Bochum. 14 Jahre war Alexander Richter Leiter des Talentwerkes des VfL Bochum, formte Talente zu Profis. Seit einem Jahr ist er bei Eintracht Frankfurt.

Der Wechsel von Alexander Richter vom VfL Bochum zu Eintracht Frankfurt vor einem Jahr kam überraschend. Richter war seit 2008 Leiter des Talentwerks, er ist in Bochum geboren, dort aufgewachsen, hat an der Ruhr-Uni studiert. Am Freitag, wenn der VfL Bochum bei Eintracht Frankfurt spielt, wird er im Stadion sein und beiden Teams die Daumen drücken. Im Interview mit dieser Redaktion blickt er auf zwölf Monate „Ein Bochumer in Frankfurt“ zurück und nach vorne.

Wie geht es Ihnen? Ein Jahr sind Sie jetzt in Frankfurt!

Da habe ich mich letztens selbst erschrocken, dass ein Jahr schon vorüber ist. Am 1. April habe ich hier angefangen. Es war eine intensive und schöne Zeit, so viel kann ich sagen.

Hatten Sie zwischendurch Zeit, darüber zu reflektieren, ob es richtig war nach Frankfurt zu wechseln.

Die hatte ich. Wenn ich am Ende eines langen Tages in meine Wohnung komme und meine Familie nicht da ist, denke ich schon darüber nach. Bochum ist meine Heimat, das wird auch immer so bleiben. Wenn du in einer Stadt geboren, dort groß geworden bist, dann bleibt es deine Stadt. Ähnlich verhält es sich mit dem VfL Bochum, für den ich über 14 Jahre gearbeitet habe und den ich auch weiterhin im Herzen trage. Aber dieser Verein hier ist schon sehr besonders. Das sage ich jetzt, ohne irgendjemandem Honig um den Bart schmieren zu wollen und ohne irgendwelche Hintergedanken. Es ist ein cooler Klub. Hier ist richtig was los. Das ist ein Traditionsverein, es ist richtig Stimmung im Stadion. Der Job macht mir großen Spaß. Ich habe mir die Entscheidung nicht leicht gemacht, aber es war die richtige. Ich glaube, wir können hier alle gemeinsam etwas vorantreiben und das NLZ weiterentwickeln. Am Ende geht es darum, richtig gute Fußballer auszubilden. Und die haben wir hier vor Ort.

Die U19 von Eintracht Frankfurt ist in der Bundesliga Zehnter geworden, die U17 Vierter. In der Youth League hat die U19 gegen AZ Alkmaar gespielt und 0:5 verloren. In der Ehrendivision liegt Alkmaar auf Platz vier. Was machen die gerade bei der Ausbildung der Jugend richtig?

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Die machen sehr viel richtig. Sie arbeiten seit vielen Jahren mit dem gleichen Team zusammen. Das ist für mich ein entscheidender Grund, dass du deine Positionen im NLZ mit einer hohen Qualität besetzt und diese eben auch über einen längeren Zeitraum besetzt hast. Das war schon beim VfL meine Philosophie. In Alkmaar haben wir uns auch intensiv mit den Verantwortlichen ausgetauscht. Sowohl unser Sportvorstand Markus Krösche als auch sein Gegenüber von Alkmaar waren dabei. In den Gesprächen merkst du sofort, was da an Arbeit dahintersteckt. Dort sind gewisse Abläufe, beispielsweise in Bezug auf die Schule, viel klarer auf den Nachwuchsfußball abgestimmt. Auf der anderen Seite bin ich davon überzeugt, dass auch in unserem NLZ vieles gut läuft. Nicht ohne Grund haben wir in unserer ersten Saison in der UEFA Youth League die Gruppenphase überstanden und uns für die Play-off-Runde qualifiziert. Für uns geht es nach wie vor darum, an gewissen Stellschrauben zu drehen. Durch die Gespräche mit den Kollegen aus Alkmaar, aber auch aus Marseille, Tottenham und Lissa-bon, haben wir einige Themen aus anderen Blickwinkeln betrachten können.

Sie kommen jetzt anders in Deutschland herum. Jetzt geht es nach Hoffenheim, München, Freiburg. Ist das ein großer Unterschied?

Das ist nicht zu unterschätzen. Wenn man im Westen der Republik lebt und dort ausgebildet wird, egal ob Spieler oder Eltern oder Trainer, hast du mehr vom Tag über, so viel kann ich sagen. Wenn ich hier an einem Spieltag nach Unterhaching fahre, dann kostet dich das einen ganzen Arbeitstag. Da fährst du vielleicht sogar mit der Mannschaft einen Tag vorher los. Das ist ein großer Aufwand und ein großer Unterschied zu dem, was im Westen abläuft.

Wie verfolgen Sie das NLZ des VfL Bochum?

In der Zeit, in der Alexander Richter (h.r.) Leiter des Talentwerkes des VfL Bochum war, wurden zahlreiche Spieler mit Profiverträgen ausgestattet. Zum Beispiel die beiden Torhüter Paul Grave (l.) und Tjark Ernst (2.v.r.), mit auf dem Bild ist Sebastian Schindzielorz, der damalige Geschäftsführer Sport.
In der Zeit, in der Alexander Richter (h.r.) Leiter des Talentwerkes des VfL Bochum war, wurden zahlreiche Spieler mit Profiverträgen ausgestattet. Zum Beispiel die beiden Torhüter Paul Grave (l.) und Tjark Ernst (2.v.r.), mit auf dem Bild ist Sebastian Schindzielorz, der damalige Geschäftsführer Sport. © WAZ FotoPool | Udo Kreikenbohm

Regelmäßig. Ich habe mitbekommen, dass der Kraftraum gebaut wird. Ich habe mitbekommen, dass ein weiterer Kunstrasen installiert werden soll. Ich bin immer mal wieder mit dem ein oder anderen Trainer telefonisch im Austausch, habe zuletzt mit Heiko Butscher telefoniert. Die Trainer der beiden NLZs telefonieren ebenso miteinander. In dieser Woche ging es darum, dass die U19-Teams in der Sommervorbereitung ein Testspiel gegeneinander ausmachen möchten.

Hätten Sie Mo Tolba und Mats Pannewig auch zu Profis gemacht?

Das nun aus der Ferne zu kommentieren, steht mir eigentlich nicht zu. Bei Mo Tolba war das Potenzial aber schon zu meiner Zeit in Bochum erkennbar. Mats Pannewig habe ich ehrlicher-weise nicht lange genug erlebt, um mir eine Meinung darüber zu bilden. Für mich verkörperte er damals aber einen guten Charakter, einen guten Typen. Auch bei ihm kann ich mir das Potenzial entsprechend vorstellen.

Wie verfolgen Sie Armel Bella-Kotchap in England?

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Erst einmal ist man immer stolz. Wenn man nach Katar zur WM geschaut hat, wer alles beim VfL Bochum ausgebildet worden ist. Das waren mit Lukas Klostermann, Leon Goretzka, Ilkay Gündogan und Armel Bella-Kotchap vier Spieler. Ich habe sie bei einem Vorbereitungslehrgang auf dem DFB-Campus getroffen. Da habe ich mit Ilkay Gündogan und Leon Goretzka gesprochen. Ich finde es immer total super, wenn die Spieler einen sofort wiedererkennen. Da bin ich sehr stolz darauf. Auch der VfL Bochum kann stolz darauf sein, diese Spieler ausgebildet zu haben und darauf, dass diese Jungs bei der WM dabei waren.

Wie sieht es bei Frankfurt mit Spielern mit guter Perspektive aus?

Wir haben einige U17-Spieler langfristig an uns binden können. Aus der U19 haben wir Spieler in die U21 geschoben. Außerdem kamen insgesamt zahlreiche Spieler aus der U17 regelmäßig in der UEFA Youth League zum Einsatz – in Alkmaar hatten wir sogar einen U15-Spieler im Kader. Es geht immer um die individuelle Entwicklung. Du schiebst Top-Spieler in den nächsthöheren Jahrgang, in der Hoffnung, dass sie sich da besser entwickeln. Grundsätzlich bin ich absoluter Verfechter des DFB-Projektes Zukunft, bei dem positiver Druck – losgelöst von Abstiegsgefahr – im Vordergrund steht. Die Nachwuchsleistungszentren spielen da mit guten Amateurvereinen zusammen und es gibt keinen Abstieg mehr. Das fände ich sehr wichtig, wenn das in die Tat umgesetzt werden würde. Das ganze NLZ-Geschehen ist derzeit doch sehr aufgepumpt. Die Trainer stehen zum Teil auch unter großem Erfolgsdruck, den sie sich teilweise auch selbst machen. Meiner Meinung nach sind zu viele Dinge aus dem Profi-Bereich in den NLZs adaptiert worden.

Am Freitag spielt der VfL in Frankfurt. Haben sie inzwischen einen festen Platz im Stadion?

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Einen festen Platz habe ich nicht. Wenn ich die Zeit habe und es sich nicht mit Nachwuchs-Spielen überschneidet, gehe ich auch hin. An dem Tag werde ich natürlich da sein. Meine Eltern kommen aus Bochum. Sie sind dann zum ersten Mal da, seitdem ich in Frankfurt bin. Dann gehen wir zusammen mit meinem Sohn und meiner Frau ins Stadion. Ich nehme die Anschlussfrage mal vorweg. Für mich soll das Spiel so ausgehen, dass Bochum in der Liga bleibt und wir in der kommenden Saison international spielen.

Klappt es ansonsten mit ihren Besuchen in der Heimat so, wie sie es sich überlegt hatten, als es um den Wechsel nach Frankfurt ging?

Nicht immer. Wenn hier wichtige Termine anstehen, hat das die entsprechende Priorität. Meistens fahre ich samstags nachmittags oder auch sonntags nach einem Spiel zur Familie, bin dann den Montag da und fahre am fahre Dienstagmorgen wieder zurück. Das wünscht man sich als Familienvater sicher anders. Die Kinder so wenig zu sehen und so wenig zu Hause zu sein, das war und ist für mich eine Umstellung. Aber wir haben ja vorher lange genug diskutiert und die Entscheidung gemeinsam getroffen.