Gelsenkirchen. Nach dem Rückzug von Jens Buchta sucht Schalke einen neuen Vorsitzenden des Aufsichtsrats. Wir stellen die Favoriten auf diesen Posten vor.

Der Tag der Entscheidung rückt beim FC Schalke 04 näher: Am Sonntag sortieren die Königsblauen bei der Mitgliederversammlung ihre Gremien neu - vom Aufsichts- und Ehrenrat bis zum Wahlausschuss. Und direkt nach Abschluss der Versammlung wird in der konstituierenden Sitzung des Aufsichtsrats die wichtigste Frage geklärt: Wer wird nach dem Rückzug von Jens Buchta der neue Vorsitzende und damit Schalkes stärkster Mann?

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Möglich ist alles: Selbst der soeben kooptierte Youri Mulder (51) könnte gewählt werden. Aus Vereinskreisen ist aber zu hören, dass sich zwei Kandidaten besonders große Hoffnungen machen: Buchtas Stellvertreter Peter Lange (65) und Aufsichtsratsmitglied Axel Hefer (44). Lange hat einen Vorteil: Sein Mandat gilt noch bis 2022, Hefer müsste erst von den Mitgliedern wiedergewählt werden. Fünf Plätze sind zu vergeben, zehn Bewerber gibt es. Hefer gehört zwar dem aktuellen Rat an - allerdings erst seit wenigen Monaten. Er war für den zurückgetretenen Stefan Gesenhues nachgerückt. Verantwortung am sportlichen und finanziellen Niedergang trägt er nicht.

Doch wer sind diese beiden?

Der 65-jährige Lange ist nach Buchtas Rückzug der Erfahrenste im Aufsichtsrat. Er hat als Geschäftsführer und Generaldirektor verschiedener Firmen seit Jahrzehnten Führungserfahrung. Bereits seit 2013 gehört er Schalkes höchstem Gremium an, kennt alle Abläufe - und nicht nur das. Als er gewählt wurde, hatte er gerade ein Jahr Pause hinter sich. Schalkes Mitglieder hatten Lange 2012 kurzzeitig abgewählt. Dass er noch einmal antreten durfte, war seinerzeit eine umstrittene Entscheidung und vor allem dem Zuspruch des damals allmächtigen Aufsichtsrats-Vorsitzenden Clemens Tönnies zu verdanken. Lange und Buchta arbeiteten lange eng mit Tönnies zusammen. Zwischenzeitlich bildete Lange gemeinsam mit Tönnies den sogenannten "Eilausschuss" und segnete wichtige Personalentscheidungen mit ab.

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Lange repräsentiert ohne Zweifel das "alte Schalke" und stünde nicht für eine Revolution. Allerdings würde Lange auch eigene Akzente setzen. Eine Änderung der Rechtsform ist mit ihm nicht drin. In einem Fragebogen der "Ultras Gelsenkirchen" (UGE) hatte er vor seiner letzten Wahl 2019 über eine mögliche Ausgliederung gesagt: "Ich persönlich habe mich in dieser Hinsicht längst entschieden. Sollte, unter welchen Bedingungen auch immer, der e.V. zu Grabe getragen werden, wäre das mein letzter Tag als Schalker Aufsichtsrat."

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Axel Hefer, 44 Jahre alt, ist der Gegenentwurf zu Lange. Beide eint, dass sie von Schalkes Mitgliedern schon einmal aus dem Rat gewählt wurden. Hefer galt von 2014 bis 2017 als "Rebell", weil er sich offen gegen Clemens Tönnies und dessen Art, den Klub zu führen, gestellt hatte. Das führte 2015 zu einer dreimonatigen Suspendierung, gegen die sich Hefer gerichtlich wehrte.

Der Konflikt wurde aber nicht nur deshalb öffentlich. Er eskalierte 2016, als Tönnies zur Wahl stand. In einem Brief an den Klub-Chef hatten Hefer und seine Kollegen Andreas Horn und Thomas Wiese Ende April 2016 geschrieben: „Sie machen etwas, das Sie nicht können, und schaden damit unserem Verein. (...) Sie zerstören das von der Vereinssatzung gut austarierte System der Kompetenzverteilung zwischen Vorstand und Aufsichtsrat. Konkret ist es für unseren Verein in vielfältiger Weise nachteilig, wenn Sie per SMS Spieler suspendieren (lassen), Transferentscheidungen treffen oder über die Einstellung und Entlassung von Trainern entscheiden. Wenn Ihre Pläne dann auch noch wegen Ihrer fehlenden Distanz zur Boulevardpresse vorzeitig öffentlich werden, kommen Transfers nicht zustande, kosten mehr oder verteuern Verhandlungen über Vertragsauflösungen erheblich.“ Sieben andere Mitglieder des Aufsichtsrates forderten den Rücktritt des Trios um Hefer - es waren sehr turbulente Zeiten.

Hefers Schalke-Zeit endete 2017 nach drei Jahren

Auf Schalke gab es dank sportlicher Erfolge und Tönnies' rhetorischer Allmacht keine Wechselstimmung. Der Fleisch-Unternehmer wurde trotz der Kritik mit großer Mehrheit wiedergewählt. Hefers Zeit endete 2017, er bekam nicht mehr genügend Stimmen. Tönnies hatte zuvor von einem "Klima des Misstrauens" im Aufsichtsrat gesprochen.

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Von Schalke zog sich Hefer aber nicht zurück. Nach Informationen dieser Zeitung hatte er regelmäßig Kontakt zur Gruppe "Tradition & Zukunft", die Gespräche mit Ralf Rangnick über ein Engagement aufgenommen hatte, ohne den Klub zu informieren. Am 12. März ging die Gruppe damit an die Öffentlichkeit. Hefer war zu dieser Zeit lediglich ein Bewerber für ein Aufsichtsrats-Mandat, hatte kein offizielles Amt. Über die Rangnick-Pläne war er informiert, er hielt sich aber stets im Hintergrund, wurde nie als Mitglied genannt.

Im April 2021 kehrte Hefer dann ins Gremium zurück - öffentliche Äußerungen von ihm waren seitdem rar. Im Gegensatz zu anderen Bewerbern stand er im Vorfeld der Mitgliederversammlung für diese Zeitung auch nicht für ein Interview zur Verfügung. Hefer gilt als kluger Kopf, rhetorisch begabt, als begnadeter Netzwerker. Er arbeitet als Geschäftsführer der Hotel-Suchmaschine Trivago. Zu Schalker Fan-Gruppierungen unterhält Hefer beste Kontakte. Eine leitende Funktion in einem Profiklub hatte er aber noch nie - Trivago war unter Hefers Regie kurzzeitig Hauptsponsor des VfL Bochum.

Schalke: Hefer hat klare Vorstellungen

Seine Vorstellungen hat er klar formuliert: Wenn es nach Hefer geht, sollten zum Beispiel die Aufgaben von Vorstand und Aufsichtsrat stärker getrennt werden. "Durch die sehr niedrige Zustimmungspflicht des Aufsichtsrats (Rechtsgeschäfte ab 500.000 Euro) wird der Aufsichtsrat zu sehr in operative Fragen eingebunden", schrieb Hefer im Fragebogen der Ultras. Auch er ist ein Freund des eingetragenen Vereins: "Schalke hebt sich von anderen Fußballunternehmen in Europa vor allem durch zwei wesentliche Eigenschaften ab: 1. leidenschaftliche Fans und 2. die Tatsache, dass wir noch ein eingetragener Verein sind und nicht durch die Interessen von Milliardären oder Investoren beeinflusst werden. Diese Alleinstellungsmerkmale im Vergleich zu anderen großen Fußballunternehmen sollten wir nicht leichtfertig aufgeben."

Ein langjähriger Tönnies-Vertrauter oder ein erbitterter Tönnies-Gegner? Eine interessante Wahl.

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Wer sich auch immer im Aufsichtsrat um den Vorsitz bewirbt - fünf Ja-Stimmen genügen. Wenn sich die Kandidaten selbst wählen, müssten sie nur vier Kollegen von sich überzeugen. Das liegt daran, dass lediglich acht Mitglieder des Aufsichtsrats bei der konstituierenden Sitzung stimmberechtigt sein werden - zusätzlich zu den fünf Gewählten Peter Lange, Heiner Tümmers (Vertreter der Fan-Abteilung) und Matthias Warnig (kooptiert als Vertreter des Hauptsponsors Gazprom). Eurofighter Youri Mulder, der am 5. Mai kooptiert wurde, dürfte zwar gewählt werden, aber nicht selbst abstimmen. "Diese Mitglieder des Aufsichtsrates sind erst nach drei Monaten Zugehörigkeit zum Gremium stimmberechtigt", heißt es in der Satzung über die Kooptierten.

Zwei Plätze sind ohnehin noch vakant. Der Sportbeirat muss noch einen Nachfolger für Buchta suchen - ein Kandidat ist der langjährige Nachwuchschef Bodo Menze. Auch für Ulrich Köllmann, der als kooptiertes Mitglied im März zurückgetreten war, gibt es noch keinen Nachfolger.

Wer führt Schalke künftig? Am Sonntag gibt es die wichtigsten Entscheidungen - aber längst nicht alle.