Gelsenkirchen. .
Nach seiner unglücklichen Anfangszeit bei Bundesligist Schalke 04 appelliert Abwehrspieler Christoph Metzelder nun an den Kampfgeist der Königsblauen.
Der Unterschied ist frappierend. Vor ein paar Wochen war Christoph Metzelder noch mit sich selbst beschäftigt, musste erklären, warum er bei seiner Bundesliga-Rückkehr nur hinterherlief. Jetzt analysiert der Abwehrchef die prekäre Situation beim abgestürzten Vizemeister Schalke 04. Aus dem Sündenbock ist in der Krise ein Führungsspieler geworden.
„Es hat natürlich damit zu tun, was ich anbiete“, sagt der 29-Jährige, der zum Saisonstart von den Schalker Fans nicht nur wegen seiner Dortmunder Vergangenheit, sondern auch wegen extrem schwacher Leistungen gnadenlos ausgepfiffen wurde. „Ich denke, ich habe mich stabilisiert. Um meine Person ist es ruhiger geworden. Die Akzeptanz ist größer.“
Hilfe durch einen Mentaltrainer
Geholfen hat dem Vizeweltmeister von 2002 in der persönlichen Krise ein Mentaltrainer. Dadurch habe er gelernt, „mit dem Druck besser umzugehen“. Er habe sich zuvor zu viele Gedanken gemacht, „so habe ich mir den Instinkt geraubt, das schnelle Handeln“, begründete der Innenverteidiger seine Maßnahme. Die „unfaire Hysterie“, die um seine Person ausgebrochen sei, habe er so besser verarbeiten können.
Es hat gewirkt: Nach einer zweiwöchigen Pause wegen Leistungsproblemen, die ihm auch mental half, kehrte Metzelder gestärkt zurück. Nicht nur auf dem Spielfeld, wo er - wie von Trainer Felix Magath schon vorher erwartet - Verantwortung als Abwehrchef übernahm und mit seiner Routine die fehlende Schnelligkeit wettmachte. Auch außerhalb trat er selbstbewusster und souveräner auf.
Als erster sprach er vom „Abstiegskampf“, verweigerte schon vor Wochen die offizielle Interpretation, dass die Mannschaft nach dem radikalen Umbruch langsam zusammenwachse und Fortschritte erkennbar seien. Schon nach dem 2:2 gegen den VfB Stuttgart vor zweieinhalb Wochen erinnerte er an den Absturz von Hertha BSC Berlin in der vergangenen Saison. „Das zeigt, wie Mannschaften unter ihrer Qualität spielen und dann in einen Abwärtsstrudel geraten. Dann wird es Woche für Woche prekärer.“
Mit Zähnen und Klauen gegen den Abstieg
Nach dem 0:1 gegen Bayer Leverkusen am vergangenen Samstag wurde Metzelder noch deutlicher. Die Kämpfer fehlten in dieser „dramatischen Situation“, stellte der Ex-Dortmunder fest. Im Abstiegskampf müsse man „auf alles gehen, was sich bewegt. Da muss man mit Zähnen und Klauen um jeden einzelnen Punkt kämpfen. Das muss man jetzt langsam mal begreifen.“
Dass die eigene Leistung mittlerweile stimmt, sich dadurch die gesamte Schalker Abwehr stabilisiert hat und in den vier Pflichtspielen vor dem Champions-League-Auftritt bei Hapoel Tel Aviv nur zwei Gegentore kassierte, kann Metzelder derzeit deshalb nicht freuen. Dafür ist die Lage beim Vizemeister zu ernst. „Es geht darum, die Leistung weiter auszubauen“, sagt er und ergänzt mit Blick auf seine Mitspieler: „Wir haben noch immer nicht das ausgeschöpft, was wir können.“
Die Rückkehr in die Bundesliga nach drei Jahren bei Real Madrid hat Metzelder trotz des Schalker Fehlstarts nicht bereut. „Madrid war eine lehrreiche Erfahrung, aber es waren sportlich unbefriedigende Jahre“, sagt er mit Blick auf nur 23 Ligaspiele in drei Spielzeiten. „Mir war klar, dass ich einen Neuanfang brauchte, und ich wollte ihn in der Bundesliga. Ich wollte auch körperlich an mein altes Niveau herankommen.“ Auf dem Weg dahin ist er - als Führungsspieler in der Krise. (sid)