Gelsenkirchen. Bei der Weltmeisterschaft 1970 in Mexiko standen zwei Schalker Spieler im Aufgebot Deutschlands, das mit der Bronzemedaille nach Hause kam.

Die Hitze in Mexiko war fast unerträglich. „Das war mein Vorteil“, erinnert sich Klaus Fichtel an die WM 1970. Die Konditionsstärke des damals 25-jährigen Schalkers beeindruckte Bundestrainer Helmut Schön so sehr, dass er Klaus Fichtel zwei Tage vor dem Auftaktspiel gegen Marokko eine Einsatzgarantie gab: „Du spielst Vorstopper.“ Und das trotz namhafter Konkurrenten in der Defensive wie Willi Schulz, Wolfgang Weber und Horst-Dieter Höttges. „Vor dem Abflug hatte ich noch gedacht: Jetzt machst du da drüben schön vier Wochen Urlaub“, verrät der 78-Jährige, „aber denkste.“

Auch interessant

Eigentlich hätte „Tanne“ schon 1966 bei der WM in England dabei sein sollen. Doch S04-Trainer Fritz Langner hatte interveniert: Der Junge sei noch nicht so weit. Vier Jahre später beeindruckte Klaus Fichtel bei der WM mit kompromissloser Zweikampfführung und exzellenter Spielübersicht. „Nervös war ich überhaupt nicht“, erinnert sich der gelernte Bergmann. Schließlich hatte Klaus Fichtel bereits 1968 zwei hochklassige Testspiele gegen England (1:0) und Brasilien (2:1) bestritten. „Ich wusste also, dass ich auf dem Niveau mithalten konnte.“

Klaus Fichtel erhält Tipps vom ehemaligen Schalker Willi Schulz

In der WM-Vorrunde blieb Deutschland ohne Punktverlust: 2:1 gegen Marokko, 5:2 gegen Bulgarien, 3:1 gegen Peru – nicht zuletzt dank Klaus Fichtel, der half, das Abwehrzentrum der DFB-Auswahl weitgehend dicht zu halten. Tipps bekam der WM-Neuling von einem, der bereits 1966 an einem Welt-Turnier teilgenommen hatte: vom ehemaligen Schalker „World-Cup-Willi“ Schulz. „Willi, der damals beim HSV spielte, war in Mexiko mein Zimmerkollege“, erzählt Klaus Fichtel. „Von seiner Erfahrung habe ich während des Turniers sicher profitieren können.“

Auch interessant

Neben Klaus Fichtel stand 1970 noch ein weiterer Knappe im DFB-Kader: Reinhard Libuda (†), der Stan, präsentierte sich in Mexiko, wie man ihn auf Schalke kannte: mal so, mal so. „Beim 5:2 gegen die Bulgaren war der Stan mit Abstand bester Mann auf dem Platz“, schwärmt Klaus Fichtel. „Er war an allen Toren beteiligt und spielte die Bulgaren schwindelig. Am Ende trauten die sich gar nicht mehr, ihn zu attackieren, weil er sie förmlich austanzte. Besser kann man als Rechtsaußen nicht spielen.“

Keith Newton vom FC Everton räumt Schalkes Stan Libuda mitsamt Ball ab

Doch im Viertelfinale gegen England (3:2 nach Verlängerung) hatte Reinhard Libuda vorzeitig ausgetanzt. „Die Engländer wussten vermutlich, dass der Stan sich durch Härte beeindrucken ließ“, glaubt Klaus Fichtel. „Einer ihrer Außenverteidiger, ich glaube, es war Keith Newton vom FC Everton, räumte gleich in den ersten Minuten den Stan mitsamt Ball ab.“ Der demoralisierte Reinhard Libuda wurde nach 57 Minuten ausgewechselt.

Auch interessant

Im Halbfinale gegen Italien kam der Schalker Dribbelkünstler folgerichtig nicht zum Einsatz – ebenso wenig wie Klaus Fichtel. „Ich hatte mir gegen England kurz vor Schluss eine Wadenblessur zugezogen“, erzählt der gebürtige Castroper leicht wehmütig. „Deshalb musste ich draußen bleiben.“ Im sogenannten Jahrhundertspiel vor 102.000 Zuschauern im Aztekenstadion siegten die Italiener nach epischem Kampf mit 4:3 nach Verlängerung. Deutschlands Titeltraum war zerplatzt.

Klaus Fichtel: „Die Bronzemedaille habe ich noch zu Hause“

„Selbst wenn wir das Endspiel gegen Brasilien erreicht hätten, wäre es unwahrscheinlich gewesen, dass wir gegen diese Ausnahme-Truppe um Pelé und Jairzinho gewinnen“, sagt Klaus Fichtel im Rückblick. „Wir hatten im Viertel- und im Halbfinale eine Verlängerung gespielt und waren platt.“ Die Brasilianer gewannen das Endspiel gegen Italien am Ende klar mit 4:1. Deutschland siegte im kleinen Finale gegen Uruguay (1:0), mit Klaus Fichtel und Stan Libuda in der Startelf. „Die Bronzemedaille habe ich noch zu Hause“, verrät „Tanne“ und fügt schmunzelnd an: „Ich weiß nur gerade nicht, wo...“

Auch interessant

Nachtrag: Von seinen insgesamt 23 A-Länderspielen (ein Tor) verlor Klaus Fichtel lediglich ein einziges – und zwar in der EM-Qualifikation in Jugoslawien am 3. Mai 1967 (0:1). Eine noch größere Länderspielkarriere verhinderte die Schalker Verwicklung in den Bundesliga-Skandal der Saison 1970/71. Ebenso wie Stan Libuda (26 Länderspiele, drei Tore) bestritt Klaus Fichtel seine letzte Partie im DFB-Trikot am 17. November 1971, beim 0:0 gegen Polen.