Gelsenkirchen. Werder Bremen und der FC Schalke 04 treffen in der 2. Bundesliga aufeinander. Wie sind beide mit dem Abstieg bis jetzt umgegangen? Eine Analyse
Was haben der FC Schalke 04 und Werder Bremen dem Fußball-Geschichtsbuch für tolle Kapitel beschert – am 6. August 2004 war das Duell der beiden Teams sogar einmal ein Eröffnungsspiel der Bundesliga. Der amtierende Meister Werder traf auf die aufstrebenden, von Jupp Heynckes trainierten Schalker. Doch dann beschädigte ein Bagger in Stadionnähe eine Kabelmuffe – und das Flutlicht fiel für 65 Minuten aus. Das war die verrückteste von vielen wilden Geschichten.
An diesem Samstag kommt noch eine weitere hinzu. Bremen und Schalke treffen erneut aufeinander (20.30 Uhr/Sky und Sport 1), zum 113. Mal in einem Pflichtspiel. Aber zum ersten Mal in der 2. Bundesliga. Zwei Mannschaften, die national und international jahrzehntelang zur Spitze gehörten – auf einmal nur zweitklassig? Daran müssen sich die deutschen Fußballfans noch gewöhnen. Vor dem unvorstellbaren Top-Spiel nehmen wir beide Klubs unter die Lupe: Wie sind sie mit dem Abstieg umgegangen?
Schalke und Werder - das Umfeld
Unter Ausschluss der Öffentlichkeit stiegen die Klubs ab – wegen der Corona-Pandemie blieb es bis zum Ende der Saison 2020/21 bei Geisterspielen. Die schockierten Fans haben die neue Situation akzeptiert – die Veltins-Arena und das Weserstadion sind wieder voll.
Schalke und Werder - die Vereinsführung
Bei beiden Klubs gab es auch bedingt durch den Abstieg gravierende Änderungen. Werders langjähriger Aufsichtsrats-Vorsitzender Marco Bode stellte sich im September nicht zur Wiederwahl, auf Schalke trat Dr. Jens Buchta von seinem Amt als Chef des Gremiums sogar zurück. „Es ist vielleicht ein Eingeständnis, dass meine Rolle nicht unproblematisch war, gerade weil es eben nicht die Rolle eines normalen Aufsichtsratsvorsitzenden war“, sagte Bode, der auch als Spieler für Werder sehr erfolgreich war.
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Die neuen Bosse sollen frischen Wind bringen, sind aber auch schon erfahren. Genau wie Axel Hefer (Schalke) gehörte auch Marco Fuchs (Bremen) dem Aufsichtsrats des Klubs schon zuvor an.
Schalke und Werder - die sportliche Leitung
Als sich der Abstieg abzeichnete, wechselten die Schalker die sportliche Leitung: Jochen Schneider musste Ende Februar gehen, Peter Knäbel übernahm. Knäbel konnte mit seiner Entscheidung, Trainer Christian Gross durch Dimitrios Grammozis zu ersetzen, das Wunder Klassenerhalt nicht bewerkstelligen – für den Abstieg ist er aber nicht verantwortlich. Deshalb konnte er unbelastet die Planungen beginnen und weitgehend geräuschlos rund 70 Personalentscheidungen auf allen Ebenen des Klubs treffen. Die Wichtigste: Knäbel installierte Rouven Schröder als Sportdirektor. Schröder stellte den Kader zusammen und ist vor den TV-Kameras das Gesicht der Königsblauen.
Bei Werder ist das etwas anders: Manager Frank Baumann durfte trotz großer Kritik ebenso bleiben wie Clemens Fritz als sein Assistent. Die Beiden wurden von vielen Fans zu den Hauptschuldigen des Abstiegs gemacht. Dass sie auch den Zweitliga-Kader zusammenstellen durften, sorgt immer noch bei vielen für Unverständnis.
Schalke und Werder - der Trainer
Hier lief es umgekehrt: Schalke hielt an Dimitrios Grammozis trotz des Abstiegs fest. „Er ist ein hervorragender Fachmann“, sagte Peter Knäbel im Sommer. Bei den Fans stieß Knäbel damit nicht auf ungeteilte Zustimmung – und bis heute hat Grammozis nicht nur Freunde unter den zahlreichen Anhängern der Königsblauen. Die Vorwürfe: Der Fußball sei zu uninspiriert, die Taktik zu vorhersehbar, der Erfolg zu sehr von Einzelspielern abhängig, die Auswechslungen oft falsch.
Anders ist das bei Werder: Die Bremer hatten sich vor dem letzten Spieltag der Abstiegssaison von Florian Kohfeldt getrennt, Trainer-Ikone Thomas Schaaf konnte in der letzten Partie den Absturz aber nicht mehr verhindern. Baumann holte danach einen Zweitliga-Experten. Markus Anfang hatte Holstein Kiel auf Platz drei (Saison 2017/18), den 1. FC Köln auf Platz eins (2018/19) und Darmstadt 98 auf Platz sieben (2020/21) geführt. Für den schwachen Start wurde Anfang nicht verantwortlich gemacht. Als es nach Angaben Bremer Medien Ende Oktober in der Mannschaft rumorte, stellte Anfang die Taktik um. Mit Erfolg. Diskussionen um den Trainer gibt es aber immer noch – aktuell vor allem wegen des Verdachts eines Impfbetruges (siehe Bericht im Hauptsport).
Schalke und Werder - die Transferpolitik
Sowohl den Schalkern Knäbel und Schröder als auch Werder-Manager Baumann war klar, dass der Abstieg zu einem großen Umbruch führen würde. Doch sie gingen damit komplett unterschiedlich um. Während die Schalker sofort festlegten, dass sie Spieler, die sie noch verkaufen wollen – zum Beispiel Amine Harit, Ozan Kabak, Omar Mascarell, Matija Nastasic – nicht einsetzen würden, entschied Werder anders. Fünf Spieler kamen in der Anfangsphase der Saison zum Einsatz, verließen Werder aber noch: Josh Sargent (zwei Spiele, jetzt Norwich), Maximilian Eggestein (3, jetzt Freiburg), Johannes Eggestein (1, jetzt Antwerpen), Kevin Möhwald (1, jetzt Union Berlin) und Yuya Osako (2, jetzt Vissel Kobe). Sargent (2) und Maximilian Eggestein (1) trafen sogar.
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Beide Strategien hatten Vor- und Nachteile: Grammozis hatte einen Großteil seiner Wunschelf schon zum Trainingsauftakt beisammen, Werder in den ersten Wochen eine qualitativ stärkere Mannschaft.
Schalke und Werder - die sportliche Strategie
Beide Trainer haben eine bevorzugte Taktik: Grammozis setzt seit dem ersten Training auf ein 3-5-2-System. Anfang bevorzugte zu Beginn eine 4-3-3-Strategie mit Augenmerk auf Ballbesitz. Beide haben einen Stürmer mit Tor-Garantie im Aufgebot – für Schalke stürmt Simon Terodde, für Bremen Marvin Ducksch. Während Grammozis auch in einer sportlichen Krise nicht von seiner Taktik abwich, änderte Anfang nun sein System. „Werder spielt jetzt schneller, vertikaler – und nun mit Dreierkette und zwei Spitzen: Ducksch und Niclas Füllkrug“, warnt Grammozis.
Schalke und Werder - der bisherige Saisonverlauf
Beide Mannschaften sind noch nicht in Tritt gekommen. Schalke steht auf Platz fünf, Bremen auf Rang neun. „Es ist ein Vorteil in der Liga, wenn man eingespielt ist, Automatismen entwickelt hat“, sagt Schalkes Profi Dominick Drexler. Wer aktuell besser ist, zeigt sich heute – wenn in Bremen das nächste Kapitel Fußball-Geschichte geschrieben wird.