Gelsenkirchen. In der Zweiten Liga landete Schalke 04 vor Werder Bremen. Nun ist S04 im Aufsteigerduell in Bremen krasser Außenseiter. Was ist passiert?

Es gibt immer mal wieder Fußballspiele, über die auch noch ein Jahr später diskutiert wird – das zwischen Werder Bremen und Schalke 04 am 20. November 2021 war so eins. Schalke stand dicht vor einem 1:0-Sieg, als ein unberechtigter Elfmeter in der neunten Minute der Nachspielzeit zum 1:1 führte. Die Wuttiraden der Schalker danach sind unvergessen, die von Torjäger Simon Terodde schaffte es sogar in die Aufstiegs-Dokumentation. Knapp ein Jahr später kommt es erneut zum Aufeinandertreffen in Bremen. Diesmal ist Schalke, anders als noch in der Zweiten Liga, krasser Außenseiter (Samstag, 18.30 Uhr/Sky).

Im Mai beendete Schalke die Zweitliga-Saison als Meister – einen Platz vor Werder. Schalke stellte den Torschützenkönig, Simon Terodde hatte 30 Tore erzielt. Doch was ist in den fünfeinhalb Monaten seitdem passiert? Warum ist Bremen Achter und Schalke Letzter? Warum läuft es so viel besser für Werder?

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Einer, der sich die Entwicklung beider Klubs von außen anschauen konnte, ist Thomas Reis, seit einer Woche Schalke-Trainer. „Bremen konnte einen Großteil der Mannschaft zusammenhalten – und hat es schnell geschafft, sich zu etablieren. Nun spielt Bremen befreit auf und strahlt Ruhe aus. Hier gab es dagegen einen Aderlass, zudem eine lange Verletztenliste im Abwehrbereich“, analysiert Reis.

Enttäuschung: Schalke-Torjäger Simon Terodde nach dem 1:1 in Bremen im November 2021.
Enttäuschung: Schalke-Torjäger Simon Terodde nach dem 1:1 in Bremen im November 2021. © firo

Und der Trainer hat Recht: Die Bremer gaben im Sommer lediglich einen Stammspieler ab – Abwehrchef und Kapitän Ömer Toprak. Schon früh hatten sie starken Ersatz organisiert. Für die Verteidigung holten sie Niklas Stark (Hertha) und Amos Pieper (Bielefeld) – dazu kam fürs Mittelfeld Jens Stage (FC Kopenhagen). Das war’s. So kombinieren sich die Bremer mit sehenswertem Offensivfußball einer eingespielten Mannschaft durch die Bundesliga.

Schalke holte nach dem Aufstieg 14 Neue

Die Gehaltsbudgets beider Teams sind nicht so unterschiedlich – die Schalker trauten ihrer Aufstiegsmannschaft aber weniger zu. Sie bauten den Kader großflächig um – 14 Neue kamen, elf Aufstiegshelden gingen. Eine Tatsache, die auch Stürmer Marius Bülter, einer derjenigen, der bleiben durfte, beschäftigt: „Klar kann man im Nachhinein sagen, dass Bremens Weg der richtige war, weil der Verein Erfolg hat und wir nicht.“ Einige Spieler, die Schalke verlassen haben, würden ihm fehlen, ergänzt Bülter: „Ich vermisse ein paar Spieler aus der Aufstiegsmannschaft. Man muss klar sagen, dass wir Qualität verloren haben.“

Beispielhaft für die unterschiedliche Entwicklung der Klubs sind die Torjäger. Simon Terodde erzielte in den ersten zwölf Saisonspielen gerade einmal zwei Tore, vor einer Woche beim 0:2 gegen den SC Freiburg saß er erstmals in seiner Schalke-Zeit aus Leistungsgründen auf der Bank.

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Niclas Füllkrug hingegen führt mit neun Saisontoren die Torschützenliste an. Diskutierten die Fußball-Experten im Mai noch, ob Terodde für die WM in Katar nominiert werden müsse, ist nun Füllkrug ein ganz heißer Kandidat. Der Stürmer ärgerte auch schon Schalkes Trainer Reis – Anfang September erzielte er beide Tore zum Bremer 2:0-Sieg bei Reis’ Ex-Klub VfL Bochum. „Er hat das Näschen und aktuell auch das nötige Glück, die Tore zu erzielen“, sagt Reis anerkennend.

Schalke-Trainer Reis: "Werder ist nicht unschlagbar"

Haben die Bremer nun besser gearbeitet als Schalke? Vorstand und Aufsichtsrat der Königsblauen ärgern sich über eine solche These. Schalkes Bosse verweisen darauf, dass die Bremer schon ein paar Jahre Abstiegskampf und sogar eine knapp überstandene Relegation hinter sich hatten und ihren Kostenapparat bereits entsprechend angleichen konnten, während Schalkes Aufprall härter und der Umbruch viel größer gewesen sei. Klar ist aber auch: Die Bremer Sportchefs trafen einige bessere Personalentscheidungen - zum Beispiel holten sie Trainer Ole Werner, der besser zu Werder passte als zum Beispiel Dimitrios Grammozis und Frank Kramer zu Schalke.

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Deshalb ist Schalke nun Außenseiter. Unmöglich sei die Aufgabe nicht, sagt Reis: „Werder ist nicht unschlagbar.“ Und er will unbedingt einen Minusrekord vermeiden – gewinnt Schalke nicht, wäre es das 35. Bundesliga-Auswärtsspiel in Folge ohne Sieg. Der letzte Erfolg war am 23. November 2019 ein 2:1 – ausgerechnet in Bremen.