Bochum. Tim Oermann ist der Aufsteiger des Winters beim VfL Bochum. Cristian Gamboa hat er aktuell verdrängt. Eine Datenanalyse liefert Gründe.

In den letzten drei Bundesliga-Partien hat Tim Oermann, 20 Jahre alt, die Rechtsverteidiger-Position von Cristian Gamboa, 34, beim VfL Bochum übernommen. Der gelernte Innenverteidiger hat dem ehemaligen Nationalspieler Costa Ricas, der in dieser Saison auf elf Startelf-Einsätze kommt, den Rang abgelaufen. Er spielte gegen Stuttgart (1:0), in Dortmund (1:3) und gegen Augsburg von Beginn an.

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„Wir haben ihn in der Winterpause als Rechtsverteidiger getestet, diese Fantasie hatten wir. Er macht es gut“, lobte Trainer Thomas Letsch den Aufsteiger. Er dürfte auch beim Spiel bei Eintracht Frankfurt am Samstag (15.30 Uhr/Sky) auf das aufstrebende Talent aus dem eigenen Nachwuchs setzen. Felix Passlack, der auch hinten rechts spielen könnte, ist schon länger außen vor, war zuletzt nicht im Kader beim 1:1 gegen Augsburg.

VfL Bochum: Gamboa oder Oermann - wer sollte spielen?

Klar ist: Gamboa hat seinen Vertrag um ein Jahr bis 2025 verlängert, hilft der Mannschaft als Typ und Mentalitätsspieler sowohl auf dem Platz wie auch als back-up. Dem jungen Oermann, dessen Kontrakt bis 2026 datiert ist, gehört sportlich die Zukunft. Doch was sind die Stärken und Schwächen der Verteidiger, wie unterscheiden sie sich? Die Datenanalyse unseres Kooperationspartners „Createfootball“ gibt Antworten auf diese Fragen.

Cristian Gamboa hat gegenüber Tim Oermann Vorteile im Offensivspiel. Gegen Bremen stand er noch in der Startelf, war dann gesperrt - Oermann kam und blieb im Team.
Cristian Gamboa hat gegenüber Tim Oermann Vorteile im Offensivspiel. Gegen Bremen stand er noch in der Startelf, war dann gesperrt - Oermann kam und blieb im Team. © FUNKE Foto Services | Udo Kreikenbohm

Oermanns Spielstil ist intensiver als der von Gamboa. Bei den direkten Eins-zu-Eins-Duellen in der Defensive kommt er auf einen Wert von 7,8 pro 90 Minuten - ein Topwert auch im ligaweiten Vergleich aller Außenverteidiger (Schnitt: 6,3; Gamboa: 5,5). Gamboa zählt hier zu den schwächsten Außenverteidigern. 59 Prozent seiner Defensivzweikämpfe gewinnt Oermann, auch das ist überdurchschnittlich stark (Liga: 58%, Gamboa 51 %).

VfL Bochum: Oermann ist stark gegen den Ball

Mit 8,1 Balleroberungen pro Spiel (Liga 7,4, Gamboa 6,7) und 4,6 abgefangenen Pässen (Liga 4,1, Gamboa 3,9) zeigt Oermann seine Qualitäten in der Arbeit gegen den Ball, auch im Stellungsspiel. Zudem überzeugt er mit seinem Drang in die Tiefe, schafft mit Pässen viel Raumgewinn, was gut zum Stil des VfL passt, der das Mittelfeld oft mit langen Bällen überbrückt.

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Auch Gamboa hat ein gutes Vertikalspiel, sorgt mit Flanken aus dem Halbfeld für deutlich mehr Offensivdruck als Oermann. Mit Ball am Fuß bietet indes Oermann mehr Tiefgang an, kann ein Defizit der Bochumer damit eher beheben: Kein Bundesligist überbrückt eine geringere Distanz mit dem Ball am Fuß. Oermanns Manko: Ins letzte Drittel kommt der junge Verteidiger kaum und damit auch so gut wie gar nicht zu Flanken. Hier ist viel Luft nach oben.

Punktsieger Gamboa in der Offensive: Flanken sind oft präzise

Offensiv ist Gamboa unterm Strich noch der Stärkere. So schlägt er überdurschnittlich präzise Flanken (36 %, Liga 35 Prozent, Oermann noch gar keine), wobei er häufiger bis zur Grundlinie durchmarschieren müsste, um für mehr Torgefahr zu sorgen. Allerdings war Oermann gegen den VfB und den BVB stark defensiv gebunden, gegen Augsburg hatte er mehr Freiheiten, zeigte er schon deutlich mehr Drang nach vorne. Ein Manko: Gegen trickreiche Spieler wie Chris Führich oder Jadon Sancho ist er in Laufduellen teilweise noch zu naiv, so ein Fazit von createfootball.

Die „Heatmap“ von VfL-Verteidiger Tim Oermann. Auffällig: Den Weg nach vorne sucht er noch sehr selten.
Die „Heatmap“ von VfL-Verteidiger Tim Oermann. Auffällig: Den Weg nach vorne sucht er noch sehr selten.
Zum Vergleich: Gamboa ist häufiger in der gegnerischen Hälfte zu finden.
Zum Vergleich: Gamboa ist häufiger in der gegnerischen Hälfte zu finden. © ffs

Ist Oermann bei der Zahl der Ballverluste (6,9) bereits auf hohem Niveau unterwegs (Liga 10,8, Gamboa 8,1), zählt er unter Gegnerdruck noch zu den schwächsten Außenverteidigern. Zu viele vermeidbare Ballverluste sind die Folge. Seine Ballbehauptungs-Rate liegt bei 62 Prozent, der erfahrene Gamboa kommt auf 74 Prozent (Liga: 73 Prozent). Gamboas Ruhe am Ball verleiht der Abwehr des VfL mehr Stabilität in Druckphasen als Oermann es schafft.

VfL: Routine spricht für Gamboa, Entwicklungspotenzial für Oermann

Die Routine von Gamboa im System des VfL zeigt sich auch im Anlaufverhalten, in Pressingaktionen erobert er mit 2,4 im Schnitt mehr Bälle als Oermann (1,8). Zudem schafft er es deutlich besser, Dribblings der Gegenspieler zu stoppen - hier zählt Gamboa zu den ligaweit Besten (53%, Oermann 31%, Ligaschnitt 44%).

In etlichen Kategorien agieren die beiden in etwa auf Augenhöhe - wie bei der Passgenauigkeit (je 75%, Liga 79%) oder bei den intensiven Läufen (67, 64, Liga: 68) und bei den Dribblings (0,9/0,8; Liga: 2,3).

Tim Oermann zeigte auch gegen Augsburg mit Phillip Tietz eine vor allem defensiv starke Leistung. Im Spiel nach vorne hat er Luft nach oben.
Tim Oermann zeigte auch gegen Augsburg mit Phillip Tietz eine vor allem defensiv starke Leistung. Im Spiel nach vorne hat er Luft nach oben. © imago/Revierfoto | IMAGO/Revierfoto

Unterm Strich bestätigt die Datenanalyse das, was Trainer Letsch gerne betont: dass es ein Duell auf Augenhöhe gibt, dass beide voneinander profitieren im Training, vor allem Oermann, der am Anfang seiner Karriere steht. Wer spielt, kann auch vom Gegner und seinen Flügelspielern, von der Herangehensweise abhängen. Oermann hat gegenüber Gamboa klare Vorteile in der Defensivarbeit, Gamboa ist offensiv besser und strahlt mehr Ruhe aus. Zum intensiven VfL-Spielstil mit langen Bällen nach vorne passen beide gut.

Bilanz beim VfL Bochum: Oermann hat die Nase aktuell vorn

Oermann hat mit seinen 20 Jahren und noch wenig Bundesliga-Erfahrung, aber naturgemäß noch ein großes Entwicklungspotenzial. Schafft es Oermann, mit seinen vertikalen Läufe für mehr Torgefahr zu sorgen, „dürfte es für Thomas Letsch keinen Grund mehr geben, ihn aus der Mannschaft zu nehmen“, vor allem wegen seiner Defensivstärke, bilanziert createfootball.