Gelsenkirchen. Der FC Schalke 04 hat sich mit sechs Wintertransfers für den Abstiegskampf gerüstet. S04 musste handeln, weil der Klub im Sommer oft daneben lag.
Bernd Schröder wollte nicht nach Ausreden suchen. Als der Vorstandschef des FC Schalke 04 im Interview mit dieser Zeitung auf die Transferaktivitäten im Sommer angesprochen wurde, sprach der 56-jährige Klartext: "Wir haben im Sommer-Transferfenster nicht alles richtig gemacht, ein ganz klares Ja. Aber wir haben das analysiert, Schlussfolgerungen gezogen und im Winter anders gearbeitet. Und ich glaube, wir haben einige Defizite beheben können."
Schalke holte im Laufe der aktuellen Saison insgesamt 20 neue Spieler, sechs davon während des Winter-Transferfensters. Mit Hilfe dieser Transfers soll es dem Bundesliga-Schlusslicht nun gelingen, die Klasse zu halten. Doch reichen die Verstärkungen aus, um dieses Ziel zu erreichen? Unser Kooperationspartner Createfootball hat alle neuen Schalke-Spieler unter die Lupe genommen.
Der FC Schalke 04 in der Transferanalyse
Tor
Alexander Schwolow (30): Seit 2018/19 mit nur einer starken Bundesliga-Saison (19/20), ansonsten mit Blick auf die Daten stets einer der schwächsten Bundesligakeeper: Auch in der aktuellen Spielzeit konnte der Zugang von Hertha BSC nicht überzeugen. Er verlor folgerichtig vor dem Heimspiel gegen den 1. FC Köln seinen Stammplatz an Ralf Fährmann.
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Justin Heekeren (21): Wurde als Backup von Rot-Weiß Oberhausen geholt. Nach anfänglichen Schwierigkeiten mit guten Leistungen in der U23. Riss sich Anfang des Jahres das Kreuzband.
Verteidigung
Jere Uronen (28): Der Finne ist ein defensiv orientierter Linksverteidiger, der zuletzt kaum Spielpraxis in Brest bekommen hat. Er ist ein neuer Spielertyp im Vergleich zu den offensiveren Ouwejan und Mohr. Bundesliganiveau muss er noch konstant nachweisen, gegen RB Leipzig mit einer ganz schwachen Leitung, ansonsten solide. Absolvierte bisher alle Rückrundenspiele von Anfang an. Könnte vom wiedergenesenen Ouwejan abgelöst werden.
Timothée Kolodziejczak (31): Funktionierte in seiner Karriere nur in Frankreich und Spanien, in Gladbach nur 98 Spielminuten in der gesamten Saison. Bei Schalke bislang 24 Einsatzminuten. Er hätte den Verein schon im Winter wieder verlassen können, es fand sich aber kein Abnehmer. Die Qualität stimmt grundsätzlich, aber der Innenverteidiger ist schon 31 und hat nur einen geringen Weiterverkaufswert.
Sepp van den Berg (21): Bekam 21/22 sehr viel Spielzeit für Preston in der zweiten englischen Liga. Der Innenverteidiger muss sich noch an das Bundesliganiveau gewöhnen. In seinen vier Einsätzen ließ er in Ansätzen erkennen, warum ihn der FC Liverpool unter Vertrag genommen hatte. Fällt seit Oktober aber mit einem Bänderriss aus und steht nun kurz vor dem Comeback. Nach langer Pause noch keine Option für die Startelf.
Maya Yoshida (33): Der Japaner sollte Ko Itakura ersetzen, ist aber über seinem Zenit. Schon in Genua hatte er stark abgebaut. Nur 61% gewonnene Zweikämpfe, versucht zu oft im Raum zu decken. Er passt auch aufgrund fehlenden Tempos nicht zu Reis‘ Spielphilosophie, ist mangels Alternativen aktuell aber gesetzt. Gutes Timing in der Luft als größter Pluspunkt. Immerhin: Gegen Köln und Gladbach zuletzt stark verbessert.
Cedric Brunner (28): Solider Rechtsverteidiger, der im Sommer ablösefrei von Arminia Bielefeld kam. Er hat bisher die fünftmeisten Einsatzminuten. Ein ordentlicher Transfer. Überzeugt vor allem mit starkem Stellungsspiel und liefert solide Abwehrarbeit. Offensiv leistet er aber zu wenig. Kein Tor und keine Torvorlage bisher in 16 Spielen.
Moritz Jenz (23): Bisher ein Schalker Transfercoup mit hoher Qualität am Boden, guter Physis und ordentlicher sowie dringend benötiger Endgeschwindigkeit. Hat sich bei Celtic im Passspiel weiterentwickelt (in den Top-5 Ligen kommen nur Dias und Aké (beide ManCity) sowie Medina (Lens) auf mehr als 30 Vertikalpässe pro Spiel). In den beiden Spielen mit ihm ist Schalke noch ohne Gegentor. Eine absolute Verstärkung.
Leo Greiml (21): Wurde im Sommer von Rapid Wien ausgeliehen. Kam aber bisher nur auf vier Einsätze für die Schalke-Profis, da er im Oktober eine Meniskusverletzung erlitt. Sammelte zuletzt Spielpraxis bei der U23. Aktuell keine ernsthafte Option für Reis.
Mittelfeld
Alex Král (24): In den letzten Wochen vor der WM-Pause die erhoffte Verstärkung, die Frank Kramer offenbar nicht in ihm sah. Hohe Grundqualität und Dynamik zeichnen ihn aus. Das Problem auf lange Sicht: Sehr ähnlich zum gesetzten Tom Krauß, beide bedienen dasselbe Positionsprofil, harmonieren daher nicht sonderlich gut. Aktuell ist der Tscheche aufgrund seiner Zweikampfhärte aber gesetzt.
Niklas Tauer (21): Kam im Winter von Mainz 05. Er ist flexibel einsetzbar, kann 3er und 4er-Kette spielen als IV, RV oder defensiver Mittelfeldspierl. Bisher aufgrund einer Verletzung noch ohne EInsatz. Er ist jung, aber nur ausgeliehen. Schalke bildet für Mainz 05 aus, das wäre vor einigen Jahren wohl undenkbar gewesen.
Tom Krauß (21): Bisher auf die ganze Saison gesehen der beste Transfer von Schalke 04. Krauß vereint Kampfgeist mit Dynamik, nach Yoshida der Feldspieler mit den zweitmeisten Einsatzminuten – zurecht!
Tobias Mohr (27): Als Alternative auf der linken Außenbahn geholt worden, kann Linksverteidiger und im linken Mittelfeld spielen. Zeigte phasenweise gute Ansätze, kam aber im Laufe der Hinrunde an seine Grenzen. Mohr kostete über eine Million Euro Ablöse, das hat sich für Schalke nicht rentiert. Er steht bis 2025 unter Vertrag. Sein Wiederverkaufswert ist fraglich, da er schon 27 Jahre alt und in der Rückrunde bisher keine Option ist.
Eder Balanta (29): Physisch- und zweikampfstarker Abräumer vor der Abwehr, der auch als Innenverteidiger spielen kann. Solide im Spielaufbau und gut im Luftzweikampf. Das stellte er bei seinem Debüt in Mönchengladbach schon unter Beweis. Für Schalke eine risikofreie Leihe, aber wenig Potential für die Zukunft. Aktuell im Abstiegskampf gefragt.
Florent Mollet (30): Der offensive Mittelfeldspieler wurde von Frank Kramer kaum berücksichtigt. Zeigte dann vor der WM-Pause ansatzweise, warum Schalke ihn unbedingt holen wollte. Im Winter an den FC Nantes verkauft.
Angriff
Jordan Larsson (25): Als Transfercoup (Schnelligkeit, Technik, Dribbling) gehandelt, als Mega-Flop im Winter wieder verliehen: Konnte die Erwartungen bislang überhaupt nicht erfüllen. Nicht mal 500 Spielminuten in der Bundesliga – kein einziger Schuss auf das gegnerische Tor (bei zehn Versuchen). Eine fürchterliche Quote. Verdrängt von U23-Kozuki. Dauerhafte Trennung nach Leihe wahrscheinlich.
Tim Skarke (26): Dringend benötigte Verstärkung auf dem rechten Flügel. Bekam bei Union Berlin nur 60 Minuten in der Hinrunde – in der letzten Zweitligasaison mit großen Leistungsschwankungen, oft zu unauffällig. Mit über drei Schüssen pro 90 Minuten erzeugte er zumindest viel Torgefahr, das braucht Schalke 04. Bringt mit seiner hohen Schnelligkeit ein neues Element ins Schalker Spiel, Bundesligatauglichkeit hat Skarke dauerhaft allerdings noch nicht nachgewiesen.
Sebastian Polter (31): Neben Terodde der zweite echte Mittelstürmer, für S04-Verhätnisse teure Verpflichtung für 1,5 Millionen Euro Ablöse. Das System von Frank Kramer mit zwei Wandspielern schlug schon in Bielefeld komplett fehl und mündete im Abstieg. Mit Terodde zusammen lief es auch nicht rund. Polter fällt seit Anfang Januar mit einem Kreuzbandriss aus – die zweite ganz schwere Verletzung seiner Karriee (Achillessehnenriss, 2018).
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Kenan Karaman (28): Flexibel in der Offensive einsetzbar, dafür ohne echte „Waffen“, ist einzig recht effizient im Dribbling. Ist kein Spielgestalter, zieht oft auf den Flügel hinaus – dadurch fehlt eine Anspielstation im Zentrum, die Chancen kreiert. Konnte sein Bundesliganiveau nie nachhaltig nachweisen, bei Besiktas nur vier Scorerpunkte in 25 Partien. Auf Schalke in zehn Einsätzen noch komplett ohne Tor oder Vorlage. Viel zu wenig.
Michael Frey (28): Wuchtiger Angreifer mit starker Torquote in den letzten Jahren. Ein System mit Terodde und Frey scheint undenkbar, mit seiner Präsenz kann der Schweizer aber eine wichtige Komponente ins Team bringen. Hoffnungsträger -> Passt mit seiner Mentalität nach Schalke.
Schalke-Fazit zu den Transfers
- Die Wintertransfers machen S04 durchaus Hoffnung. Sie bringen geforderte und neue Qualität mit.
- Es kamen insgesamt viele Spieler, bei denen es große Fragezeichen hinter der sportlichen Leistungsfähigkeit gab. Einige kamen in ihren Vereinen zuletzt kaum zum Einsatz, müssen nun aber sofort helfen (Skarke, Tauer, Balanta)
- Auf einigen Positionen besteht ein zu geringer Konkurrenzkampf (Tor), im Offensivbereich gibt zu viele gleiche Spielertypen (LV, ZM, ST), in der Abwehr gab es vor dem Jenz-Transfer ein Qualitätsproblem.