Gelsenkirchen. Aufsteiger Schalke 04 hat am Sonntag seine Mitgliederversammlung abgehalten. Der Aufsichtsrats-Vorsitzende hat die Kultur des Klubs verändert.
Es gab beim FC Schalke 04 schon Versammlungen mit knapp 10.000 Mitgliedern, die neun Stunden oder länger dauerten und mit hitzigen Diskussionen endeten. Am Sonntag sangen rund 4400 Mitglieder schon nach fünfeinhalb Stunden das Abschlusslied „Blau und Weiß, wie lieb’ ich dich“. Schalke hat nach dem Aufstieg in die Fußball-Bundesliga keinen Grund zu streiten. „Die Mitglieder haben ein gutes Gefühl dafür, wann sie kommen müssen. Wenn sie Vertrauen haben, dann glaube ich schon, dass viele sagen: Heute muss ich nicht kommen“, sagte der Vorstands-Vorsitzende Bernd Schröder, als alles vorbei war. Pure Harmonie – emotional wurde es in der Arena diesmal selten.
Schalke 04: Axel Hefer führt neue Kultur ein
Das ist das Werk eines Mannes, der den Aufsichtsrat seit zwölf Monaten anführt: Axel Hefer, 45 Jahre alt, hat eine andere Kultur eingeführt. Und selten wurde das sichtbarer als am Sonntag. Schalke-Versammlungen früher standen für üppiges Rahmenprogramm, da trat schon mal Status Quo auf. Es gab Verkündung von teuren Zugängen und großspurigen Zielen und vor allem eine One-Man-Show des mächtigen Aufsichtsrats-Vorsitzenden Clemens Tönnies. Eine Mitgliederversammlung als Happening.
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Nicht so am Sonntag. Das Rahmenprogramm diesmal: schlicht. Per Satzung ist es Schalke nun untersagt, Mitglieder mit Rabatten wie günstigen Eintrittskarten oder Trikots zur Versammlung zu locken – beschlossen mit großer Mehrheit, wohlwollend von Hefer akzeptiert.
Schalke hat 183,5 Mio. Euro Verbindlichkeiten
Teure Zugänge werden nicht mehr verkündet, großspurige Ziele gehören der Vergangenheit an. 2014 sagte der damalige Sportvorstand Horst Heldt noch: „Wir wollen die Voraussetzungen schaffen für eine neue Deutsche Meisterschaft.“ Acht Jahre später sagte Hefer: „Unser Ziel ist nun zweimal der Klassenerhalt – zweimal 40 Punkte.“ Den Klub plagen 183,5 Millionen Euro Gesamtverbindlichkeiten, Eigenkapital gibt es nicht.
Hefer stellte in seiner nur elfminütigen Rede einen Punkt heraus: „Wir sind wieder ein Team. Auf und neben dem Platz.“ Er redete ruhig, aber bestimmt. Klar im Ausdruck, aber nicht ohne Humor. Keine Brachial-Rhetorik. Der Chef des Reise-Unternehmens Trivago interpretiert seine Rolle als Aufseher – nicht als Klub-König wie noch Tönnies. Die Strategie ließ er lieber Bernd Schröder erklären, den eloquenten Vorstands-Vorsitzenden erlebten viele ja zum ersten Mal.
Hefer setzte lediglich die Leitplanken. Zum Beispiel finanziell: „Wetten auf die Zukunft“, sagte er, „wird es nicht mehr geben.“ Zum Beispiel in der Kommunikation: „Wir kommunizieren nur, wenn wir wirklich etwas zu sagen haben.“ Zum Beispiel in der grundsätzlichen Strategie: „Der Einsatz von Daten wurde flächendeckend eingeführt.“ Wissenschaftliche Basis statt Entscheidungen aus dem Bauch heraus – für Schalke neu.
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Und doch war es den Mitgliedern ein Bedürfnis, mit den Verantwortlichen der Vergangenheit abzurechnen. Den in den Jahren 2019 und 2020 amtierenden Vorständen und Aufsichtsräten wurde die Entlastung verweigert – ein Denkzettel für die Arbeit der Ex-Vorstände Christian Heidel, Alexander Jobst und Peter Peters sowie der früheren Aufsichtsräte, die von Clemens Tönnies und Jens Buchta geführt wurden. Juristische Konsequenzen hat das nicht. Jochen Dohm, Dauer-Vorsitzender des Ehrenrats zu Tönnies-Zeiten, wurde nicht ins Ehrenpräsidium gewählt. Dohm hatte Tönnies’ Entscheidungen nie angezweifelt, dafür aber Kritiker häufig mit Sanktionen belegt – zum Beispiel auch Hefer, der 2016 Änderungen im Aufsichtsrat herbeiführen wollte.
Schalke: Tönnies-Vertrauter scheidet aus
Das größte Lob erhielt Hefer von ungewohnter Stelle. Nach 21 Jahren Vereinsarbeit schied Peter Lange, einst ein enger Vertrauter und sogar Vertreter von Clemens Tönnies, aus dem Aufsichtsrat aus. Auch er stand dafür, dass Oppositionelle wie Hefer bekämpft wurden. „Ich danke dem neuen Aufsichtsrat für einen Wechsel der Kultur in diesem Verein“, sagte Lange aufrichtig. Und er ergänzte: „Nach 21 Aufsichtsräten, in denen ich war, kann ich sagen, dass dieser Aufsichtsrat ganz oben an der Spitze steht.“ Für diese Haltung erhielt Peter Lange Ovationen.
Axel Hefer bedankte sich, blieb ruhig und verschwand nach der Versammlung ganz schnell in den Katakomben. In der üblichen Medienrunde ließ er anderen den Vortritt.