Magdeburg. WAZ-Interview mit André Kilian (34), der die U-19-Mannschaft des FC Schalke 04 vor 15 Jahren als Kapitän zur Deutschen Meisterschaft geführt hat.
Es ist Sonntagmittag im Stadion Lüttinghof in Hassel, als die Sonne scheint und Schiedsrichter Peter Gagelmann vor 6528 Zuschauern abpfeift: Der Triumph ist perfekt, die A-Junioren des FC Schalke 04 sind nach ihrem 2:1-Erfolg über den FC Bayern München Deutscher Meister. Wie war das vor 15 Jahren? Wir haben mit André Kilian gesprochen. Der 34-Jährige ist inzwischen Co-Trainer des Drittligisten 1. FC Magdeburg und hat am 4. Juni 2006 sowie in der gesamten Saison zuvor die Kapitänsbinde der königsblauen U-19-Fußballer getragen.
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Wie ist die Stimmung beim 1. FC Magdeburg nach Platz elf und 51 Punkten?
André Kilian: Die Stimmung ist gut. Wir sind sehr glücklich über das, was wir in der kurzen Zeit geschafft haben. Als Christian Titz und ich hier im Februar angefangen haben, war die sportliche Situation nicht einfach. Aber wie die Jungs das dann auf dem Platz umgesetzt haben, davor können wir als Trainerteam nur den Hut ziehen.
Lassen Sie uns 15 Jahre zurückblicken: Was schießt Ihnen durch den Kopf, wenn Sie an den 4. Juni 2006 denken?
Glückseligkeit, riesige Freude, riesige Erleichterung. Vor so vielen Fans in diesem kleinen Stadion: Das war einer meiner schönsten Fußball-Momente, auch wenn es in der Jugend war.
Wie ist das? Werden Sie in jedem Jahr am 4. Juni wach und sagen sich: Ich bin Deutscher Meister.
Nein. Ich hätte jetzt auch gar nicht sagen können, dass es der 4. Juni war. Es überwiegen die positiven Gefühle an dieses Erlebnis. Zumal man ja auch immer mal wieder auf das Finale angesprochen wird.
In diesem Endspiel damals im Lüttinghof haben drei Spieler auf dem Rasen gestanden, die 2014 Weltmeister geworden sind: Mats Hummels bei den Bayern und Benedikt Höwedes sowie Mesut Özil in Ihrer Mannschaft. Waren deren Entwicklungen damals schon abzusehen?
André Kilian: „Ich hatte Mats Hummels gar nicht so auf dem Schirm“
Dass drei Weltmeister auf dem Platz gestanden haben, macht dieses Finale umso schöner. Allerdings muss ich zugeben, dass ich Mats gar nichts so auf dem Schirm hatte. Eher schon Sandro Wagner, der in der 80. Minute aus fünf Metern vergeben hatte. Das wäre das 2:2 gewesen. Eigentlich kann ich ansonsten nur etwas zu unseren Jungs sagen. Es war abzusehen, dass Benni und Mesut richtig, richtig gut werden. Mesut war mit seinem genialen linken Fuß unser Unterschied-Spieler. Es wäre aber vermessen zu sagen, dass ich damals schon geahnt hätte, dass er mal bei Real Madrid spielen und Weltmeister wird.
So haben sie am 4. Juni 2006 gespielt
FC Schalke 04 – FC Bayern München 2:1 (2:1)
Tore: 1:0 Giuseppe Pisano (20.), 2:0 Sebastian Boenisch (34., Foulelfmeter), 2:1 Michael Görlitz (45.).
FC Schalke 04: Ralf Fährmann - Nedim Hasanbegović, Benedikt Höwedes, Jens Grembowietz, Sebastian Boenisch - André Kilian, Timo Kunert (84. Andreas Altenbeck), Salih Altın, Mesut Özil - Giuseppe Pisano (74. Tolga Öztürk), Tayfun Pektürk (89. Kevin Kisyna). – Trainer: Norbert Elgert.
FC Bayern München: Thomas Kraft - Matthias Schwarz, Alexander Benede, Mats Hummels, Sebastian Langkamp - Tom Schütz (81. Alexander Buch), Stefan Rieß (71. Steffen Schneider), Michael Görlitz, Deniz Yılmaz - Sandro Wagner (79. Daniel Sikorski), Christian Doll (64. Marco Höferth). – Trainer: Kurt Niedermayer.
Schiedsrichter: Peter Gagelmann (Bremen).
Zuschauer: 6528.
Gibt es eigentlich Anekdoten von damals, die gar nicht an die Öffentlichkeit gelangt sind? Können Sie vielleicht eine erzählen?
Die gibt es. Zwei hätte ich.
Und?
Nachdem wir unser Halbfinal-Hinspiel bei Hertha BSC mit 0:2 verloren hatten, waren wir sehr niedergeschlagen und enttäuscht. Dann kam Norbert Elgert mit einem Zettel zu uns, den seine Tochter geschrieben hatte, und hat vorgelesen: „Papa, ich weiß, ihr seid traurig. Aber ihr werdet das Rückspiel 3:0 gewinnen.“ So ist es dann auch gekommen. Und zur Besprechung vorm Finale ist Norbert Elgert mit einem kleinen goldenen Koffer mit goldenen Hanteln gekommen, die er bei einem Mehrkampf gewonnen hatte. Nach der Vorrunde ist er als Zehnter gerade so ins Finale der Top Ten gerutscht und wollte von Tayfun Pektürk wissen, wo er im Finale gelandet sei. „Weiß nicht. Dritter?“, hat Tayfun geantwortet. Norbert Elgert sagte dann voller Energie, dass er Erster geworden sei – dass es genau das sei, worum es gehe. „Wir wollen und werden das Spiel gewinnen.“ Und das haben wir dann auch (lacht).
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Zu Ihrer Co-Trainer-Zeit bei RWE waren Sie ganz nah an der Heimat. Wie eng ist der Kontakt nach Herne, wie oft sind Sie zu Hause?
Der Kontakt ist sehr eng. Mein Zwillingsbruder Tim spielt ja auch noch bei der SpVgg Horsthausen. Meine Schwester Sabrina lebt in Herne, meine Freundin Jana auch. Wir führen seit mehr als sechs Jahren eine Fernbeziehung und hatten vor meiner Magdeburg-Zeit mal das Glück, über einen längeren Zeitraum zusammenleben zu können. Ich bin so alle sechs Wochen in Herne, aber immer nur kurz.
Was verbindet Sie so sehr mit Christian Titz? Sie waren beim FC Homburg sein Spieler, beim Hamburger SV und bei Rot-Weiss Essen sein Co-Trainer und sind es jetzt beim 1. FC Magdeburg.
André Kilian: „Auf jeden Fall wird es eine starke Zweitliga-Saison“
Eine tiefe Freundschaft, die sich über viele Jahre entwickelt und ausgeprägt hat. Er hat mich 2011 nach meinem Jahr in der australischen A-League bei North Queensland Fury nach Homburg geholt und dann zu seinem Kapitän gemacht. Ich bin sehr, sehr glücklich, dass ich ein Weggefährte von Christian bin.
Gefällt Ihnen das Co-Trainer-Dasein? Reizt Sie nicht ein Job als Cheftrainer?
Natürlich reizt es immer, sich zu entwickeln. Aber momentan bin ich als Co-Trainer sehr zufrieden, zumal ich auch große Freiheiten haben, wenn es zum Beispiel um die Trainingsorganisation geht. Ich fühle mich sehr, sehr wohl. Irgendwann möchte ich auch mal als Cheftrainer arbeiten, aber ich habe mir keinen Zeitpunkt gesetzt.
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Apropos Trainer: Wie hilfreich ist es Ihnen bei Ihrer Arbeit, dass Sie damals Norbert Elgert als A-Junioren-Trainer hatten?
Enorm. Gerade was das taktische Verständnis angeht, das Teamgefühl, die Mentalität. Da hat er mir unheimlich viel mitgegeben. Ich war bei ihm zwei Jahre lang Stammspieler und habe auch als Kapitän eine sehr hohe Wertschätzung erfahren. Leider ist der Kontakt etwas eingeschlafen, was ich sehr schade finde. Ich habe Norbert Elgert seit knapp zehn Jahren nicht mehr live gesehen. Auf jeden Fall habe ich bei ihm viel gelernt, er ist für mich eine Schlüsselfigur, dass ich mich so entwickeln konnte.
Schlussfrage: Wie sehr hat es Sie getroffen, dass der FC Schalke 04 in die 2. Bundesliga abgestiegen ist? Glauben Sie, dass der sofortige Wiederaufstieg in der kommenden Saison gelingen wird?
Natürlich macht mich das traurig, auch wenn ich nicht mehr dabei bin. Aber ich habe immer noch Freunde auf Schalke. Mit Kai Hesse zum Beispiel, dem Co-Trainer der U 23, habe ich auf Schalke und in Homburg zusammengespielt. Ob die Schalker sofort wieder in die Bundesliga zurückkehren werden, lässt sich schwer sagen, zumal der Kader auch noch nicht steht. Auf jeden Fall wird es eine starke Zweitliga-Saison mit enorm vielen spannenden Mannschaften.