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Seit acht Jahren schnürt Philipp Bönig für den VfL Bochum die Schuhe. Doch die letzten anderthalb Jahre klebte ihm das Verletzungspech an den Stollen. Nun wagt der Außenverteidiger einen neuen Anlauf.
Das Training ist hart in Side, aber nicht hart genug für einen, der nach einem „katastrophalen Jahr für mich und den Verein“ an seiner Rückkehr arbeitet. Wenn andere VfL-Profis die Füße hochlegen, abschalten oder an der Bar einen Tee trinken im Sensimar Resort, der Kaffee ist ungenießbar, legt Philipp Bönig nach: schuftet im Kraftraum, powert sich aus auf dem Laufband. „Mir fehlt noch die Spritzigkeit, die eine oder andere Konditionseinheit“, sagt der Linksverteidiger gut gelaunt. Denn insgesamt „bin ich überrascht, dass es nach der Schwere der Verletzung schon so gut geht, auch vom Kopf her.“
Eine Schambeinverletzung zwang ihn in der Vorsaison zu einer monatelangen Pause, und nach nur sechs Einsätzen am Ende der Rückrunde, nach der Vorbereitung und dem Pokal-Aus in Offenbach zog er sich eine schwere Ellbogenverletzung im Training zu: Trümmerbruch, Bänderrisse, eingeschlagene Kapsel, abgebrochenene Knöchel, OP am linken Arm - drei Monate Pause. Erst im Dezember stieg Bönig langsam ins Mannschaftstraining ein, und neben den letzten paar Prozent Kraft fehlt ihm nun vor allem eines: „Spielpraxis“, sagt Bönig. „Man kann noch so viel Reha machen, laufen, trainieren, ein Spiel hat eine andere Intensität.“
Ärgerlicher Fehlpass
Sein Comeback im Test gegen Fürth verlief passabel - wenn er nicht diesen einen Fehlpass fabriziert hätte, den die Franken zum 1:0 nutzten. „Brutal geärgert“ habe er sich, sagt Bönig, hält aber auch den Ball flach: „Ich habe in den letzten anderthalb Jahren ja kaum gespielt. Vom Gefühl her wurde es mit jeder Minute schon besser, von der Luft her war’s o.k. Es ist für mich jetzt ganz wichtig, wieder in den Rhythmus zu kommen“, drosselt der Erdinger seine eigenen Erwartungen - was ihm, der „richtig heiß“ ist auf jeden Einsatz nach dem Ende der Leiden, schwer fällt.
Rückendeckung erhält der gebürtige Bayer von Trainer Friedhelm Funkel, der ihn menschlich als enorm wichtig fürs Team schätzt, aber auch sportlich auf ihn setzt - obwohl er Bönig ja bisher in keinem Zweitliga-Spiel bringen konnte. Ein Vertrauensvorschuss, der den Linksverteidiger „sehr freut. Das will ich auch zurückzahlen“, sagt der 30-Jährige.
Einsatz gegen 1860 fraglich
Mit Kampf und Einsatz, mit starker Defensivarbeit, wie man es von ihm kennt, wobei man keine Wunderdinge erwarten sollte: Ein Außenverteidiger, der nach vorne Akzente setzt, der eine entscheidende Flanke bringt, war er noch nie. Und ob es bis zum Auftakt bei München 1860 am 15. Januar für die „Idealvorstellung“ des Trainers reicht, sei „schwer zu sagen“, übt sich Bönig in Geduld. Wenn nicht, spielt Matthias Ostrzolek, der 20-Jährige. „Matthias, aber auch die anderen jungen Spieler sind ganz wichtig für uns“, sagt der Teamplayer. „Sie bringen hier richtig frischen Wind rein.“
Der war nötig, nach einer Hinrunde, die Bönig als Zuschauer schwer ertragen konnte: „Diese extremen Schwankungen waren ja schon Irrsinn“, sagt Bönig. „Wir haben es immer wieder geschafft, nach einem Nackenschlag noch einen Tiefschlag draufzusetzen.“
Der - hoffentlich - „endgültige Tiefschlag“, das 1:4 gegen Ingolstadt, habe vielleicht „bei allen zu einer Reaktion geführt, dass es so nicht weitergehen kann.“
„Sind wieder dran“
Ein personeller Umbruch und vier mit Kampf und etwas Glück erarbeitete Siege folgten, Bönig blickt nun zuversichtlich nach vorne: „Natürlich spukt der Aufstieg in den Köpfen rum, wir sind in der Tabelle wieder dran. Vielleicht ist es ganz gut, mit ein bisschen Schub von hinten zu kommen.“ Entscheidend sei, „wie zuletzt jedes Spiel einzeln anzugehen und keine Hochrechnungen anzustellen“.
Seit acht Jahren ist Bönig nun beim VfL, hat „alle Höhen und Tiefen erlebt“, persönlich und mit der Mannschaft: Auf- und Abstiege gab es und Uefa-Cup-Spiele, Publikumsfeind war er und Publikumsliebling ist er. „Für mich persönlich ist der VfL der Verein“, sagt Bönig. Und Bochum seine Stadt: Er wohnt hier mit seiner Frau Tanja und seinen Töchtern Emily (6) und Laura (3), könnte sich auch nach der Karriere gut vorstellen, in Bochum zu bleiben. Sein Vertrag läuft bis 2012, aber geht es nach „Pippo“, ist das nicht sein Ende beim VfL. Ein paar Spielzeiten will er noch Gas geben - und „das verlorene Jahr noch hinten dran hängen“.