Gelsenkirchen. Frank Kramer wird am Dienstag als neuer Trainer von Aufsteiger Schalke 04 vorgestellt. Die Personalie ist eine Überraschung. Eine Analyse.
Nach drei Monaten ist die Suche nach einem Cheftrainer beim Bundesliga-Aufsteiger FC Schalke 04 beendet. Die königsblaue Trainer-Findungskommission wird heute um 14 Uhr aber ein überraschendes Ergebnis ihrer Suche präsentieren: Frank Kramer übernimmt nach Informationen dieser Zeitung den Posten von Mike Büskens. Der 50-Jährige war bis zum 20. April noch Trainer beim späteren Absteiger Arminia Bielefeld. Was den neuen Schalke-Trainer auszeichnet, wieso er bei seinen letzten Stationen Probleme hatte und warum sich S04 für ihn entschieden hat, lesen Sie hier.
Rouven Schröder und Frank Kramer auf Schalke wieder vereint
Die Verpflichtung Kramers hatten die Schalker lange geheim gehalten. Hatten sie zunächst auch mit anderen Kandidaten gesprochen, so rückte Kramer nach seiner Freistellung in Bielefeld auf der internen Liste nach oben. Das lag vor allem an Sportdirektor Rouven Schröder. Der 46-Jährige hatte von März 2013 bis Juni 2014 mit Kramer bei Greuther Fürth zusammengearbeitet. Unter Kramer erreichten die Fürther 2014 die Relegation zur Bundesliga, scheiterten dort aber knapp am Hamburger SV (1:1/0:0). Schröder war in Fürth erst Leiter der Lizenzspieler-Abteilung, später Sportdirektor. Die Wege trennten sich, weil Schröder zu Werder Bremen wechselte. Der Kontakt blieb aber bestehen. Nun kommt es zur erneuten Zusammenarbeit, zumal Kramer ins Schalker Budget passt.
Schröder überzeugte den Schalker Vorstand aber nicht nur aus finanziellen Gründen von der Idee, den Fußball-Fachmann Kramer zu verpflichten. Ganz gleich, wo er bisher arbeitete: Überall bescheinigten Spieler und Verantwortliche Kramer große Fachkenntnis und überragende Fähigkeiten in der Gegneranalyse. Die Spielidee des Trainers ist durchaus offensiv, er bevorzugt spielerische Lösungen; in der Abwehr setzte er bei seinen Stationen auf eine Viererkette. Zudem wichtig für die Schalker: Kramer beherrscht den Umgang mit Jugendspielern.
Neuer Schalke-Trainer Frank Kramer: Länger Jugend- als Profitrainer
Dafür spricht sein Lebenslauf: Er trainierte bisher erst knapp dreieinhalb Jahre im Profibereich. Zunächst in Fürth (März 2013 bis Februar 2015), dann bei Fortuna Düsseldorf (Juli bis November 2015) und zuletzt in Bielefeld (März 2021 bis April 2022). Seine Erfahrungen im Nachwuchs sind umfangreicher: In Fürth und Hoffenheim trainierte er die U23, bei RB Salzburg die U19. Zudem arbeitete er von 2016 bis 2019 beim DFB als U18-, U19- und U20-Bundestrainer. Deshalb kennt er auch Schalke-Kandidat Tom Krauß. Der 21-Jährige soll auf Leihbasis von RB Leipzig kommen.
Doch der ausschlaggebende Grund für die Schalker, auf Kramer zu setzen, war seine Bereitschaft, mit dem bestehenden Schalker Trainerteam zusammenzuarbeiten – andere Kandidaten hatten daran Zweifel geäußert. Aufstiegstrainer Mike Büskens bleibt ebenso als Co-Trainer wie Matthias Kreutzer. Simon Henzler trainiert auch in der kommenden Saison die Torhüter. Gerald Asamoah ist weiterhin der Leiter der Lizenzspieler-Abteilung – ein starkes, eingespieltes Quartett, das im Klub geschätzt wird. Kramer sah das in den Gesprächen aber nicht als Gefahr, er selbst will auf Schalke ein Teamplayer sein.
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Und doch hatte es Gründe, dass Kramer bei keiner seiner drei Profistationen die Zwei-Jahres-Marke erreichte. Experten, die seinen Weg schon lange verfolgen, bezeichnen Kramer als Fußball-Intellektuellen, der zuweilen etwas oberlehrerhaft wirke. Seine Vita erinnert an die des ehemaligen Schalke-Trainers Manuel Baum. Wie Baum stammt Kramer aus Bayern, er wurde geboren in Memmingen und ist verheiratet, hat zwei Kinder und arbeitete als Lehrer – auch als seine Trainer-Karriere bereits begonnen hatte. Er unterrichtete Sport und Englisch an einem Gymnasium, war Dozent für Sport an der Universität Erlangen/Nürnberg. Zu Fürther Zeiten war er lediglich beurlaubt und hatte den Beamten-Status nicht aufgegeben. Obwohl er den Lehrgang zum Fußball-Lehrer 2013 als Jahrgangsbester abgeschlossen hatte, wollte er eine Absicherung, falls er sich als Trainer nicht durchsetzen würde.
Inzwischen ist er in der Branche etabliert – obwohl es ihm auf seinen Stationen zum Beispiel nicht immer gelungen war, sich mit den erfahrenen Führungsspielern zu verstehen. Kramer ist von seiner Spielidee überzeugt – und wenn Fan-Lieblinge oder langjährige Leistungsträger nicht hineinpassen, dann sortiert er sie aus. In Düsseldorf traf es zum Beispiel die verdienten Fortunen Adam Bodzek und Oliver Fink – damit machte er sich in der Mannschaft unbeliebt. Dass er in Bielefeld gehen musste, lag auch an einem missratenen Verhältnis zu den Leitwölfen. Arminia-Sportchef Samir Arabi war gewillt, mit Kramer auch in die Zweite Liga zu gehen – die Mannschaft allerdings nicht mehr. Arabi sprach von „vielen intensiven Gesprächen“, die dem Rauswurf vorausgegangen seien. Auch ein Volksheld bei den Fans war Kramer nie – obwohl er die Arminia zum Klassenerhalt geführt hatte, riefen sie schnell „Kramer raus“.
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Als Arabi Kramer engagiert hatte, klang das noch anders. „Frank ist ein vielschichtiger Trainer mit reichlich Erfahrungen im Profi- und Nachwuchsbereich. Wir sind davon überzeugt, dass er mit seinen fachlichen und analytischen Qualitäten der Trainertyp ist, der zum Arminia-Weg passt und den wir für die nächsten Entwicklungsschritte brauchen“, sagte er im März vergangenen Jahres. So ähnlich dürfte das auch klingen, wenn sich Rouven Schröder heute äußert. Der einstige DFB-Chefausbilder Frank Wormuth sagte über Kramer: „Frank ist einer, der klare Strukturen hat, er ist sehr organisiert und engagiert.“
Nun hat Kramer die Aufgabe, Schalke 04 in die Zukunft zu führen. Das Ziel ist: der Klassenerhalt.