Bochum. Trainer Thomas Letsch war in den letzten Tagen zusehends genervt. Sein Vertrag beim VfL Bochum läuft im Sommer aus – das ist der Stand.
Thomas Letsch hat viele Rückschläge und sportliche Täler moderiert, seit er vor 14 Monaten seinen Job als Trainer des VfL Bochum antrat. Der 55-Jährige blieb stets bei sich, ruhig im Auftreten, souverän in der Tonlage, ausführlich in der Analyse. Intern redete er Tacheles, ohne zu überdrehen, nach außen prägten lobende Worte, Optimismus, Zuversicht seine Auftritte. Auch Letsch sorgte dafür, dass aufkommende Unruhe beim VfL Bochum weitgehend intern blieb.
So führte er das Team nach dem 0:2 gegen Schalke, nach dem Tiefpunkt der Vorsaison und vier Niederlagen am Stück, noch zum Klassenerhalt. Kritik von außen, in sozialen Foren, von Medien prallten an ihm ab, der eloquente Coach umschiffte sie mit Seelenruhe, ohne alles schönzureden.
VfL Bochum: Der Abstiegskampf kostet Kraft
In den letzten Tagen hat sich das geändert: Letsch reagiert seit dem 2:1-Sieg in Darmstadt, als ihm nach seinem Geschmack zu viel Gegenwind entgegen bließ aufgrund einer spielerisch schwachen Vorstellung, dünnhäutiger, schmallippiger, zusehends genervt. Der Abstiegskampf zehrt, kostet Kraft, das ist ihm anzumerken.
Bereits vor dem 1:1 gegen den 1. FC Köln am Samstagabend wehrte sich Letsch öffentlich gegen angeblich schwache Statistikwerte, verwies auf den wie auch immer erkämpften ersten Saisonsieg, auf Rang 14 in der Tabelle. „Manchmal frage ich mich: Haben wir eigentlich die letzten sieben Spiele verloren oder sind wir schon in der 2. Liga? Das geht mir ehrlich gesagt etwas auf den Zeiger”, sagte Letsch.
VfL Bochum ohne Heimsieg: Letsch nach 1:1 angefressen
Seine Laune nach dem im Ergebnis ernüchternden 1:1-Remis gegen Köln war keinesfalls besser, und den Statistik-Ball nahm er auf Nachfragen der Medien gerne auf – um sie spitz zu kontern. „Jetzt sollten alle zufrieden sein. Wir waren überlegen, haben eine super Statistik, haben ein tolles Spiel gemacht. Aber wir haben nur einen Punkt geholt, deshalb kann ich damit nicht zufrieden sein“, sagte er angefressen in kleiner Journalistenrunde.
Sein Ärger war nachvollziehbar. „Wir waren von Beginn an gut im Spiel, waren griffig. Wir hätten das Spiel 3:1 oder 4:1 gewinnen müssen.“ Diesmal gab es keine Kritik an der spielerischen Leistung, diesmal aber stimmte anders als in Darmstadt das Ergebnis nicht. Wieder Kritik also. „Es ist brutal ärgerlich, dass wir das Spiel nicht gewonnen haben“, meinte auch Sport-Geschäftsführer Patrick Fabian nach einer unruhigen Nacht am Sonntagmittag.
Acht Großchancen, nur ein Tor: VfL Bochum zu harmlos
25:8 Torschüsse zählte eine Statistik, acht Großchancen sah der Trainer und einen hohen Expected-Goal-Wert von 3,6 - und am Ende traf nur Lukas Daschner (25.). Ein Fehler Daschners im Mittelfeld begünstigte Kölns Konter-Tor zum 1:1 von Davie Selke (54.). Wütende Angriffe des VfL blieben ohne Erfolg, allein Takuma Asano vergab in Summe vier hochkarätige Möglichkeiten. Kölns Keeper Marvin Schwäbe und Bochumer Unvermögen retteten dem FC einen Punkt.
Bochum zeigte eine spielerisch erfrischende Leistung, war wie zuletzt auch defensiv weitgehend stabil, schob hoch an. Kapitän Anthony Losilla fehlte erkrankt, Patrick Osterhage spielte einen starken Sechser, Lukas Daschner sorgte für mehr Kreativität im Offensivspiel. Aber der ersehnte Heimsieg blieb aus, Bochum hat nach elf Spielen erst neun Punkte.
Fakt ist: Bochum hat von elf Partien nur vier verloren, nur zwei klar. Bochum hat aber auch erst ein Spiel gewonnen, noch keines zuhause: vier Mal Remis, eine Niederlage stehen im Ruhrstadion zu Buche. Was besonders schmerzt: Zuletzt spielte der VfL gegen die als Schlusslicht angereisten Teams aus Mainz und Köln nur 2:2 und 1:1, dabei präsentierten sich beide Gegner dem Tabellenstand entsprechend. Wenn gegen die nicht gewonnen wird - gegen wen dann? fragen sich viele Fans in den einschlägigen Foren.
VfL-Vertragsgespräche mit Trainer Letsch: Bis Jahresende soll eine Entscheidung fallen
Die Ansprüche sind gestiegen im Umfeld angesichts eines Kaders, der mehr Tiefe hat als in der Vorsaison, der deutlich teurer ist, den Thomas Letsch mitgestalten durfte. Sein Vertrag läuft im kommenden Sommer aus, zahlreiche Gespräche über eine Verlängerung haben bereits stattgefunden – aber noch gibt es keinen Vollzug. Ein wesentlicher Grund für die Gereiztheit des Trainers ist dies aber nicht.
Intern heißt es, der Trainer stehe nicht zur Debatte. Er sei einer, der andere Meinungen annimmt, sie reflektiert, sich anpassen kann, ohne sich zu verbiegen. „Wir sind nach wie vor in guten Gesprächen mit Trainer Thomas Letsch und seinem Berater. Wir sind überzeugt davon, dass er der richtige Trainer für Bochum ist. Bis zum Jahresende sollte eine Entscheidung gefallen sein“, sagte Sport-Geschäftsführer Patrick Fabian am Sonntag gegenüber dieser Redaktion. Von einzelnen Ergebnissen wolle man sich dabei keinesfalls leiten lassen. In der Länderspielpause sollen weitere Gespräche stattfinden.
VfL Bochum nach der Pause in Heidenheim
Nach der gefühlten Niederlage gegen Köln bleibt der Druck hoch. Positiv betrachtet aber ist Bochum weiterhin überm Strich, weiterhin Tabellenvierzehnter und seit drei Partien unbesiegt. Am Sonntag, 26. November, geht es zum Aufsteiger FC Heidenheim, der einen Punkt mehr hat als Bochum. Vom Sturz auf einen Abstiegsrang bis zum Sprung ins Mittelfeld ist alles möglich. Letsch kämpferisch: „Du kommst aus der Situation nur raus, wenn Du dranbleibst, wenn Du Gas gibst. Das machen wir.“