Gelsenkirchen. Schalke 04 tagt am Samstag bei der Mitgliederversammlung. Trotz des Abstiegs gibt es Harmonie. Doch ein Teilnehmer-Minusrekord droht.
Die Geschichten über die Mitgliederversammlungen des FC Schalke 04 sind alt, sie sind legendär – es wird aber nie langweilig, sie Jahr für Jahr aus dem Archiv zu holen, weil auch sie für die Kultur dieses Klubs stehen. Da war die im Jahr 1988, als Michael Zylka gewählt wurde und als Drei-Tage-Präsident in die Geschichte einging. Sechs Jahre später war Helmut Kremers plötzlich Präsident, vor allem weil er einen Satz sagte: „Damals, zu meiner Zeit, haben wir uns für die Spiele gegen Borussia Dortmund gar nicht umgezogen.“ Es gab Rülpser auf dem Podium, knappe Wahlen, Raufereien, erbitterten Streit – wie das eben so war bei diesem hochemotionalen Klub.
Nun steht wieder eine Mitgliederversammlung an, die am Samstag um 11.04 Uhr in der Veltins-Arena beginnt. Es gibt Wahlen, nach dem Abstieg in die Zweite Liga wären größte Unruhen zu vermuten. Doch? Große Emotionen sind nicht zu erwarten, nicht einmal kleine. Die Schalker selbst rechnen nicht mit einem vollen Haus. Wird Schalke zu langweilig? Fehlen Typen? Gibt es keine Reibung mehr?
Mitgliederversammlung auf Schalke: Diesmal keine Bestuhlung
Der Aufbau in der Arena läuft schon seit ein paar Tagen, im Vergleich zu den Vorjahren gibt es Änderungen. Die Bühne steht nicht mehr vor der Haupt-, sondern vor der Gegentribüne. Die Mitglieder bekommen Sitzplätze auf der Tribüne, nicht mehr im Innenraum. Eine Bestuhlung hätte zu viel Geld gekostet, und nötig ist sie auch nicht. Lag die Zahl der Anwesenden zwischen 2015 und 2019 konstant zwischen 9000 und 10.000, kamen 2022 nur 4110. In diesem Jahr könnte es sogar einen Minusrekord geben. Strittige Tagesordnungspunkte gibt es nicht, zudem ist Top-Wetter angesagt: 27 Grad, 13 Stunden Sonne. Schwimmbad statt Schalke?
Der aktuelle Aufsichtsrat steht für Ruhe. Seit zwei Jahren führt Axel Hefer (45) das Gremium und er hat peinlich genau darauf geachtet, so ziemlich alles anders zu machen als von 2001 bis 2020 Zwei-Jahrzehnte-Patriarch Clemens Tönnies, der polarisierte, der den Begriff „Boss“ gern hörte. Motto: Lieber ein Spruch zu viel als zu wenig. Einer, für den Stars zählten, dessen Linie sportliche Erfolge brachte – aber auch Schaden. Wie ist das aktuell? Ob Hefer oder der Vorstand: Für schmissige Ansagen steht keiner. Tönnies war Schalkes Gesicht. Jetzt gibt es keins.
Schalke: Tönnies war kein Freund der Ultras
Die aktive Fanszene, allen voran die Ultras Gelsenkirchen, war Tönnies lästig. Das hat sich geändert. Hefer, der ebenso wie sein Aufsichtsrats-Kollege Holger Brauner zur Wiederwahl steht (ohne Gegenkandidaten), beantwortete einen persönlichen Fragebogen zur Wahl zunächst auf der Internetseite der Ultras, der Verein verwies darauf. Unter Tönnies: unvorstellbar. „Die Ultras sind eine von vielen Fangruppierungen, die ganz wichtig sind für das Stadionerlebnis, für die aktive gelebte Fankultur. Bei uns ist das genauso“, sagte Hefer in einer Mitglieder-Talkrunde.
Die Haupt-Positionen, die Hefers Gremium seit zwei Jahren vertritt, decken sich mit den Vorstellungen der Ultras. Eine Änderung der Rechtsform des Klubs, die sogenannte Ausgliederung, lehnt Hefer ab. Er bezeichnet das als 100+0-Modell, aus eigener Kraft solle Schalke wieder nach oben kommen, so wie Union Berlin. Eine Mitglieder-Umfrage hatte ergeben, dass die Mehrheit eine Ausgliederung ablehne. Aktuell, so Hefer, sei allein eine Beschäftigung mit diesem Thema „Geldverschwendung“. Ein weiteres Beispiel: Das Thema Pyrotechnik, ebenfalls sehr beliebt bei den Ultras, sieht Hefer nicht negativ, obwohl Schalke hohe Strafen zahlen musste. „Die Frage ist: Wie kann man es machen, dass es nicht gefährlich ist. Man muss den Dialog suchen mit der DFL“, sagte Hefer.
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Überraschend ist diese fannahe Strategie nicht, vor zwei Jahren wurde Hefer genau deshalb gewählt. So demokratisch sei der Klub selten gewesen, sagen Hefers Anhänger stolz. Tönnies war das Gegenteil von fannah, ließ Anträge nicht zu, provozierte kontroverse Antworten. Deshalb knisterte es bei Mitgliederversammlungen auch in erfolgreichen Jahren. Nun ist zu erwarten, dass die Mitglieder die Verantwortlichen in Ruhe lassen. Aber: Die Opposition zeigt sich nicht – im Plenum vermutet sie überwiegend aktive Fans. Unter Tönnies hatten diese bei Wortmeldungen häufig schlechte Karten. Andere Zeiten.
Schalke: Benedikt Höwedes wird kommen
Selbstkritisch dürfte die Sitzung doch werden. Hefer wird zum Beispiel die Trainer-Wahl im Juni 2022, Hauptgrund für den Abstieg, als Fehler bezeichnen. Auch die Reden des Vorstands werden nachdenkliche Momente enthalten – wenn es um Finanzen oder falsche Zugänge geht. Minutenlange Ovationen sind aber nur einmal zu erwarten: Benedikt Höwedes (35) steht zur Wahl als Ehrenspielführer. Und er hat sein Kommen angekündigt.