Gelsenkirchen. Eigentlich hatte sich Bundestrainer Sepp Herberger bei der WM 1954 für den Schalker Berni Klodt als Rechtsaußen entschieden...
Doch dann kam alles ganz anders. Die Reportage des Herbert Zimmermann gilt heute als Zeugnis deutscher Geschichte: „Schäfer nach innen geflankt“, schilderte der Radio-Kommentator vom Nordwestdeutschen Rundfunk die entscheidende Szene im WM-Finale 1954: „Kopfball – abgewehrt, aus dem Hintergrund müsste Rahn schießen … Rahn schießt: Tooor, Tooor, Tooor!“
Es hätte auch heißen können: Aus dem Hintergrund müsste Klodt schießen…
Wann immer heute die alten Bewegtbilder von Helmut Rahns Treffer zum 3:2 gegen Ungarn über den Bildschirm flimmern, sind sie mit Zimmermanns O-Ton unterlegt. Genau so gut hätte es an jenem 4. Juli 1954 heißen können: Aus dem Hintergrund müsste Klodt schießen...
Sepp Herberger musste lange mit sich ringen
Bundestrainer Sepp Herberger hatte lange mit sich gerungen, wem er bei der WM in der Schweiz den Vorzug auf Rechtsaußen geben sollte: Seinem Lieblingsschüler Bernhard „Berni“ Klodt, dem asketischen Kapitän des FC Schalke 04, oder seinem Sorgenkind Rahn, dem bekennenden Lebemann von Rot-Weiss Essen, der – wie im Spielfilm „Das Wunder von Bern“ – gern mal den Zapfenstreich überzog.
Klodt schoss vor der WM „nur“ zwölf Oberliga West-Treffer für Schalke
Zu Turnierbeginn hatte sich Herberger für Klodt entschieden, obwohl der damals 27-Jährige in der vorangegangenen Spielzeit in der Oberliga-West „nur“ zwölf Treffer erzielt hatte. Rahn kam auf 18 Tore. Klodt galt als mannschaftsdienlicher Kombinationsspieler.
Dem eigenwilligen Rahn sagte man den größeren Tordrang nach. Auch in der Abschlusstabelle lagen Rahns Essener als Vizemeister einen Platz vor den Knappen: ein einziger Punkt trennte die beiden Revier-Rivalen. Herberger hatte auf Rechtsaußen keine Not, nur die „Qual der Wahl“.
Schalkes Klodt rechtfertigte seine Aufstellung
Klodt, zwölf Jahre jüngerer Bruder des 17-maligen Nationaltorhüters Hans-Klodt, rechtfertigte seine Aufstellung. Im Auftaktspiel gegen die Türkei (4:1) traf der gebürtige Gelsenkirchener mit einem präzisen Flachschuss zum 2:1. Vor der zweiten Vorrunden-Partie gegen den Titelfavoriten Ungarn aber ließ Herberger kräftig rotieren: Statt Klodt spielte plötzlich Rahn, dem ebenfalls ein Treffer gelang. Trotzdem erlitt Deutschland eine 3:8-Klatsche.
Komplizierter WM-Modus
Der komplizierte WM-Modus sah nun ein Entscheidungsspiel zwischen dem DFB-Team und den Türken vor. Es ging um Platz zwei in der Gruppe 2 und den Einzug ins Viertelfinale. Deutschland, nun wieder mit Berni Klodt, gewann klar mit 7:2, doch an jenem Tag lief fast alles über die linke Angriffsseite.
Der Schalker Rechtsaußen hing in der Luft
Der Schalker Rechtsaußen hing buchstäblich in der Luft und spielte bis zum Turnierende keine Minute mehr, zumal Ein- und Auswechslungen damals noch nicht möglich waren. Rivale Rahn rechtfertigte Herbergers Entscheidung mit einem wichtigen Tor beim 2:0-Viertelfinalsieg über Jugoslawien und seinem finalen Doppelpack gegen die Ungarn (zum 2:2 und zum 3:2).
„Damals bezeichnete man nur die im Endspiel eingesetzten Spieler als Weltmeister“, sagt die Historikerin Dr. Christine Walther, Leiterin Vereinsangelegenheiten beim FC Schalke 04.
Schalke war stolz auf Berni Klodt
„Doch wie stolz die Schalker auf Berni Klodt als Mitglied des WM-Kaders waren, zeigt der überwältigende Empfang für ihn in Gelsenkirchen drei Tage nach dem ,Wunder von Bern’.“ Auch vom Bundestrainer hatte Berni Klodt ein Sonderlob erhalten. Der Knappe sei der „zwölfte Weltmeister“ gewesen, sagte Herberger und schenkte Klodt seine Goldmedaille, die ansonsten nur die elf Endspiel-Sieger bekommen hatten.
Klodt stand im Schatten vom „Boss“ Helmut Rahn
Vier Jahre später, nach dem Gewinn der Deutschen Meisterschaft 1958 mit Schalke, reiste Klodt erneut mit zu einer WM. Doch in Schweden stand der mittlerweile 31-Jährige einmal mehr im Schatten von „Boss“ Rahn. Klodt spielte nur in der Vorrunde gegen die Tschechoslowakei und Nordirland (jeweils 2:2).
Am Ende belegte das DFB-Team Rang vier. 1959 beendete Klodt seine DFB-Karriere, die Bilanz: 19 A-Länderspiele, drei Tore. Für Königsblau spielte der gebürtige Gelsenkirchener noch bis 1962, ehe er mit fast 36 zurücktrat. Schalkes dritter WM-Teilnehmer nach Fritz Szepan (1934 und 1938) sowie Rudolf Gellesch (1938) verstarb 1996 in seiner Wahlheimat Garmisch-Partenkirchen.