Gelsenkirchen. Für viele Spieler aus der aktuellen Mannschaft ist Schalke die Chance ihres Lebens: Dafür geben sie alles, und das ist ein großer Unterschied.

Vor acht Jahren hatte Marius Bülter (damals 20) schon einmal ein Angebot von Schalke 04: Er lehnte ab und setzte lieber auf sein Maschinenbau-Studium – das schien doch der bessere Karriere-Weg zu sein. Bülter, der aus der Nähe von Ibbenbüren stammt und im Amateurbereich kickte, sollte auf Schalke in der zweiten Mannschaft spielen. Bei den Profis gab es auf seinen Positionen in der Offensive Spieler wie Julian Draxler oder Klaas-Jan Huntelaar. Dass er später doch noch einmal auf Schalke landen sollte, schien realitätsfern.

Auch Simon Terodde konnte nicht unbedingt damit rechnen, im Herbst seiner Karriere noch einmal für Schalke 04 zu spielen – jenen Klub, den er als gebürtiger Bocholter immer schon etwas näher verfolgt hatte. Seit seiner Zeit beim VfL Bochum (ab 2014) schießt der Mittelstürmer Tore am Fließband, aber für Schalke war er in dieser Zeit nie interessant. Als Terodde 2016 von Bochum nach Stuttgart wechselte (Ablöse drei Millionen Euro), holte Schalke für den Sturm gerade Breel Embolo (Ablöse deutlich mehr als 20 Millionen Euro).

Spieler, die für Schalke vor dem Crash nicht in Frage kamen

Marius Bülter (heute 28) und Simon Terodde (33) sind nur zwei Bespiele, die Liste lässt sich ohne Weiteres verlängern mit Victor Palsson (30), Marcin Kaminski (29) oder auch dem aktuell verletzten S04-Rückkehrer Danny Latza (31): Schalke findet gerade wieder festen Boden unter den Füßen mit Spielern, die für die Königsblauen vor dem großen (Abstiegs-) Crash nicht in Frage kamen. Die Mannschaft stabilisiert sich, sie wächst zusammen. Ob sie am Ende gut genug sein wird, um Schalke wirklich wieder nach oben zu bringen, kann man jetzt noch nicht absehen. Was sich aber beobachten lässt: Diese Mannschaft kämpft mit Herz und Hingabe um ihre Chance.

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Die Chance des Lebens

Für die meisten Spieler, die Peter Knäbel (Sportvorstand), Rouven Schröder (Sportdirektor) und Dimitrios Grammozis (Cheftrainer) in diesem Jahr gemeinsam geholt haben, ist Schalke mehr als nur irgendeine x-beliebige Karriere-Station. Sie wittern die Chance ihres Lebens: Dabei zu sein, wenn sich so ein großer Verein wieder aufrappelt. Eine Chance, mit der sie nicht rechnen konnten.

So schwärmt Bülter von Schalke

Marius Bülter hat den Reiz, den Schalke ausübt, nach seinem Wechsel von Union Berlin zu S04 einmal so beschrieben: „Eigentlich hatte ich gar nicht vor, Union zu verlassen. Aber als die Anfrage von Schalke kam, war ich sofort Feuer und Flamme. Dieser Verein hat einfach etwas an sich, das dich packt. Ich habe Bock auf die Aufgabe und möchte mit anpacken.“ Dafür gibt der Angreifer viel: In den ersten drei Pflichtspielen dieser Saison hat er schon drei Tore erzielt. Eines beim 3:0-Sieg in Kiel und jetzt zwei im DFB-Pokal in Villingen (4:1).

Schalkes Mannschaft mag zwar in diesem Jahr nicht mit so viel Talent gesegnet sein wie in der vergangenen Dekade, als das Selbstverständnis des Klubs zumindest bis zur Saison 2018/19 die Champions League war. Entsprechend wurden die Spieler damals ausgesucht: Viele kamen nach Schalke, um hier „den nächsten Karriere-Schritt“ zu machen – eine Ausdrucksweise, die schon ein Ich-bezogenes Denken verrät. Schalke hatte gute Fußballer, von denen sich einige aber wie Diven gaben – es fehlte der Teamgedanke. Die heutige Zweitliga-Mannschaft kann sich das gar nicht leisten: Man gewinnt den Eindruck, dass die Spieler zumindest bisher total an einem Strang ziehen.

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Man muss sich nur ansehen, „wie wir die Tore feiern“

Simon Terodde hat das schon an einem Beispiel festgemacht: Man müsse sich doch nur ansehen, „wie wir die Tore feiern.“ Das Bild dazu wurde beim Pokalspiel in Villingen geliefert, als Rodrigo Zalazar nach seinem Premieren-Tor auf den Zaun kletterte und die Kollegen zum Gratulieren herbei eilten. „Der gemeinsame Jubel danach mit den Fans hat mich sehr glücklich gemacht“, berichtete Zalazar später.

Am Freitag (18.30 Uhr/ Sky) spielt Schalke in der Arena gegen Erzgebirge Aue. Warum sich alle so sehr darauf freuen, erklärt eine Episode aus dem Leben von Marius Bülter. Nachdem der mit Union Berlin noch vor Beginn der Corona-Pandemie einmal an einem Freitagabend auf Schalke antreten durfte, sagte er trotz der 1:2-Niederlage seiner damaligen Mannschaft: „Das war das geilste Auswärtsspiel, das ich jemals erlebt habe.“

Jetzt spielt er selbst hier.