Bochum/Leipzig. Für den VfL Bochum und Schalke geht es heute um alles. Dass beide die Liga halten, ist unwahrscheinlich. Planung für den Abstiegsfall steht.
Es sind 22 Kilometer zwischen den Stadien des VfL Bochum und des FC Schalke 04, bei gutem Wetter ist die Schalker Arena aus der fünften Etage des Bochumer Stadioncenters am Horizont zu erkennen. Eine Straßenbahnlinie verbindet Bochums Hauptbahnhof mit der Arena des Revierrivalen, die 302 benötigt dafür rund 45 Minuten. Heute spielen die beiden Klubs zwar 433 Kilometer voneinander entfernt – Bochum empfängt Leverkusen, Schalke tritt bei RB Leipzig an (beide 15.30 Uhr/Sky) – doch klar scheint: Blau-Weiß wird in Tränen versinken. Einer muss wohl direkt in die Zweite Liga.
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Beim VfL Bochum ist man guten Mutes, dies zu verhindern. „Wir haben alles in der eigenen Hand“, betont Trainer Thomas Letsch und setzt vor allem auf den Heimvorteil: „Die ganze Stadt ist elektrisiert.“ Gegen 12.30 Uhr startet ein Fanmarsch zum Stadion, die Ultras haben dazu aufgerufen. Bereits beim Abschluss-Training waren viele dabei, der Capo der Ultras schnappte sich VfL-Idol und Kapitän Anthony Losilla: „Wir sind da!“, sagte er. Losilla versprach: „Wir geben alles.“
Das Gefühl des Abstiegs ist beim Nachbarn aus Schalke frisch. Es ist nur zwei Jahre her, da schauten sich viele Reporter bundesweit erscheinender Medien in Gelsenkirchen um. Besichtigten den Schalker Markt, wagten einen Blick in die alte Glückauf-Kampfbahn, studierten die schlechten Wirtschaftszahlen der Stadt, suchten und fanden einen Zusammenhang zwischen dem ersten Schalker Abstieg seit 33 Jahren und den Problemen der Stadt. Beispiele: Schalke sei in der „Kunst des Scheiterns schon immer führend“ gewesen, schrieb die SZ. „Das ganz große Drama kann niemand besser als Schalke“, lautete der erste Satz einer langen ZDF-Dokumentation.
VfL Bochum: Diese Spieler schauen nur zu – Kader & Startelf
In den vergangenen Wochen, Monaten blieb alles ruhig bei Königsblau. Drama? Nein. Scheitern? Nein, das ist nicht die Empfindung. Verlierer? So fühlt sich Schalke nicht. Woran liegt das? Gründe hat das viele. „Die Situation ist mit der vor zwei Jahren nicht vergleichbar, weil wir viel besser darauf vorbereitet sind. Wir würden nie mehr so tief fallen, wie wir beim Abstieg 2021, zu Corona-Zeiten gefallen sind“, sagt Sportvorstand Peter Knäbel. Die Lizenz ist erteilt. Der einzige Grund ist das nicht: Die Fans wissen, was auf sie zukommt. Und es herrscht wegen der stimmungsvollen, sportlich erfolgreichen Rückrunde eine Grundzufriedenheit.
VfL Bochum/Schalke: Trainer Letsch und Reis bleiben
Auch Bochum fiele bei einem Abstieg nach zwei Jahren Bundesliga keinesfalls aus allen Wolken, anders als beim letzten Abstieg im Sommer 2010 ist der Klub vorbereitet und finanziell gesund. Pikanterweise sorgte Schalkes Trainer Thomas Reis dafür, dass der VfL in den ersten sechs Spielen keinen Punkt holte und auch deshalb noch nicht gerettet ist. Unter seinem Nachfolger Thomas Letsch belegt der VfL, gemessen ab dem achten Spieltag, Rang zwölf. Letsch würde Bochum auch in der 2. Liga trainieren, das haben Geschäftsführung und Aufsichtsrat frühzeitig festgelegt. „Er geht voran. Bochum folgt ihm“, sagte der Sprecher der Geschäftsführung, Ilja Kaenzig. Die Wachstums-Strategie erhielte einen Dämpfer – einkalkuliert hat Bochum einen Rückschlag immer. Auch muss kein Mitarbeiter um seinen Job fürchten.
Auf Schalke ist Reis, der noch in Bochum wohnt, unumstritten. Der Etat für den S04-Profikader würde sich von rund 36 auf etwa 18 Millionen Euro halbieren. Elf Spieler wären weg, darunter Stammkräfte wie Moritz Jenz, Simon Terodde und Tom Krauß. Das klingt erst einmal viel, doch das Grundgerüst für die Zweite Liga steht. Zentrale Figuren wären Torwart Ralf Fährmann, Spielmacher Dominick Drexler und Stürmer Sebastian Polter. Auch Rückkehrer Marvin Pieringer (SC Paderborn) ist fest eingeplant. Kommen soll Darko Churlinov (FC Burnley), Aufstiegsheld 2021/2022.
Schalke: Diese elf Spieler wären mit dem Abstieg sicher weg
Das erklärte Ziel der Schalker wäre der direkte Wiederaufstieg. Noch immer hält Schalkes Vereinsführung den Kurs, den sie vor zwei Jahren eingeschlagen hatte: Innerhalb von fünf bis sieben Jahren will der Klub, der 168.000 Mitglieder hat, wieder europäisch spielen. Das erhöht den Druck auf Reis – und die Fans würden in der Zweiten Liga nicht mehr so schnell alles verzeihen. Elversberg statt FC Bayern, noch denkt daran bei S04 keiner. Und auch nicht beim VfL Bochum.
Seit Monaten arbeiten Letsch und der kommissarische Sportchef Marc Lettau am Kader für die kommende Saison. Drei Zugänge, darunter Außenverteidiger Felix Passlack vom BVB, sind schon fix. Bochum plant im Abstiegsfall mit einem Zweitliga-Rekord-Etat von rund 20 Millionen Euro – mehr als Schalke. Auch beim VfL wäre der Wiederaufstieg das Ziel.
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Allerdings gäbe es einen größeren Umbruch. Acht Abgänge stehen nach Vertrags- und Leihende ligaunabhängig fest. Im Abstiegsfall wären Leistungsträger wie Philipp Förster, dessen Vertrag nur für die Bundesliga gilt, wohl nicht zu halten. Abwehrchef Ivan Ordets etwa würde nur in der Bundesliga bleiben, für Stammkräfte wie Christopher Antwi-Adjei oder Erhan Masovic würde Bochum Transfereinnahmen erzielen, bei Takuma Asano gibt es eine Ausstiegsklausel. Das Ziel ist eine Verjüngung – mit einem bewährten Kapitän: Anthony Losilla (37) bliebe auch im Abstiegsfall.
Schalke und VfL Bochum vor Abstiegsfinale
Heute gegen 17.20 Uhr steht fest, wer direkt absteigt, wer die Relegation gegen den Dritten der Zweiten Liga bestreitet. Nur theoretisch ist denkbar, dass beide den VfB Stuttgart überholen und zweimal gejubelt wird. Wahrscheinlich aber ist, dass ein Verein in Tränen versinkt.