Gelsenkirchen. Schalke 04 sucht einen neuen Aufsichtsrats-Vorsitzenden. Jens Buchta wird am Sonntagabend zurücktreten - nach der Mitgliederversammlung..
Überraschend kam die Nachricht nicht, aber drei Tage vor der Mitgliederversammlung doch etwas plötzlich: Gestern um 18 Uhr verkündete der FC Schalke 04, dass der Aufsichtsrats-Vorsitzende Dr. Jens Buchta im Anschluss an die Versammlung am Sonntag zurücktreten wird – nicht nur als Vorsitzender. Er wird das Gremium ganz verlassen. „Ich durfte Schalke viele Jahre im Aufsichtsrat in verschiedenen Funktionen dienen. Diese Zeit möchte ich nicht missen. Ich bin der Ansicht, dass jetzt Andere Verantwortung übernehmen und die Weiterentwicklung des Vereins vorantreiben wollen.“
Schalkes Mitglieder tagen am Sonntag
Vor fast genau einem Jahr hatte Buchta am 30. Juni 2020 den Vorsitz vom zurückgetretenen Clemens Tönnies übernommen – mitten in einer sehr großen sportlichen und finanziellen Krise. Buchta musste viele Entscheidungen treffen, viele misslangen – Schalke stieg ab und spielt künftig in der 2. Bundesliga. Nach 15 Jahren im Aufsichtsrat sagt der 58-Jährige nun: „Natürlich habe ich auch Fehler gemacht. Aber ich habe immer das Wohl des Vereins im Auge gehabt.“
Buchtas letzte Amtshandlung wird die Leitung der Mitgliederversammlung sein. Eine Versammlung, die diesmal komplizierter wird als je zuvor – und durch Buchtas Rücktritt noch brisanter. Die Mitglieder treffen sich nicht in der Arena, sondern digital. Aufgearbeitet werden zwei Desaster-Jahre, ein langer Tag der Abrechnung steht bevor.
„Bis 23.59 Uhr müssen alle Beschlüsse gefasst sein“, sagt Sebastian Buntkirchen, bei den Königsblauen Direktor für Vereinsangelegenheiten – und er meint das nicht einmal witzig. Ab 9.04 Uhr wird sich der Klub komplett neu aufstellen.
Im Aufsichtsrat sind fünf Plätze neu zu vergeben – aber nicht Buchtas Platz. Der Jurist war vom Sportbeirat entsandt – in diesem sitzen die Vorsitzenden der einzelnen Abteilungen. Der Beirat hat noch nicht festgelegt, wie er Buchtas Nachfolge regelt. Doch nicht nur im Aufsichtsrat gibt es freie Plätze. Im Wahlausschuss, der jährlich die Bewerber für den Aufsichtsrat auswählt, stehen vier Mandate zur Wahl. Der Ehrenrat, der über Verfehlungen von Mitgliedern entscheidet, wird komplett neu besetzt.
Schalke steht vor einer großen technischen Herausforderung
Schon seit Wochen bereiten sich viele Mitglieder der Geschäftsstelle auf das Ereignis vor. Allein die technischen Herausforderungen sind riesig. Die Protagonisten treffen sich zwar in der Arena, die Mitglieder aber sitzen vor ihrem Computer, Tablet oder Smartphone – sie konnten sich in den vergangenen Tagen online registrieren.
Ashkan Maleki, Direktor Digital, musste sicherstellen, dass sich theoretisch alle 125.000 stimmberechtigten Mitglieder zuschalten können. Wie viele sich bisher registriert haben, verrieten die Schalker nicht – lediglich, dass die Zahl in der Größenordnung der Präsenzveranstaltungen der vergangenen Jahre liegt – das wären zwischen 6000 und 10.000 Teilnehmer. Ob während der Sitzung alle die Contenance bewahren, ist deshalb nur eine große Frage am Sonntag – ob die Technik hält, ist die andere.
Doch wohin steuert das Vereinsschiff nun? Zuletzt hatte der Aufsichtsrat elf Mitglieder – fast die Hälfte könnte mit neuen Kandidaten besetzt werden, falls es keine Wiederwahl gibt. Neu ist bereits Eurofighter Youri Mulder (52), der vor wenigen Wochen kooptiert wurde. Einen natürlichen Nachfolge-Kandidaten gibt es nicht. Buchtas Vertreter Peter Lange (66), dessen Mandat bis 2022 gilt, ist der erfahrenste im Gremium. „Seine juristische und wirtschaftliche Kompetenz sowie seine Besonnenheit auch in schwierigen Zeiten werden dem Aufsichtsrat fehlen“, sagte Lange. Über sich selbst sagte Lange aber nichts. Ambitionen werden nach Informationen dieser Zeitung Axel Hefer (44) nachgesagt, dem Chef der Hotel-Suchmaschine Trivago. Hefer müsste erst einmal wiedergewählt werden.
Viele Fragen für die Schalke-Mitglieder
Auch über die Wahlen hinaus sind die Themen der Mitglieder vielfältig: Wie konnte es zum Abstieg kommen? Wie existenzbedrohend ist die finanzielle Lage? Wie konnte es zu zahlreichen Kommunikationspannen kommen? Wann kommt die Ausgliederung? Muss die E-Sport-Lizenz verkauft werden? Und, und, und. „Wir wissen, dass es möglicherweise lang und anstrengend wird“, sagt Buntkirchen. Es könnte wirklich bis 23.59 Uhr dauern.