Gelsenkirchen. . Pokal-K.o., Liga-Start verpatzt – und nun kommt am nächsten Samstag Rekordmeister FC Bayern München: Es gibt viel zu tun für Trainer Jens Keller, der deshalb auch den freien Tag gestrichen hat. Und der etwas lauter geworden ist als üblich.

So laut wird dieser Trainer selten. Jens Keller erklärt, unterbricht, tadelt, lobt, feuert an – und all das in einer Phonstärke, die seinen Spielern signalisiert: Wir sind nicht zum Vergnügen hier.

Der Montag ist für die Profis des FC Schalke 04 häufig ein Ruhetag, doch weil sich die Worte Schalke und Ruhe derzeit nur schwer mit­einander vereinbaren lassen, müssen die Herren Berufsfußballer zu Beginn dieser Woche zum Dienst antreten. Manche Beobachter sprechen von Straftraining, aber dies ist weniger eine erzieherische als eine alternativlose Maßnahme.

Eine intensive Videoanalyse

Nach dem versemmelten Saisonstart mit dem Pokal-K.o. in Dresden und dem gekippten Bundesliga-Auftaktspiel in Hannover braucht Trainer Jens Keller nämlich jeden Tag, um sein offensichtlich verunsichertes Team zu stabilisieren. In Schalkes derzeitigem Zustand erscheint die nächste Aufgabe so, als würden Barfüßige versuchen, den Mount Everest zu besteigen: Am Samstagabend kommt der FC Bayern in die Arena (ab 18.30 Uhr live in unserem Ticker), und auf Schalke ist längst nicht mehr die Rede davon, dass dies ein günstiger Zeitpunkt sein könnte, weil die vielen Münchener Weltmeister ja noch nicht wieder im Vollbesitz aller Kräfte sind. Schalke hat genügend eigene Sorgen.

Trainingsbeginn soll an diesem Montag um 11 Uhr sein, doch erst um kurz vor 12 stiefeln die Ersten die Treppe zum alten Parkstadion hinunter, wo die vom Strauchwerk überwucherten Ränge der Gegengerade und der gewaltige Schutthaufen in der Nordkurve eine für den Moment symbolträchtige Kulisse bilden. Fast eine Stunde lang mussten die Spieler eine unangenehme Videovorführung ertragen: die Fehleranalyse der 1:2-Niederlage in Hannover.

Auf dem Rasen versucht Jens Keller, das Besprochene direkt umsetzen zu lassen. In kleinen Gruppen proben die Profis auf engem Raum, Keller fordert: „Ständig bewegen! Immer anspielbar sein! Den Pass in die Tiefe verhindern!“

Schalkes Weltmeister sprechen offen

Die Spieler drücken aufs Gaspedal, sie machen engagiert mit. Fünf fehlen allerdings: Kevin-Prince Boateng, Benedikt Höwedes, Ralf Fährmann, Joel Matip und Dennis Aogo lassen ihre Beschwerden pflegen – „nichts Nennenswertes“, wird später vermeldet. Zumindest bei dem von einem Kreuzbandriss genesenen Aogo aber wird die Zeit knapp: Eine Muskelverletzung verhinderte bisher den Saisonstart für den Nationalspieler, der gerade jetzt auf der linken Abwehrseite gebraucht würde, weil bei Sead Kolasinac in Hannover ebenfalls das Kreuzband riss. So kann sich nun eine neue Chance für Christian Fuchs ergeben, der eigentlich schon auf dem Absprung war.

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Dieses saisonübergreifende Verletzungspech ist bei allen Unzulänglichkeiten eben auch ein Aspekt der aktuellen Schalker Misere, Vereinsarzt Thorsten Rarreck ist schon wieder voll ausgelastet – Doc around the clock. Und doch müsste das verbliebene Aufgebot stark genug sein, selbst Kapitän Benedikt Höwedes bestätigt das. Eine Mannschaft mit Champions-League-Ansprüchen müsse auf dem Platz mehr zeigen, meint der Weltmeister, und auch der zweite in diesem Sommer mit Gold gekrönte Schalker legt den Finger in offene Wunden: „Man hat gesehen, dass wir eine Menge Training nötig haben, um die Fehler abzustellen“, meint Julian Draxler. „Die waren zum Teil amateurhaft.“

Jens Keller, der sich oft selbst zurücknimmt, hat gute Gründe, um auch mal lauter zu werden.