Gelsenkirchen. Rouven Schröder wird in Kürze als neuer Sportdirektor von RB Leipzig vorgestellt. Wie ist seine Zeit bei Schalke 04 zu bewerten? Ein Kommentar.

Es ist erst rund acht Monate her, da waren die Fans des FC Schalke 04 und Rouven Schröder unzertrennlich. Mitte Mai 2022, nach dem vollbrachten Aufstieg, feierten die Anhänger den Sportdirektor zurecht als den Architekten des Erfolges, der 47-Jährige wurde glorifiziert, alle Beteiligten träumten von einer Ära, von großen Zielen. Er hätte nichts dagegen, sagte Schröder, wenn Schalke seine Lebensaufgabe würde. In einem Videoclip sagte er: "Auch wenn's manchmal nicht so läuft, wir bleiben." Nun aber, Ende Februar 2023, ist von den Schwärmereien, Huldigungen, Liebeserklärungen, nichts mehr übrig. Und geblieben ist er nicht. Rouven Schröder wechselt zu RB Leipzig. In Schalkes lange Vereinsgeschichte geht er nicht als ein großer Sportdirektor ein, sondern als irgendein Sportdirektor, der von Klub zu Klub hüpft. Leipzig ist seine sechste Station in 13 Jahren als Funktionär.

Eben noch auf Schalke, jetzt bei RB Leipzig: Rouven Schröder.
Eben noch auf Schalke, jetzt bei RB Leipzig: Rouven Schröder. © firo

In Foren und sozialen Netzwerken ist die Wut einiger S04-Fans groß. Zwar gibt es Schalker, die schreiben, ihnen sei eine solche Nachricht egal. Andere aber betonen, sie seien im Fußballgeschäft selten so enttäuscht worden. Schröder, der immer betont hatte, wie genial er Schalke finden würde, wie toll die Tradition, die Emotionen, diesen ganz schmalen Weg zwischen himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt, der ist jetzt in Leipzig? Er habe zwar weniger Geld als die meisten anderen Kaderplaner, aber dafür "den viel geileren Verein", pflegte er zu sagen. Und jetzt: Leipzig?

Rouven Schröder arbeitete 17 Monate für Schalke 04

Am Ende war Schröder lediglich 17 Monate für die Königsblauen tätig. Eine turbulente Zeit, die sich nicht nur für Schröder, sondern auch für viele Fans deutlich länger anfühlte. Die Bewertung von Schröders Arbeit hat eine helle und eine dunkle Seite.

Die helle: Er stellte mit seinem fraglos großen Netzwerk unter schwierigsten Bedingungen im Juli und August 2021 den Kader zusammen, der den direkten Wiederaufstieg bewerkstelligte. Er verpflichtete Ko Itakura, den wichtigen Abwehrchef. Auch Spieler wie Thomas Ouwejan, Marius Bülter, Rodrigo Zalazar und Dominick Drexler hatte er auf dem Zettel. Seine Trefferquote: sehr gut. Zudem gelang es ihm mit einigen charismatischen Auftritten, die Fans hinter sich zu vereinen. Die Anhänger fanden vor allem wegen Schröder wieder Vertrauen zur Vereinsführung, die sie in den Jahren zuvor so enttäuscht hatte. Auch in kritischen Momenten behielt er die Übersicht: Trainer Dimitrios Grammozis im Frühjahr 2022 durch Mike Büskens zu ersetzen, war der letzte Aufstiegs-Baustein. Aus all diesen Gründen hat Schröder einen großen Anteil am Triumph, keine Frage.

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Doch im Erfolg, in dem Moment, als ihn die königsblauen Fans hochleben ließen und am liebsten tagelang auf Händen getragen hätten, unterliefen ihm entscheidende Fehler. Der wichtigste: Nach monatelanger Suche präsentierte er Frank Kramer als neuen Cheftrainer. Schon nach kurzer Zeit wussten intern und extern die meisten: falsch. Eine Aufstiegseuphorie gab es nicht, vielmehr erste Zweifel am Aufstiegs-Architekten. Von den Zugängen, die er stets mit großen Worten anpries, gingen viele nicht auf. Die Liste der Flops ist lang: Jordan Larsson und Florent Mollet sind schon wieder weg, Timothée Kolodziejczak und Ibrahima Cissé in die U23 verbannt, Kenan Karaman und Tobias Mohr enttäuschten bisher, Maya Yoshida und Alexander Schwolow erfüllten die Erwartungen selten. Zudem fielen oder fallen Leo Greiml, Sepp van den Berg, Sebastian Polter und Justin Heekeren verletzt aus - das ist Pech. Lediglich zwei Schröder-Verpflichtungen erwiesen sich als Volltreffer: Tom Krauß und Alex Kral.

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Schalke hat noch keinen Nachfolger vorgestellt

Kritik an seiner Arbeit ließ Schröder aber, so ist es aus dem Verein zu hören, nur selten zu. Dass er dann schließlich Ende Oktober 2022 das Handtuch warf, hatte noch weitere Gründe - er wirkte durch die turbulenten Transferperioden und die zunehmende öffentliche Kritik zermürbt, fühlte sich nicht immer gerecht behandelt. Nach Kramers notwendig gewordenem Rauswurf lief auch die nächste Trainersuche nicht glatt. RB Leipzig, so heißt es jedenfalls, habe bei der Entscheidung keine Rolle gespielt - auch wenn Schröders enger Freund Max Eberl zu diesem Zeitpunkt schon als künftiger RB-Sportchef vorgestellt worden war.

Im Profifußball, das zeigt die Personalie Schröder einmal mehr, gibt es wenig Platz für Romantik. Die Suche nach einem Nachfolger fällt Schalke schwer. Schröders Posten ist auch vier Monate nach dessen Rückzug noch nicht neu vergeben. Eine interne, sachliche Lösung ist nicht unwahrscheinlich - keine charismatische.