Gelsenkirchen. Der Anführer rennt im Moment nur hinterher: Auch Schalke-Star Kevin-Prince Boateng ging bei der Pokal-Blamage in Dresden mit unter. Die Bosse der Königsblauen wollen Boateng nicht zum Sündenbock stempeln - Manager Horst Heldt ist die Fokussierung auf Boateng ohnehin zu viel.
Als Schalke vor einem Jahr so schwer in die Saison kam, war Kevin-Prince Boateng noch gar nicht dabei. Das 3:3 gegen Hamburg, dann die beiden Auswärts-Schlappen in Wolfsburg und Hannover, dazwischen die mühevollen Play-offs zur Champions League gegen Saloniki: Diese Spiele fanden noch ohne Boateng statt. Dann wurde der Nationalspieler Ghanas vom AC Mailand verpflichtet, und einen Tag später war sich ganz Schalke nach dem starken 2:0-Sieg gegen Bayer Leverkusen einig: Jetzt hat die Mannschaft endlich den Anführer, den sie so dringend gebraucht hat. Boateng hatte auf dem Platz eine Präsenz für zwei: Es war, als ob Schalke mit einem Mann mehr spielen würde.
Ein Jahr ist das jetzt her.
Mit anderen Maßstäben gemessen
Und jetzt? Beim Pokal-Aus gegen Dynamo Dresden hat Boateng genau das vermissen lassen, was ihn vor einem Jahr so stark gemacht hat. Der Anführer war ein Mitläufer – Trainer Jens Keller wechselte ihn sogar aus, und erst danach gelang Schalke wenigstens noch das Anschlusstor. Ein Zufall? Vermutlich ja. Aber kein anderer Spieler stand nach Dresden so sehr im Zentrum der Kritik wie Boateng.
Beim letzten Mal in Hannover
Das letzte Schalker Auswärtsspiel bei Hannover 96 fand fast auf den Tag genau vor einem Jahr am 24. August 2013 statt: Damals war es der dritte Spieltag und Schalke verlor 1:2. Hannovers Tore erzielten Huszti (15., Elfmeter) und Diouf (42.). Für Schalke verkürzte Szalai (55.).
Die spielentscheidende Szene war aber die Rote Karte gegen Benedikt Höwedes wegen einer Notbremse in der 14. Minute.
Schalkes Bosse wollen Boateng natürlich nicht zum Sündenbock stempeln. „Er hat genauso wenig seine Leistung abgerufen wie andere“, sagt Jens Keller. Aber er räumt auch ein, dass der Star und Anführer eben mit anderen Maßstäben gemessen wird – auch von ihm als Trainer: „Er hat die Qualität. Ich erwarte von ihm, dass er sich mehr zeigt.“ Auch darüber habe man mit Boateng bei der Aufarbeitung von Dresden gesprochen.
Manager Horst Heldt war die ganze Fokussierung auf Boateng ohnehin zu viel. „Man kann doch nicht sagen: Kevin hat die Leistung nicht gebracht, und deswegen haben wir verloren.“ Auch andere Profis hätten ihr Päckchen an dieser Pleite zu tragen, aber ein Sead Kolasinac zum Beispiel sei noch jung, weswegen man ihm das eher verzeihen würde. Und daher fordert Heldt, obgleich er um die Ausnahmestellung von Boateng weiß: „Wenn wir anderen ein schlechtes Spiel zugestehen, dann müssen wir das auch bei Kevin so machen.“
Nicht mehr so mitreißend
Die Krux bei Boateng ist vielleicht: Seine Leistungen waren schon im letzten halben Jahr nicht mehr so spektakulär und mitreißend wie am Anfang. Er selbst könnte das damit erklären, dass er nicht mehr auf seiner Lieblingsposition als Zehner zum Einsatz kommt – aber diese Erklärung hat er bisher noch nicht gegeben. Zumindest noch nicht öffentlich.
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Zweifel am Fitnesszustand des 27-Jährigen, der vor allem im vergangenen Herbst mit Knieproblemen zu kämpfen hatte, zerstreut Jens Keller: Zwar habe Boateng vor dem Spiel in Dresden eine Blessur am Knöchel gehabt, aber die Vorbereitung habe er bis auf wenige Einheiten komplett mitgemacht. Was übrigens stimmt. „Ich werde einen Teufel tun, ihn jetzt an den Pranger zu stellen“, sagt Keller: „Er wird die Leistung wieder bringen, die wir von ihm erwarten."
So wird Boateng diesmal mithelfen können, dass Schalke besser in die Saison kommt als vor einem Jahr, als es in den ersten drei Bundesliga-Spielen nur einen einzigen Punkt gab – damals eben noch ohne den Anführer. Am Samstag (15.30 Uhr, live in unserem Ticker) geht’s zum Auswärtsspiel nach Hannover. Keller hat angekündigt, dass Julian Draxler und Benedikt Höwedes wieder in der Start-Elf stehen werden, und er erwartet: „Die ganze Mannschaft wird ein anderes Gesicht zeigen.“