Mittersill. Seit fast drei Wochen ist das Zweitliga-Aufgebot von Schalke 04 zusammen - Trainer Dimitrios Grammozis hat die Profis bisher nicht geschont.
Das Panorama ist auch beim fünften Aufenthalt seit 2016 beeindruckend: Hoch über dem 5000-Einwohner-Dörfchen Mittersill, in einem Schloss mitten in den Kitzbüheler Alpen, liegt für zwölf Tage die Heimat der Profis des FC Schalke 04. Und doch ist diesmal im Trainingslager vieles anders: Schalke kommt nicht als Erst-, sondern als Zweitligist. Wegen der Corona-Pandemie sind nicht mehr als 1000, sondern nur knapp 150 Fans mitgereist. Und auch das Wetter passte an den ersten Tage in Österreich zur Lage des Vereins: Dauerregen, elf Grad, keine Sonne.
Auch interessant
Trainer Dimitrios Grammozis ließ sich davon nicht beeindrucken. Vom ersten Moment in Mittersill zeigte er sich ehrgeizig und motiviert. Vor der ersten Einheit direkt nach der Ankunft führte sein erster Weg zu den mitgereisten Fans, er fand ebenso freundliche Worte wie in einem Fan-Talk nach der zweiten Einheit. "Wir machen das für Euch", sagte Grammozis. So sympathisch das auch wirkte, auf dem Platz zeigte er, wie unbarmherzig er sein kann.
Am Donnerstag bat er zu zwei Trainingseinheiten - beide dauerten weit über zwei Stunden. Insgesamt viereinhalb Stunden intensives Training - am Ende sanken fast alle Spieler auf den Boden, streckten alle Viere von sich. Die Trainingsinhalte sind vielfältig: Zusätzlich zum ausführlichen Athletiktraining unter dem neuen Chef Jörn Menger (kam vom VfL Bochum) setzte Grammozis auf mehrere Spielformen - zum Beispiel 5 gegen 5 oder 6 gegen 6 in einer Spielhälfte. Oder aber Defensive gegen Offensive, um schnelles Umschalten auf der einen und das Beibehalten einer Restverteidigung auf der anderen Seite zu üben. Auch ein 45-minütiges Trainingsspiel war schon dabei. Immer wieder unterbrach Grammozis lautstark die Übungen, achtete auf Details, gab wenige Anweisungen auf Englisch.
Auch interessant
Doch nicht erst in Mittersill quälte Grammozis seine Spieler. Schon das erste Trainingscamp, das am 18. und 19. Juni nach Billerbeck führte, war hart - da ging es um die Grundlagenausdauer. Am ersten Tag mussten die Spieler 4 x 2000 Meter und 5 x 2000 Meter laufen, am zweiten dann 12 x 1000 Meter - 30 Kilometer an zwei Tagen. Die Botschaft ist klar: In der vergangenen Saison ließ Schalke in nahezu jedem Spiel spätestens ab der 70. Minute spürbar nach. Das soll in der physisch fordernden 2. Bundesliga nicht passieren.
Im Hotel wagt Grammozis einen schwierigen Spagat. Die acht Zugänge im Team sorgen für Aufbruchstimmung, für Intensität auf dem Platz, sie sollen das „neue“ Schalke verkörpern, das den Wiederaufstieg anpeilt. Doch auch einige Top-Verdiener aus der Abstiegssaison sind noch da. Vor allem Matija Nastasic, Omar Mascarell, Hamza Mendyl und Amine Harit sollen Schalke unbedingt verlassen, da sie im Mini-Budget für die 2. Bundesliga mit ihrem Maxi-Gehalt noch einen großen Teil blockieren.
Schalke-Sportchef Schröder spricht mit Harit
Grammozis hat sich gegen zwei Trainingsgruppen entschieden. Er baut alle Spieler, wenn sie fit sind, in die Übungen ein, als wären sie feste Kandidaten für den Saisonstart. Doch ganz so einfach ist das nicht. Wie zum Beispiel mit Harit. Schon am Tag der Anreise musste er zum Zahnarzt, auf dem Platz hat er noch keine Einheit absolviert. Am Rande des Platzes führte er ein langes Gespräch mit Sportdirektor Rouven Schröder. „Die Situation beschäftigt ihn“, erzählte Schröder. „Amine ist ein Spieler, der Zuneigung braucht. Für uns ist es wichtig, ihn abzuholen, ihm zu sagen: Du wirst zu 100 Prozent akzeptiert und wertgeschätzt. Du bist ein Teil von uns und wir werden dich begleiten.“
Auch interessant
Das klingt sehr harmonisch – ist es aber nicht. Noch mal für Schalke auflaufen wird Harit wahrscheinlich nicht, selbst wenn er noch unter Vertrag stehen sollte, wenn die Königsblauen zum Ligastart (23. Juli, 20.30 Uhr/Sat.1) auf den Hamburger SV treffen. „Die Einsatzchancen von Amine gegen den HSV sind sehr gering“, sagte Schröder.
Schalke: Terodde macht auf sich aufmerksam
Bei vielen Neuen sind das ganz anders aus. Einige machen besonders auf sich aufmerksam. Danny Latza, der ablösefrei von Mainz 05 zurückgekehrt ist, marschiert vorneweg, er gilt intern als großer Favorit auf das Amt des Kapitäns. Stürmer Simon Terodde (HSV) traf nicht nur in beiden Testspielen gegen die Sechstligisten Wesel-Lackhausen (8:0) und Hamborn 07 (14:0) je dreimal – auch im Training schießt er nur selten daneben. Das ist beeindruckend. Auch unbekanntere Zugänge wie Rechtsverteidiger Reinhold Ranftl (Linzer ASK) sammeln Sympathiepunkte und sind recht forsch in ihren Ankündigungen: „Ich werde versuchen, viele Bälle auf Terodde zu bringen, um ihm zu helfen, dass er vielleicht Torschützenkönig wird. Mit zehn Vorlagen wäre ich zufrieden.“ Marvin Pieringer (SC Freiburg) hat bisher nicht festgestellt, dass Schalke noch das Abstiegsjahr abschütteln muss: „Von Frust ist hier wenig zu spüren.“
Ein Satz, den Grammozis gern hören wird. Und freuen darf er sich auch: Schon ab Freitag wird das Wetter in den Bergen wieder besser.