Köln. Bochum in der Krise, VfL-Trainer Letsch schwer in der Kritik. Zu Recht? Der Vergleich zur Abstiegssaison 2009/10 hinkt. Ein Kommentar.
Man hätte gedacht, das desaströse 2:2 des VfL Bochum gegen Darmstadt nach 2:0-Führung sei nicht zu toppen. Dann kam das Spiel in Köln. Ein bereits von den eigenen Fans ausgepiffener, am Boden liegender und äußerst harmloser Gegner dreht die Partie in der Nachspielzeit. 2:1 für Köln. Bochum am Boden. Und nun?
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Sechs Spiele ohne Sieg. Ein Punkt nur gegen die letzten Drei der Tabelle, gegen Darmstadt, Mainz, Köln. Fünf Mal hat der VfL verloren, einmal gefühlt verloren gegen das Schlusslicht SVD, das am Samstag ja nicht von ungefähr auch in Mainz, dem Sechzehnten, mit 0:4 unterging. 17 Gegentore in sechs Spielen. Die Bilanz ist erschreckend, der Trend sagt: Bochum steigt ab. Auch wenn der VfL noch Fünfzehnter ist. Noch.
Startelf des VfL Bochum in Köln sorgt für Kopfschütteln
Ist der Trainer schuld? Auch. Thomas Letsch ist für Siege verantwortlich, für Niederlagen ebenso. Die Startelf in Köln sorgte, vor dem Anpfiff bereits, für viel Kopfschütteln. Letsch verzichtete komplett auf Tempo über die Flügel ohne Antwi-Adjei und Asano, brachte stattdessen zwei wuchtige Stoßstürmer mit Hofmann und Broschinski und noch dazu den ebenso wie Broschinski fußballerisch limitierten Matus Bero als nominell offensiven Spieler. Da konnte nach vorne nicht viel gehen, und es ging auch nicht viel. Und zwar über die komplette Distanz.
Wechsel von Trainer Thomas Letsch passen in Köln erneut nicht
Dennoch gelang die 1:0-Führung, war Köln gefühlt geschlagen. Der FC aber brachte dann einen Angreifer nach dem anderen, variierte sein System leicht. Letsch reagierte, stellte auf Fünferkette um, stärkte die Verteidigung. Er wechselte unter anderem Maxi Wittek ein für Kevin Stöger.
Ohne Stöger aber war ein Umschaltspiel nicht mehr vorhanden, es gab keine Entlastung. Bochum hatte, nicht zum ersten Mal, auf Umstellungen und Wechsel des Gegners keine passende Antwort. Die Wechsel von Letsch, seine Maßnahmen während einer Partie waren zuletzt, gelinde gesagt, glücklos.
Fairerweise aber muss man sagen: Als die diskussionswürdige Startelf noch komplett war, führte der VfL noch mit 1:0, und in diesem Abstiegsduell zählte nunmal nur das nackte Resultat, keine Feinkost. Die Nachspielzeit aber wurde Bochum wieder einmal zum Verhängnis.
Soziale Medien: Viele Fans fordern die Trennung von Letsch
Und nun? Fordern viele Anhänger einen Trainerwechsel. Beim VfL Bochum, so muss man die Aussagen von Sport-Geschäftsführer Patrick Fabian werten, ist das Thema kein Tabu. Am Sonntag sollen zahlreiche Gespräche stattfinden, soll alles analysiert werden, ein „Weiter so“ soll - und darf - es nicht geben. Weiter also ohne Letsch? Oder mit ihm?
Viele Fans, zumindest die, die sich in den sozialen Medien tummeln, haben das Vertrauen in Letsch längst oder spätestens jetzt verloren. Viele denken mit Schrecken an die letzte Abstiegssaison 2009/10, als der VfL nach 24 Spieltagen 27 Punkte hatte, fast sicher gerettet schien - und dann aus zehn Partien nur noch einen Punkt holte. Um dann elf Jahre in der 2. Liga zu verschwinden.
Mit 25 Punkten nach dem 22. Spieltag, nach dem 3:2 gegen Bayern, lag Bochum in dieser Saison sogar auf Rang elf. Der Vorsprung auf den Relegations- und Abstiegsplatz: neun (Köln) und zehn Punkte (Mainz). Jetzt sind es nur noch drei (Mainz) und vier (Köln).
Verweis auf die letzte Abstiegs-Saison hinkt: Herrlich hatte das Team verloren
Der Verweis auf den letzten Abstieg hinkt dennoch in einem entscheidenden Punkt. Vor 14 Jahren hatte der selbstherrlich agierende Trainer Heiko Herrlich große Teile der Mannschaft verloren. Die Trennung von Herrlich zwei Spieltage vor Schluss kam dann zu spät.
Thomas Letsch dagegen hat bewiesen, dass er zuhört, dass er Ideen anderer annimmt, nicht stur seinen Stiefel durchzieht. Er ist ein kommunikativer Mensch, sozial geprägt. Er hat die Kabine nicht verloren. Er diskutiert viel mit der sportlichen Führung des VfL.
Die Mannschaft spielt zurzeit schwach, sie leistet sich kaum erklärbare Aussetzer. Aber in punkto Einsatz und Zusammenhalt kann man ihr keinen Vorwurf machen, auch wenn es bei einem Profi-Kader natürlich auch Unzufriedene gibt, die mit einem anderen Trainer womöglich besser zurecht kämen.
Letsch hat mit dem VfL Bochum schon mehrmals die Kurve gekriegt
Thomas Letsch hat vor einem Jahr den VfL mehrmals aus schier ausssichtsloser Lage wieder zum Erfolg verholfen, letztlich zum Klassenerhalt. Auch nach dem schwachen Saisonstart hat er das Team wieder auf Kurs gebracht, sich von seiner Dreierketten-Idee verabschiedet.
Bochum hat mit Letsch den Vertrag um zwei weitere Jahre verlängert im November, weil man langfristig mit ihm einen Weg gehen will. Selbst nach sechs Sieglos-Spielen muss der VfL nicht alle vor kurzem noch gelobten, nach dem Bayern-Erfolg gar gefeierten Prinzipien über Bord werfen.
Vor ein paar Wochen noch setzte man ja auf Kontinuität auch auf der Trainerposition, geprägt von gegenseitiger Wertschätzung.
Alle möglichen Maßnahmen müssen geprüft werden - auch ein Sportpsychologe kann helfen
Der VfL sollte die Zeit in dieser Woche nicht zur Trainersuche nutzen, zumal ja fraglich ist, dass ein neuer Mann - wer überhaupt? - die Blockade kurzfristig löst im Team. Der VL sollte vielmehr mit vielen anderen Maßnahmen versuchen, das Team in die Spur zu bringen. Alles muss auf den Prüfstand, die Zügel müssen angezogen werden, Tabus darf es nicht geben.
Um ein Beispiel zu nennen: Wenn Bochum ein Kopfproblem hat, wenn die Verunsicherung nach einem Gegentor offenbar so groß ist wie sie ist, warum sollte man nicht auch mal einen Sportpsychologen mit ins Boot nehmen? Zumindest für Spieler, die dem offen gegenüber stehen? Und wenn es nur zwei, drei Prozent sind, die er - oder sie - aus dem einen oder anderen Spieler herauskitzeln könnte.
Auch Letsch, Fabian und Lettau sind als „Psychologen“ gefordert
Natürlich: Auch Letsch und sein Trainerteam, die Sportführung mit Marc Lettau und Patrick Fabian sind als Psychologen, als Aufbaumänner nun geforderter denn je.
Noch ist Bochum nicht abgestiegen. Noch steht Bochum auf einem Nicht-Abstiegsplatz. Noch hat auch Letsch also nicht alle Chancen verspielt. Beim Heimspiel gegen Heidenheim sollte er das Vertrauen bekommen, das Ruder mit seinem Team herzumzureißen.