Gelsenkirchen. Henning Matriciani ist nach dem Derby beim FC Schalke 04 der Mann der Woche. Wie er auf den Hype reagiert, was Entdecker Gerald Asamoah sagt.
Dass Henning Matriciani im strömenden Regen auf einem matschigen Rasen seinen 23. Geburtstag verbringen würde, erfuhr Moritz Jenz erst während des Trainings. Mit dem Finger deutete Jenz auf seinen Teamkollegen des FC Schalke 04, der nickte kurz, nach einer Handschlag-Gratulation ging es weiter. So ist Matriciani, der Mann der Woche bei den Königsblauen. Schnörkellos, ohne Allüren.
Der Trubel rund um den Abwehrspieler ist gerade groß. Seit dem 2:2 im großen Revierderby gegen Borussia Dortmund, das er mit einer phänomenalen Grätsche in der Nachspielzeit absicherte, ist er der gefeierte Mann. Zahlreiche huldigende Fotomontagen sind seitdem entstanden, "Fußballgott" ist einer seiner zahlreichen neuen Spitznamen. Es ist nicht so einfach, als junger Spieler mit gerade einmal 26 Profispielen (13 in der Ersten, 13 in der Zweiten Liga) in so einen Hype zu geraten - wenn Matriciani nicht Matriciani wäre. "Dass ich der König bin gerade, würde ich nicht sagen. Ich bin ganz normal einer aus der Mannschaft. Da freut man sich, lächelt einmal. Spaß muss sein", sagte er am Dienstag in einer Medienrunde, pitschnass durch den Regen, die weißen Sportsocken braun vom Matsch.
Schalke-Profi Matriciani: "Ich mach' mein Ding"
Ein weiterer dieser Spitznamen ist "GOATriciani" - GOAT steht im US-Sport für "Greatest of all time", der Größte aller Zeiten. Auch Namen wie diesen bringen den sachlichen Matriciani nicht aus der Fassung. Zum Thema Spitznamen sagt er nur: "Klar kommt auch mal der Name Goat und bla, bla, bla. Ich kann das ganz gut einordnen." Er hält es wie Udo Lindenberg: "Ich mach' mein Ding."
Dass er es in die Bundesliga geschafft, ist eine dieser Profifußball-Märchengeschichten. Am 17. Juli 2020, vor zwei Jahren und acht Jahren, wurde er noch vom Physioteam Lippstadt auf Facebook verabschiedet - dort hatte er eine Ausbildung zum Physiotherapeuten absolviert. "Wir müssen leider Abschied nehmen", heißt es dort. "Henning wechselt hauptberuflich in das Fußball-Business." Zu dieser Zeit verteidigte er für den SV Lippstadt, einem Abstiegskandidaten der Regionalliga West.
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Gar nicht so leicht sei Matriciani der Schritt gefallen, den Beruf, für den er viel gelernt hatte, zu verlassen. Das erzählte am Dienstag Gerald Asamoah, der Leiter der Lizenzspieler-Abteilung. Er war es, der Matriciani entdeckte, in seiner Funktion als Manager der königsblauen U23. "Das war lustig, als ich ihn zum ersten Mal angerufen habe. Er wollte gar nicht wahrhaben, dass ich es bin. Ich habe gesagt, wir hätten Interesse, ob wir uns mal treffen können", erzählte Asamoah auf Anfrage dieser Zeitung. Bei diesem Gespräch sei es nicht so leicht gewesen, die Familie von einem Wechsel zu überzeugen. "Henning hatte eine Ausbildung, seine Mutter und seine Freundin waren nicht so richtig für den Wechsel. Ich habe ihm einen Zweijahresvertrag mit Option angeboten und er ist gekommen."
Schalke-Legende Asamoah: "Torsten, wie alt ist der denn?"
Als Asamoah Matriciani zum ersten Mal gesehen hatte, hielt er ihn auch nicht direkt für geeignet. "Ich war in Düsseldorf, Fortuna II gegen Lippstadt - denn Lippstadt war unser nächster Gegner, den wir beobachten wollten. Henning hat Innenverteidiger gespielt. Ich habe dann unseren Trainer Torsten Fröhling gefragt: Torsten, wie alt ist der denn?", erzählte Asamoah und lachte danach. Als die Antwort "20" kam, schaute er etwas ungläubig.
Eine Woche später, als Schalkes U23 in Lippstadt antrat, spielte Matriciani rechter Verteidiger. "Das hat er okay gemacht, in der letzten Minute sprintet er dann über den ganzen Platz, legt den Ball quer und wir verlieren 0:2 - ich habe danach nur gesagt: Da ist er wieder, der alte Mann", sagte Asamoah. Von einer Verpflichtung war er immer noch nicht überzeugt.
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Als er dann Rot-Weiss Essen beobachten wollte, hieß der Gegner erneut Lippstadt. "Da hat er dann linker Verteidiger gespielt - da habe ich nur gedacht: Kann nicht sein, der spielt ja überall und ist ein Mentalitätsspieler. Und er hat ein Tor vorbereitet", erzählt Asamoah. Sein Entschluss stand nun fest: Er wollte Matriciani zur Knappenschmiede holen.
Danach ging alles schnell: Wechsel im Juli 2020, Profidebüt am 15. Mai 2021 gegen Eintracht Frankfurt (4:3), Profivertrag im September 2021 - und nun der "GOAT". "Das ist gut fürs Herz, gut für die Seele", sagte Matriciani über die zahlreichen Nachrichten, die er nach dem Derby erhielt.
Wieder so ein schnörkelloser Satz, ohne Allüren.