Gelsenkirchen. Neue Taktik, umstrittene Auswechslungen: Hat sich Schalke-Trainer Dimitrios Grammozis beim 1:1 gegen Aue in seinen Entscheidungen vertan?
Vor fast genau zwei Monaten begann der FC Schalke 04 mit der Zweitliga-Vorbereitung - seitdem setzte Trainer Dimitrios Grammozis konsequent auf die 3-5-2-Taktik. Er ließ sie in Trainingseinheiten einüben, in allen Testspielen - und in fast unveränderter Ausführung: eine Dreierkette in der Abwehr, die bei gegnerischem Ballbesitz zur Fünferkette wird. In der Offensive mit keinem klassischen Spielmacher, dafür aber mit zwei "Achtern" hinter einem Sturm-Duo. Im Spiel gegen Erzgebirge Aue aber war alles anders - Grammozis setzte auf eine Viererkette. War das der Grund, warum S04 nicht über ein mageres 1:1 (1:0) hinauskam?
Nein, sagt Grammozis. "Auch wenn das Ergebnis nicht gut ist: Ich bin glücklich, dass das Experiment gelungen ist. Über 60 Minuten haben wir den Gegner beherrscht und in der Defensive nichts zugelassen. Die Aufstellung war mehr als gerechtfertigt", sagte er sehr selbstbewusst nach dem Spiel. Zwei Tage lang hatte er mit seinem Team die Viererkette auf dem Platz und im Videostudium eingeübt. Ein so großer Unterschied sei das auch gar nicht. "Die Prinzipien bei Vierer- und Fünferkette sind die gleichen. Du musst genauso Abwehr-Dreiecke bilden, genauso rausstechen und dann abgesichert werden", sagte Grammozis.
Schalke: Grammozis erklärt die Umstellung auf andere Taktik
Doch warum entschied er sich nun für die neue Abwehr-Strategie? Er wollte den Spielaufbau der Gäste entscheidend stören. "Aue baut mit einer Dreierkette auf, die sehr breit steht. Sie spielen mit sehr vielen langen Bällen - und mit unserer Taktik wollten wir erreichen, dass ihr Torwart diese langen Bälle spielt. Denn dann landen die Bälle im Mittelkreis. Hätten wir anders gespielt, wäre einer der Auer Abwehrspieler bis ins Mittelfeld reingedribbelt und hätte einen langen Ball in unser letztes Drittel, in Strafraumnähe, spielen können. Dort steht in Gueye ein Stürmer, der den Ball gut festmachen kann. Das wollten wir verhindern."
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Die Taktik ging zunächst auf. Da sich im Mittelfeld Rodrigo Zalazar, Dominick Drexler und Yaroslav Mikhailov variabel bewegten, kam Schalke zu Tormöglichkeiten und durch Drexler (32.) zum verdienten 1:0. Für Zalazar und Mikhailov gab es beim Startelf-Debüt viel Lob. "Sie haben sich intelligent zwischen den Linien bewegt, konnten dort aufdrehen. Das war genau die richtige Entscheidung", sagte Grammozis.
Doch warum gab Schalke das Spiel ab der 55. Minute aus der Hand? Welche Erklärungen hat Grammozis dafür?
Schalke-Trainer Grammozis: "Einige spät zu uns gekommen"
Die erste ist die simpelste: Schalke versäumte es, in der Phase der Überlegenheit das 2:0 zu schießen. "Wenn wir den Gegner so beherrschen, müssen wir das zweite Tor erzielen. Ich hatte das Gefühl, die Jungs hatten dann Angst, etwas zu verlieren", sagte der Trainer und ergänzte: "So lange es nur 1:0 steht, hat der Gegner immer eine Chance - zum Beispiel durch eine Standardsituation."
Als zweiten Grund nennt Grammozis die noch fehlende Matchpraxis einiger Leistungsträger. "Einige Jungs sind spät zu uns gekommen. Sie sind noch nicht bei 100 Prozent, können deshalb nicht 90 Minuten Gas geben", sagt der Trainer. Er meint Rodrigo Zalazar (Frankfurt), Marius Bülter (Union Berlin) und Dominick Drexler (1. FC Köln), die erst während der Vorbereitung kamen. "Ab der 60., 65. Minute werden sie müde, dann haben wir nicht mehr die Kontrolle", so Grammozis.
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Zalazar, bis dahin bester Schalker Feldspieler, musste schon in der 63. Minute raus - nicht Drexler, der sichtbar nachließ und zudem schon die Gelbe Karte gesehen hatte. Viele Fans waren mit diesem Wechsel nicht einverstanden. "Rodrigo wollte den Ball in den Fuß gespielt haben, er hat weniger die Räume gesucht, um dann selbst in die Tiefe zu laufen - so wie in der ersten Halbzeit", lautete Grammozis' Begründung. Der Trainer gab aber auch zu: "Natürlich hätten wir auch Dominick auswechseln können, aber wir hatten das Gefühl, dass er einen Tick mehr Ballsicherheit bringt. Was die Fitness angeht, hätten wir sogar beide runterholen müssen. Aber das wäre zu viel Qualitätsverlust auf einmal gewesen."
Schalke: Grammozis fordert Steigerung von Abwehr-Trio
Auch die Schwäche auf den Außenpositionen stand für die schwache Schlussphase. Auf der rechten Abwehrseite steht ein Trio für einen Platz bereit - doch Mehmet Can Aydin, Timo Becker und Reinhold Ranftl sind aus verschiedensten Gründen außer Form. Deshalb läuft viel über Thomas Ouwejan auf der linken Seite. "Alle drei auf der rechten Seite müssen sich steigern. Gehen wir nur über Ouwejan, sind wir zu leicht ausrechenbar."
War das Glas nach dem 1:1 gegen Aue nun halbvoll oder halbleer? Bei Grammozis überwogen eindeutig die positiven Erkenntnisse.