Bochum. Vor drei Wochen hat Heiko Herrlich (37) den Job des Verbandstrainers mit dem des Vereinstrainers getauscht. Michael Eckardt sprach mit ihm über den VfL Bochum, seine ersten Erfahrungen, seine Erwartungen und seine Arbeitsweise.

Sie haben sich für die Chance, die Sie in Bochum bekommen, bedankt. Neben dieser Chance gibt es aber auch ein erhebliches Risiko für einen Trainer-Neuling in der Bundesliga.

Heiko Herrlich: Ja, die Fallhöhe ist groß, sie ist für mich höher geworden. Viele haben mich gewarnt und gesagt, Du hast doch einen guten Job, warte noch zwei, drei Jahre. Aber ich bin jeden Tag mehr davon überzeugt, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Ich sehe die Chancen und die Freude, die mir die Arbeit macht. Wir müssen hier das Klima verändern und wieder für Hunger sorgen. Ich bin bereit diesem Ziel zu dienen.

Ein gutes Stichwort. Sie sollen von den Spielern gefordert haben, dem Klub zu dienen. Klingt antiquiert.

Herrlich: Und ich bin der allererste Diener. Haben Sie das Buch Sacred Hoops von Phil Jackson gelesen, der mit den LA Lakers und den Chicago Bulls Erfolge gefeiert und dabei schwierige Charaktere unter einen Hut bekommen hat? Basisprinzipien müssen Selbstlosigkeit und Mitgefühl sein. Heute hat man oft das Gefühl, dass eine Mannschaft nur noch auf dem Papier existiert. Aber es macht große Mannschaften aus, dass sich die Führungsspieler um die kümmern, die hinten dran sind und denen das Gefühl geben, dass sie wichtig sind. Ich habe das in Dortmund erlebt, mit den Sammers, Kohlers und Reuters. Ein Trainer allein kann das nicht leisten. Das ist eine Form von emotionaler Intelligenz.

Muss man diese emotionale Intelligenz, von der Sie sprechen, mitbringen oder kann man sie lernen?

Herrlich: Das bringt jeder ein Stück weit mit, kann man aber auch erlernen. Die Älteren stehen immer in der Verantwortung den Jungen was vorzuleben, schließlich waren sie selbst mal die Jungen. Das ist wie ein Generationenvertrag. Deshalb unsere Enttäuschung nach dem Spiel gegen Kassel. Die Jungen müssen anschließend sagen: Geil, wie die uns mitgerissen haben. Es geht für die Älteren nicht zu sagen: Da sind jetzt ein paar Junge dabei, da kann ich mich mal schön hängen lassen. Natürlich braucht man die älteren Spieler, damit sich die Jungen anlehnen können. Umso größer die Qualität der Alten ist, umso mehr helfen sie den Jungen. Christoph Dabrowski, der mit der U 23 in Elversberg gespielt hat, hat übrigens sehr gute Kritiken von unserem Trainer Nico Michaty bekommen.

Sie waren Nationalspieler und als Trainer einer Nachwuchs-Mannschaft sicher ein Idol für die Talente. Gestandene Bundesliga-Profis aber könnten sich auch fragen: Was will dieser Neuling uns da erzählen?

Herrlich: Das mit dem Idol glaube ich nicht. Die Nachwuchs-Spieler gehörten den Jahrgängen 1991 und 1992 an und waren zu jung, um meine beste Zeit als Spieler miterlebt zu haben. Ich definiere mich auch nicht über meine Vergangenheit als Spieler, sondern biete klare Analysen an.

Sie haben davon gesprochen, dass Selbstkritik notwendig sei. Sind Sie denn selbst als Spieler kritisch mit sich umgegangen?

Herrlich: Ich war selbstkritisch bis selbstzerfleischend. Das ist wichtig, um zu wissen, was man kann und was man nicht kann. Ich wusste genau, wann ich meine Stärken abgerufen habe und wann nicht.

Jede Mannschaft, die erfolgreich sein will, benötigt eine Hierarchie. Im Moment schaut es beim VfL so aus, als gäbe es keine.

Herrlich: Das Klima hier ist meiner Meinung nach ein bisschen nach dem Motto: Ich tue dir nichts, du tust mir nichts. Aber das Herz einer Mannschaft schlägt immer bei den Spielern, nicht beim Trainer, nicht beim Vorstand, auch nicht beim Aufsichtsrat. Und die Zuschauer sind leidgeprüft. Der Funke muss immer von der Mannschaft nach außen überspringen.

Welchen Führungsstil bevorzugen Sie denn, um das zu ändern?

Herrlich: Ich habe nicht vergessen, dass ich mal selbst Spieler war, aber ich bin autoritär, was Konzentration, Disziplin und Bereitschaft betrifft. Das fordere ich ein, setze aber auch auf Eigenverantwortung. Wie sollen die Spieler sonst auf dem Platz Entscheidungen treffen können. Erfolg zu haben tut weh, weil es harte körperliche Arbeit ist, Misserfolg aber tut noch mehr weh. Willensausdauer ist für mich der Schlüsselbegriff. Was sollen denn zum Beispiel die sagen, die Champions League spielen und nie bei der Familie sind?

Für Winter-Transfers ist kein Geld da, sagt der Vorstand. Können Sie damit leben?

Herrlich: Ich bin von nichts anderem ausgegangen und arbeite gerne mit den Spielern, die da sind. Für diese Saison ist das für mich klar und so auch abgesprochen. Dass wir uns später von der Altersstruktur neu aufstellen müssen, ist bekannt. Ich möchte allerdings jetzt die jungen Spieler aus dem Amateurbereich nicht verheizen.