-Jährige soll Interimstrainer Frank Heinemann ablösen und Ex-Coach Marcel Koller beerben. VfL-Boss Werner Altegoer hofft auf "schnelle Erledigung." Funny Heinemanns Situation ist noch ungeklärt.

Jung, grün, unverbraucht: Bundesligist VfL Bochum hat sich nach fünf Wochen intensiver Gespräche und Suche in der sportlich prekären Lage offenbar auf einen Bundesliga-Novizen als Kandidaten für den Trainerposten festgelegt. Nach Informationen mehrerer Zeitungen ist der ehemalige Bundesliga-Torschützenkönig Heiko Herrlich der Auserwählte für die Nachfolge des am 20. September entlassenen Schweizers Marcel Koller und Interimscoach Frank Heinemann.

Die überraschende Wahl wollten die Verantwortlichen des VfL am Montag nicht bestätigen. "Wir geben zu der Sache bis zum Vollzug keinen Kommentar mehr ab", sagte VfL-Sportdirektor Thomas Ernst. Der neue Mann soll das nächste Training am Mittwoch leiten und am Dienstag vorgestellt werden. Herrlich sah bereits am Sonntag von der Tribüne aus die bittere 1:4-Pleite gegen DFB-Pokalsieger Werder Bremen, durch die Bochum auf den vorletzten Tabellenplatz abrutschte.

Einigung mit DFB steht noch aus

Es sind nur noch letzte Details zu klären, schließlich ist Herrlich noch Angestellter des Deutschen Fußball-Bundes und dort für die U19 verantwortlich. "Bis Montagmorgen ist noch keine offizielle Anfrage aus Bochum beim DFB eingegangen. Deshalb kann es noch keine Einigung geben", erklärte DFB-Mediendirektor Harald Stenger.

Die Niederlage gegen Bremen war für Interimscoach Heinemann das fünfte und letzte Pflichtspiel als Verantwortlicher an der Seitenlinie. Das Pokal-Aus gegen Schalke und vier Punkte aus vier Bundesligaspielen waren zu wenig für das Urgestein, dem Außenseiterchancen auf den Posten eingeräumt worden waren. "Meine Situation ist noch ungeklärt," erklärte Funny Heinemann am Montag.

Bisher ohne Erfahrung im Profi-Bereich

Auch das Fachmagazin RevierSport vermeldet die Nachricht, dass Herrlich in Bochum vorgestellt werden soll. Bis zum Schluss soll es beim VfL ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen dem ehemaligen Angreifer und dem Ex-Karlsruhe-Coach Ede Becker um das Traineramt gegeben haben. Die Entscheidung wurde den Verantwortlichen des VfL nun quasi abgenommen, denn laut Exklusiv-Informationen von RevierSport online hat Becker dem VfL eine Absage erteilt. Die Gründe dafür: Eine mögliche neue Aufgabe noch in der Winterpause. So ist der Weg frei für einen Neueinsteiger in der Fußball-Bundesliga.

Schon vor einem Jahr versuchte der 1. FC Kaiserslautern mit Sportvorstand Stefan Kuntz, Herrlich vom DFB loszueisen und in die Pfalz zu holen. Was damals nicht möglich war, schaffte jetzt offenbar homas Ernst. Herrlich wird wohl spätestens am Mittwoch in Bochum einen Zweieinhalb-Jahres-Vertrag unterzeichnen. Bochums Aufsichtsratsvorsitzender Werner Altegoer "hofft auf eine schnelle Erledigung."

Dass die Wahl nun offenbar auf den fünfmaligen Nationalspieler Herrlich fiel, ist überraschend. Der einstige Stürmer von Bayer Leverkusen, Borussia Mönchengladbach und Borussia Dortmund machte 2005 seine Trainer-Lizenz und arbeitete zunächst als A-Jugendcoach beim BVB, ehe er 2007 zum DFB wechselte. Dort erreichte er mit der U17 im selben Jahr bei der WM in Südkorea den dritten Rang und ist seit August 2008 für die U19 verantwortlich.

Erfahrung als Klubtrainer im Profibereich hat er nicht. Offenbar will der VfL nicht mehr auf alte Eisen setzen. Welchen Effekt die Wahl auf einen unverbrauchten Menschen im Profibereich haben kann, wurde den Bochumern vom FSV Mainz 05 schmerzhaft vor Augen geführt. Der 36-Jährige Thomas Tuchel, zuvor verantwortlich für die Mainzer A-Junioren und kurz vor Saisonstart für den entlassenen Jörn Andersen zum Chef aufgestiegen, siegte mit dem FSV 3:2 in Bochum.

Ernst legt Wert auf Kontinuität

Und auf Langfristigkeit und Kontinuität wird bei den Westfalen ebenfalls wert gelegt. "Die letzten beiden Trainer waren jeweils vier Jahre hier", sagte Thomas Ernst. Mit dem einstigen Bundesliga-Rekordmann Herrlich will man offenbar etwas aufbauen beim VfL.

Zwischen 1989 und 2004 bestritt der gebürtige Mannheimer Herrlich 258 Bundesliga-Spiele und erzielte 76 Tore. 1995 wurde er mit 20 Treffern für Gladbach Torschützenkönig und wechselte für die damalige innerdeutsche Rekordablöse von elf Millionen Mark nach Dortmund. Der Transfer war von einem ordentlichen Trara begleitet. Gladbach wollte Herrlich nicht aus dem laufenden Vertrag herauslassen, er berief sich aber auf eine Absprache mit dem damaligen Manager Rolf Rüssmann. Schließlich boykottierte Herrlich das Training, hielt sich bei Fortuna Köln fit und ging dann schließlich doch nach Dortmund.

Dort wurde er 1996 und 2002 deutscher Meister sowie 1997 Champions-League-Sieger und Weltpokalgewinner. 2000 wurde bei Herrlich ein Hirntumor diagnostiziert, 2001 gab er nach seiner Genesung sein Comeback, fand aber nicht mehr zu alter Stärke zurück.