Gelsenkirchen. Der FC Schalke 04 ist zurück in der Fußball-Bundesliga. Vorstandschef Bernd Schröder spricht im Interview über den Aufstieg und die Finanzen.

Stolz präsentiert Bernd Schröder in der Geschäftsstelle des FC Schalke 04 die silberne Schale des Zweitliga-Meisters. „Ganz schön schwer“, sagt er und schwärmt von der vergnügten Rückfahrt mit dem Zug aus Nürnberg, wo sie dem Bundesliga-Aufsteiger nach dem letzten Saisonspiel überreicht worden war. „Trotzdem möchte ich sie nicht noch mal gewinnen“, sagt der 56-jährige Vorstands-Vorsitzende, der mit dem großen Saisonziel Klassenerhalt am Sonntag ab 11.04 Uhr in seine erste Mitgliederversammlung gehen wird.

Herr Schröder, was wissen Sie über die Historie der Mitgliederversammlungen von Schalke 04?

Bernd Schröder: Zu wenig. (grinst) Es gibt so viele Anekdoten, die kann ich gar nicht alle kennen. Ich merke allerdings, dass ganz Schalke ein wenig aufgeregt ist, und ich höre, dass diese Versammlungen sehr beeindruckend sein sollen. Sollte ich noch mal nach Anekdoten schauen?

FC Schalke 04: Bernd Schröder freut sich auf erste JHV

Das könnte sich lohnen. 1994 beispielsweise wurde Helmut Kremers zum Präsidenten gewählt, weil er die Mitglieder mit dem legendären Satz überzeugte, zu seiner Zeit hätte sich die Mannschaft für Spiele gegen Borussia Dortmund gar nicht umgezogen.

Schröder: Sehr schön. (lacht) Ich freue mich tatsächlich auf diese Versammlung, weil da sicher viel vom Schalker Geist und von der Schalker Seele zu spüren sein wird.

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Senkt der Aufstieg das Lampenfieber vor ihrem Debüt?

Schröder: Ich glaube, da macht der Aufstieg keinen Unterschied. An einigen Stellen könnte es aber ein bisschen einfacher werden. Weil es die erste Versammlung ist, weil es eine große Veranstaltung ist.

Schalkes Vorstands-Vorsitzender Bernd Schröder (Mitte) nach dem Interview mit Peter Müller (r.) und Andreas Ernst (l.) - und der Meisterschale der Zweiten Liga.
Schalkes Vorstands-Vorsitzender Bernd Schröder (Mitte) nach dem Interview mit Peter Müller (r.) und Andreas Ernst (l.) - und der Meisterschale der Zweiten Liga.

Sie sind zum Jahresbeginn auf Schalke gestartet und hatten keine Zeit zur Eingewöhnung. Die Trennung von Hauptsponsor Gazprom, der Wechsel zu Vivawest, dann der Trainerwechsel – es ging turbulent zu. Seitdem ist viel Positives passiert. Wie bewerten Sie jetzt Ihr erstes halbes Jahr?

Schröder: In den vergangenen drei Monaten habe ich vor allem die Kraft von Schalke spüren können. Durch die Siegesserie, aber insbesondere durch das gemeinsame Laufen in eine Richtung. Wenn wir unsere Kräfte bündeln, dann können wir unglaublich viel bewegen – und sogar den von vielen nicht mehr für möglich gehaltenen Aufstieg schaffen. Die Trennung von Gazprom dagegen war eine Krise, aber auch in dieser Zeit konnte der Verein die notwendige Kraft aufbringen, um sie zu bewältigen. Durch diese Erfahrungen ist meine Gesamtsicht auf Schalke noch reichhaltiger geworden. Wenn man wie ich von außen dazu stößt, kann man sich vieles vorstellen. Aber das ist nur die Hälfte von dem, was man dann in verantwortungsvoller Position erlebt.

Kurz vor der Mitgliederversammlung hat der Verein noch Frank Kramer als neuen Trainer präsentiert. Waren Sie eng in die Trainersuche eingebunden, oder haben Sie komplett dem Sportvorstand und dem Sportdirektor vertraut?

Schröder: Natürlich haben Peter Knäbel und Rouven Schröder die Hauptverantwortung bei einer Trainersuche. Zugespitzt formuliert: Die beiden reden mir ja auch nicht rein, wenn ich mich um neue Sponsoren kümmere. Unsere Stärke im Team ist, dass jeder seine Aufgaben macht und wir trotzdem abgestimmt agieren. Natürlich bin ich zu jeder Zeit über jeden Schritt von Peter Knäbel informiert. Und wenn ich das Gefühl hätte, er würde in die falsche Richtung laufen, würden wir darüber reden – in so eine Situation geraten wir aufgrund unseres intensiven Austausches allerdings gar nicht. Vor der entscheidenden Trainerverpflichtung gab es natürlich ein Gespräch mit mir, es handelt sich dabei ja um unseren wichtigsten Angestellten. Ich habe ein Vetorecht und könnte das ausüben, wenn ich Defizite im Prozess erkennen würde. Das war nicht der Fall.

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Die Atmosphäre der vergangenen Monate war von Harmonie und Vertrauen geprägt. Erleichtert das Ihre Arbeit?

Schröder: Für mich ist das eine Grundvoraussetzung. Wenn die fehlt, können sie noch so gut arbeiten, dann versickern 40 Prozent ihrer Energie, weil sie sich aufreiben müssen.

Mit welcher Botschaft werden Sie denn vor die Mitglieder treten?

Schröder: Ich könnte natürlich eine intellektuelle Grundsatzrede halten und Charts von 1 bis 100 durchdeklinieren. Aber es geht doch um etwas anderes, gerade weil es mein erster Auftritt auf unserer Mitgliederversammlung ist. Für mich wird es wichtig sein, dass die Menschen mir Vertrauen schenken, die meisten erleben mich dort zum ersten Mal. Dass ich strukturiert und strategisch denken kann, muss ich keinem beweisen.

Schalkes Vorstandstrio mit (v. l.) Peter Knäbel, Christina Rühl-Hamers und Bernd Schröder während der Meisterfeier vor der Arena.
Schalkes Vorstandstrio mit (v. l.) Peter Knäbel, Christina Rühl-Hamers und Bernd Schröder während der Meisterfeier vor der Arena. © firo

Wie wollen Sie das Vertrauen erreichen?

Schröder: Ganz einfach: Indem ich einfach ich selbst bin. Ich werde nicht versuchen, etwas vorzuspielen. Ich werde den Menschen erklären, wie ich arbeite.

Es gibt aber nicht nur gute Nachrichten. Einer der besten Spieler konnte nicht gehalten werden. Trotz des sportlichen Erfolgs hat der Fall Itakura gezeigt: Schalke 04 ist arm wie eine Kirchenmaus.

Schröder: Unser Rucksack an Herausforderungen ist noch immer sehr gut gefüllt. Wir können nicht alles machen.

Glauben Sie, dass das inzwischen auch bei allen Mitgliedern und Anhängern angekommen ist?

Schröder: Nein, bei allen glaube ich nicht, aber bei vielen. Unsere Aufgabe wird es bei der Mitgliederversammlung sein, noch einmal ganz klar zu machen: Nur weil wir jetzt aufgestiegen sind und alle zusammen eine wirklich tolle Zeit erlebt haben, ist die Welt für uns nicht großartig anders geworden. Die Perspektive ist ein bisschen besser geworden, aber wir haben weiterhin den Berg an Verbindlichkeiten, weiterhin die Altlasten. Dass wir einen Itakura nicht halten können, tut mir in der Seele weh, der hat uns als Spieler und als Mensch gutgetan. Aber wir können es uns nicht mehr leisten, Wetten auf die Zukunft einzugehen.

Itakura ist der schmerzhafte Beweis dafür, dass der Vorstand diese Haltung ernst nimmt und Wort hält.

Schröder: Und das ist das Positive an dieser schwierigen Geschichte. Wir haben alle Szenarien durchgespielt in der Hoffnung, dass wir uns den Verbleib dieses Spielers vielleicht doch hätten leisten können. Aber am Ende mussten wir festhalten: Im Moment geht es nicht.

Hat Schalke denn durch den Aufstieg einen spürbaren Imagegewinn erlebt? Kommen Sie mit neuen Sponsoren ins Gespräch?

Schröder: Ja, absolut. Einige melden sich auch bei uns. Ob wir an der einen oder anderen Stelle höhere Preise erzielen können, ist noch offen. Aber es gibt mehr Interesse.

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Vivawest hat gleich zu Anfang nach der Trennung von Gazprom deutlich gesagt, das Engagement als Hauptsponsor sei nicht langfristig angelegt. Nun hat das Unternehmen erklärt, die Bundesliga sei ihm zu teuer. Läuft es auf ein faires Entgegenkommen hinaus, weil Sie Vivawest dankbar dafür sind, in höchster Not überhaupt eingesprungen zu sein?

Schröder: Zwischen Vivawest und uns läuft alles transparent ab, beide Seiten sind zu hundert Prozent zufrieden. Ich persönlich glaube, dass das Engagement von Vivawest ein langfristiges werden wird. Aber auf einer anderen Ebene, nicht auf der höchsten.

Für Sie heißt das: Sie müssen wieder nach einem großen Geldgeber suchen. Das dürfte auch nicht ganz so einfach sein.

Schröder: Ja, das ist richtig. Falls Sie an einen ganz großen Geldgeber wie Gazprom denken, das steht bei uns gar nicht zur Diskussion. Wir unterteilen das früher große Hauptsponsor-Recht. Wir haben die Trikotbrust fürs Fernsehen, wir haben die Trainingskleidung für die Reichweite über die Sozialen Medien, und wir haben unsere Knappenschmiede. Durch diese Aufteilung brauchen wir nicht mehr diesen einen riesengroßen Partner, der alles überstrahlt.

Wäre durch das Dreiermodell die finanzielle Lücke, die Gazprom hinterlassen hat, zu schließen?

Schröder: In unserer Planung gibt es keine Lücke, das ist mir wichtig zu betonen. Ob wir mit den drei Rechtepaketen auf eine ähnliche Summe kommen, das weiß ich erst, wenn alle unterschrieben haben. Meine Vermutung ist: nein, nicht durch die drei, aber durch das, was noch drumherum passiert. Wir haben zum Beispiel alle 72 Logen vermarktet. Wir werden mindestens zehn Prozent mehr Dauerkarten als im Vorjahr verkaufen. Wir gehen auch davon aus, dass wir deutlich mehr Merchandising-Produkte verkaufen werden.

S04-Chef Bernd Schröder zeigt sich gut gelaunt bei der Schalker Meisterfeier.
S04-Chef Bernd Schröder zeigt sich gut gelaunt bei der Schalker Meisterfeier. © firo

Als Aufsteiger droht in der Bundesliga der Abstiegskampf, das wäre nichts Ungewöhnliches. Fürchten Sie, dass die gute Stimmung wieder kippen kann, wenn es mehrere Niederlagen zum Start gibt?

Schröder: Fürchten ist zu viel gesagt. Aber ich weiß natürlich, dass es hier auf Schalke auch in die andere Richtung gehen kann. Gerade dann, wenn ein verlorenes Heimspiel die dritte Niederlage in Serie sein sollte, brauchen wir die Unterstützung. Bei Sonnenschein und Rückenwind kann jeder segeln. Auch bei der Mitgliederversammlung werden wir um ein richtiges Maß bei der Erwartungshaltung bitten. Warum hat der Aufstieg geklappt? Weil in der Schlussphase der Saison ganz besonders die Schalker Werte gelebt wurden. Es geht nur gemeinsam.

Können Sie die externe Unruhe verstehen, weil es mit der Trainerverpflichtung so lange gedauert hat und es noch einige offene Personalfragen im Aufgebot gibt?

Schröder: Das kann ich komplett verstehen. Aber manches braucht seine Zeit. Gras wächst nicht schneller, wenn ich daran ziehe. Wir werden einen für den Abstiegskampf wettbewerbsfähigen Kader haben. Rouven Schröder ist nicht dafür bekannt, dass er nichts tut. Und in dieser Woche haben wir ja bereits einiges umgesetzt.

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Werden Sie bei der Mitgliederversammlung auch mittel- und langfristige Ziele formulieren?

Schröder: Das werde ich nicht tun. Das mag enttäuschend sein, weil natürlich alle wissen wollen, wann wir wieder groß sein und scheinen werden. Aber unsere Aufgabe ist jetzt ganz klar der Klassenerhalt. Natürlich machen wir intern auch eine Fünfjahresplanung, aber es wäre viel zu früh, daraus etwas zu verkünden, das könnte ich nicht verantworten. Dafür ist die Last im Moment noch zu groß.

Wann werden Sie denn all die Spieler-Altlasten abgearbeitet haben? Selbst Sebastian Rudy kostet Schalke 04 noch Geld.

Schröder: Ich glaube, dass wir noch ein Jahr daran arbeiten müssen.

Ärgert Sie das?

Schröder: Nein, es würde mich nur ärgern, wenn es meine Fehler wären. Der aktuelle Vorstand ist zwar eingeschränkt, aber nicht handlungsunfähig.

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Die sportliche Leitung wird unter diesen Bedingungen wie im Vorjahr wieder Spieler holen müssen, die sich als Volltreffer erweisen, weil sie sowohl sportlich als auch menschlich zu Schalke passen.

Schröder: Der zweite Punkt ist extrem wichtig. Das war das Erfolgsgeheimnis der letzten Spiele. Wir haben nicht immer brilliert, aber wir haben gewonnen, weil die Moral stimmte. Deshalb dauert auch der eine oder andere Transfer etwas länger. Wir haben auf manche Spieler verzichtet, weil sie nicht zu Schalke passen würden. Rouven und das Scouting machen einen exzellenten Job.

Wenn Sie mal in die Nachbarschaft schauen: Der VfL Bochum hat als Aufsteiger genau das hinbekommen, was Sie sich jetzt wünschen.

Schröder: In Bochum wurde einfach sehr solide gearbeitet, schon auf dem Weg in die Bundesliga. Da ist langfristig ruhiges Agieren belohnt worden. Das ist auf jeden Fall ein vorbildliches Modell. So wollen wir es auch machen, Schritt für Schritt.

Seit fünfeinhalb Monaten im Amt: Schalkes Vorstands-Vorsitzender Bernd Schröder.
Seit fünfeinhalb Monaten im Amt: Schalkes Vorstands-Vorsitzender Bernd Schröder. © Jakob Studnar / FUNKE Foto Services

Bei einer Mitgliederversammlung geht es immer auch um den Aufsichtsrat. Seit der von Axel Hefer geführt wird, hört und sieht man in der Öffentlichkeit nichts von ihm.

Schröder: Das finde ich wunderbar. Ich höre und sehe vom Aufsichtsrat ganz viel, ich habe oft mehrmals täglich Kontakt zu Axel Hefer. Wir haben im Aufsichtsrat auch mehrere Ausschüsse gebildet, der Sportausschuss ist zum Beispiel ganz nah dran an sämtlichen Transfers, der Miteinanderausschuss schaut auf die Belange der Mitglieder und der Strategieausschuss wirft den Blick in die Zukunft. Und nichts davon ist nach außen gedrungen. Das zeigt unsere Stärke: Wir marschieren in eine Richtung.