Bochum. VfL-Sensation: Der Abstiegskandidat besiegt Spitzenreiter Union Berlin mit 2:1. Riemann hält Pantovic-Elfmeter, der Ex-Bochumer trifft dennoch.

Als Manuel Riemann den halbhohen Elfmeter-Schuss seines langjährigen Kollegen Milos Pantovic aus der linken Ecke hechtete, rasteten die rund 25.500 Fans im Ruhrstadion komplett aus. Es war noch lauter als kurz zuvor, als Gerrit Holtmann nach einem perfekt inszenierten Konter das 2:0 erzielt hatte. Für den VfL Bochum, das bisherige Schlusslicht. Gegen Union Berlin, den Spitzenreiter.

Etwas später war es Fakt: „Gegen Bochum kann man mal verlieren“, sangen die Fans. Der VfL hat mit viel Leidenschaft Spitzenreiter Union die zweite Saisonniederlage beschert – und ein großes Zeichen im Abstiegskampf gesetzt. Nach dem verdienten 2:1-Sieg des bisherigen Schlusslichts dank eines Kopfballtreffers von Philipp Hofmann, des Jokertors von Holtmann und dem Gegentor von Pantovic in der Nachspielzeit kletterte der VfL vor dem Abendspiel des FC Schalke 04 bei Hertha BSC auf Rang 17 und hat nur einen Punkt Rückstand auf den Sechzehnten VfB Stuttgart. Im zweiten Heimspiel unter Trainer Thomas Letsch feierte der VfL den zweiten Sieg nach dem 3:0 gegen Frankfurt.

Antwi-Adjei und Osei-Tutu tun VfL Bochum gut

VfL-Trainer Letsch verzichtete trotz des dritten Spiels binnen neun Tagen auf eine Rotation. Nach dem mühsamen 1:0 in Elversberg gab es nur einen Wechsel: Flügelflitzer Jordi Osei-Tutu spielte für Flügelflitzer Gerrit Holtmann. Unions Coach Urs Fischer brachte im Vergleich zum Pokalspiel gegen Heidenheim (2:0) sechs Neue und damit seinen Bundesliga-Stamm.

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Der VfL kam besser in die Partie – auch dank Christopher Antwi-Adjei und Osei-Tutu. Die schnellen Außenstürmer waren gegen die Defensivmonster aus Berlin die ersten Anläufer, Hofmann platzierte sich dahinter. Sie machten schon auf Torwart Frederik Rönnow Druck.

VfL Bochum zeigt neue Varianten

Weil auch das Zentrum dichthielt und gemeinsam verschob und rackerte, schaffte der VfL bei Berliner Ballbesitz meist eine Überzahl-Situation. Auch mit Ball hatten Osei-Tutu, der meist über rechts kam, und sein „linker“ Kollege Antwi-Adjei gleich gute Szenen. Nach Pass von Antwi-Adjei zögerte Osei-Tutu etwas zu lange, holte aber die erste Ecke heraus.

Auch hier zunächst eine neue Variante: Förster spielte kurz auf Stöger, dessen Flanke Rönnow wegfaustete. Nach 14 Minuten zeigte sich, warum Bochum in den ersten zehn Partien erst neun Tore erzielt hatte. Antwi-Adjei bediente ihn links im Strafraum, doch statt aufs Tor zu hämmern, konnte Union seinen Querpass wegverteidigen.

Aufmerksame Bochumer Abwehr

In einer erwartet körperbetonten Partie mit vielen Zweikämpfen zwischen den Strafräumen und wenig Torraumszenen musste Janik Haberer früh vom Feld, nachdem ihn Ivan Ordets bei einer Grätsche am Fuß getroffen hatte (20.). Für ihn kam Milos Pantovic, der in den vergangenen vier Jahren 100 Pflichtspiele für Bochum bestritten hatte – und trotz seiner Traumtore in der Vorsaison und dem Elfmeterschuss zum Klassenerhalt in Dortmund (4:3) von einigen Fans mit Pfiffen empfangen wurde.

Bochum blieb dran. Erhan Masovic lieferte sich packende Zweikämpfe mit Berlins Sheraldo Becker, der mit Jordan Siebatcheu die berüchtigte Doppelspitze der Köpenicker bildete. Auch Ivan Ordets war aufmerksam, die Außen der Kette, Cristian Gamboa und Danilo Soares, stark verbessert.

Bochum und Union versuchen es mit Standards

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Richtig gefährlich wurde Union erst in Minute 37 nach einer flach ausgeführten Ecke, als die Zuordnung nicht stimmte. Jordan Siebatcheus noch abgefälschten Schuss aus elf Metern aber schnappte sich Torwart Manuel Riemann stark.

Standards, auch das war nicht überraschend, waren hüben wie drüben ein wichtiges Mittel. Stögers Hereingabe kam genau auf den Kopf von Hofmann, der aber aus kurzer Distanz Präzision und Wucht vermissen ließ – Rönnow hielt sicher (27.). Noch.

Hofmann köpft Försters Ecke ins Tor

Angetrieben von den einmal mehr bestens aufgelegten VfL-Fans unter den rund 25.000 im nicht ganz ausverkauften Ruhrstadion war Schlusslicht Bochum die etwas bessere Mannschaft – der tabellarische Klassen-Unterschied war nicht erkennbar. Im Gegenteil.

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Der VfL erzwang mit viel Einsatz immer wieder Fehler in der eigentlich so sattelfesten Union-Abwehr, holte zweite Bälle, und Hofmann verlor gefühlt kein einziges Luftduell. Jordi Osei-Tutu prüfte Rönnow, der den Schuss des Engländers aus 18 Metern über die Latte hechtete. Ecke.

Jetzt wieder direkt von der rechten Seite. Von Philipp Förster mit dem linken Fuß getreten, wie gegen Frankfurt, als er das 1:0 vorbereitete. Und wieder fand er Hofmann. Der köpfte den scharfen Ball aus fünf Metern gekonnt ins lange Eck. 1:0 für Bochum kurz vor der Pause (44.), Hofmanns dritter Saisontreffer. Verdient.

Bochums Osei-Tutu im Pech

Auch nach der Pause gehörte dem VfL der erste Aufreger. Antwi-Adjei spielte wunderbar diagonal auf Osei-Tutu, der nach einem Stolperer den linken Winkel anvisierte, aber zu hoch zielte (48.). Osei-Tutu zwang dann Rönnow mit weiterhin energischem Anlaufen zum Schuss ins Seitenaus – die Ostkurve feierte. Bochum kaufte Union den Schneid ab, hatte mehr Ballbesitz, mehr gewonnene Zweikämpfe und hielt die Gäste, denen spielerisch nicht viel einfiel, vom Strafraum weitgehend fern, auch wenn Pantovic mal zu einem Schlenzer ansetzen durfte – der Ball ging vorbei.

Wieder war es Osei-Tutu, der das 2:0 auf dem Schlappen, diesmal aber Pech hatte: Sein Schuss ging an die Latte (61). Urs Fischer brachte nun drei frische Kräfte auf einmal (63.). Auch Letsch wechselte, brachte positionsgetreu Holtmann für Osei-Tutu und Ganvoula für Hofmann. Beide waren enorm viel gerannt. Und die beiden Neuen rannten auch enorm viel, brachten frischen Wind.

Manuel Riemann, Torwart des VfL Bochum, pariert einen Elfmeter.
Manuel Riemann, Torwart des VfL Bochum, pariert einen Elfmeter. © firo

Kurz darauf glich das Stadion einem Tollhaus. Der VfL kombinierte sich über die linke Seite über fünf Stationen durch, One-Touch-Fußball im Stile eines Spitzenteams. Der überragende Antwi-Adjei bediente mustergültig den eingelaufenen Gerrit Holtmann, der seinen ersten Saisontreffer erzielte. Jokertor nach Traumkombination. Und auch das: hochverdient.

Ex-Bochumer mit dem Anschlusstreffer für Union

Doch die Messe war noch nicht gelesen. Nach einer Ecke schritt der Kölner Keller ein, Schiedsrichter Deniz Aytekin prüfte am Bildschirm und gab Elfmeter – Behrens soll von Masovic am Fuß getroffen worden sein. Eine zweifelhafte Entscheidung, mindestens harte Entscheidung. Pantovic, der Ex-Bochumer, trat an. Und Riemann parierte im Flug den halbhoch links geschossenen Ball seines langjährigen Kollegen.

Jetzt war das Stadion noch lauter als nach dem 2:0.

Konstantinos Stafylidis, Patrick Osterhage und Tim Oermann durften dann dieses Spiel auch noch genießen auf dem Rasen. Pantovic traf dann doch noch zum 1:2 mit einem strammen Schuss in der Nachspielzeit, das Union aber nicht mehr reichte. Der VfL beeindruckte seine Fans – und ist im Abstiegskampf wieder ein ernsthafter Konkurrent für Schalke, Stuttgart und Co.

Der Live-Ticker zum Nachlesen:

Bochum - Union 2:1