Gelsenkirchen. Schalke musste die digitale Mitgliederversammlung abbrechen - ein Fiasko. Der Aufsichtsrats-Vorsitzende Jens Buchta verteidigte das Vorgehen.
Eric Klaeske ließ sich die gute Laune nicht verderben. Es war längst klar, dass die mit Spannung erwartete virtuelle Mitgliederversammlung wegen technischer Pannen abgebrochen werden muss, da wurde das Mitglied des FC Schake 04 während der Aussprache zugeschaltet. Er saß im Swimming Pool, während Schalke baden ging.
Diese virtuelle Mitgliederversammlung war ein Experiment. Monatelang hatten sich die Königsblauen vorbereitet, viele Abteilungen der Geschäftsstelle seit Wochen kein anderes Thema. 7500 Mitglieder waren digital zugeschaltet, auch aus der Kanada und der Schweiz, als um 9.04 Uhr am Sonntag die Sitzung begann. Und zu Beginn war sie sehr harmonisch: Buchta gratulierte Aufsichtsrats-Mitglied Matthias Rüter zum 44. Geburtstag.
Schalke-Chef Buchta unterbricht schnell zum ersten Mal
Der Aufsichtsrat, die Vorstandsmitglieder und diverse Bewerber für die unterschiedlichen Posten saßen in der Arena. Und was so modern begann, wurde schon nach einer Viertelstunde zu einer Lachnummer. Buchta bat zu einer Probeabstimmung – doch bei den meisten Mitgliedern öffnete sich auf ihrem Computer oder Smartphone das Abstimmungsfenster nicht. Buchta schaltete sich ein: „Bei einigen funktioniert es wunderbar, bei anderen nicht.“ Buchta unterbrach die Sitzung; erst für fünf Minuten, dann für länger.
Die Mitglieder bekamen zur Überbrückung Musik zu hören, die an laue Sommernächte auf Ibiza oder eine Gartenparty mit Gegrilltem und Cocktails erinnerte. So lauschten sie „The Girl from Ipanema“ in einer Lounge-Version statt den Berichten der Vorstandsmitglieder. Oder hörten „I’m easy like sunday morning“ statt königsblauer Stimmungsmusik.
Nach einer Unterbrechung von 70 Minuten ergriff Schalkes Digital-Direktor Ashkan Maleki das Wort, erklärte: „Nicht alle Mitglieder haben die digitalen Abstimmungsbücher übermittelt bekommen.“ Deshalb könnte einige abstimmen, andere nicht. Nach Informationen dieser Zeitung waren die Kapazitäten unterdimensioniert. Die Schalker gaben an, an dem Problem zu arbeiten und zogen die Berichte der Vorstandsmitglieder Alexander Jobst, Christina Rühl-Hamers und Peter Knäbel sowie des Aufsichtsrats-Vorsitzenden Jens Buchta und Jochen Dohm aus dem Ehrenrat vor.
Emotionale Rede von Schalke-Vorstand Jobst
Jobst, der am 30. Juni auf eigenen Wunsch ausscheidet, hielt eine emotionale letzte Rede. „Wir sind am Tiefpunkt. Aber ich bin sicher, dass Schalke wieder aufstehen kann. Schalke muss aufhören zu streiten“, sagte Jobst. Rühl-Hamers und Knäbel sprachen erstmals zu den Mitgliedern – ruhig, besonnen, sachlich, in wenigen Sätzen auch emotional. „Jeder Spieler, der bleibt, muss zeigen, dass er verstanden hat, worum es geht: die sportliche Würde, den Respekt für unsere königsblauen Farben, zurückzugewinnen“, sagte Knäbel. Buchta sprach über die Fehler des Aufsichtsrats, Dohm über die Sitzung des Ehrenrats, auf der Ex-Klubchef Clemens Tönnies wegen rassistischer Äußerungen sanktioniert wurde.
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Nachdem Dohm gesprochen hatte, bat Buchta, ein weiteres Mal die Technik zu testen. Auf den Bildschirmen der Mitglieder tat sich: nichts. Inzwischen waren die meisten wütend und mochten sich nicht mehr über die Musik lustig machen. Um 12.46 Uhr sagte Buchta schließlich zerknirscht: „Die Abstimmungen und Wahlen müssen rechtlich unanfechtbar sein. Diesen Zustand können wir heute nicht herstellen.“
Zweieinhalb Stunden stellten sich alle den Fragen der Mitglieder – die sich nicht nur aus dem Pool meldeten. Doch wie geht es nun weiter? „Wir haben den Versuch gewagt, wissend um die erheblichen technischen Herausforderungen. Ich halte das nach wie vor für die richtige Entscheidung“, sagte Buchta. Nun werde das weitere Vorgehen geprüft. Buchta, der sich unmittelbar nach der Versammlung aus dem Gremium zurückziehen wollte, bleibt nun bis auf Weiteres im Amt. Dass Schalke nun eine Präsenz-Veranstaltung anstrebt, da die Lockerungen der Corona-Regeln dies wohl bald erlauben, dürfte klar sein. Da aber Fristen eingehalten werden müssen, liegt der neue Termin wohl eher im Herbst statt im Sommer.
Ein abermals historischer Tag der Vereinsgeschichte ging ohne Ergebnis zu Ende – das musste auch Eurofighter Youri Mulder (52), vor fünf Wochen kooptiertes Mitglied des Aufsichtsrats, bei seiner ersten Versammlung als Funktionär miterleben. Auch Mulder hatte den Humor aber nicht verloren. Ein Mitglied hatte scherzhaft gefragt, ob er bald auch wieder stürmen würde. Der Niederländer antwortete mit einem Lächeln im Gesicht: „Gute Idee. Ich werde ins Training gehen.“