Wolfsburg. Bundesliga-Schlusslicht Schalke 04 geht in Wolfsburg mit 0:5 unter. Im Hintergrund streitet der Aufsichtsrat wegen des Rangnick-Projekts.

Noch etwa zwei Monate, dann haben die Fans des FC Schalke 04 das Martyrium überstanden. Die Bundesliga-Saison ist für das Schlusslicht schon längst ein Schrecken ohne Ende – die 0:5 (0:1)-Klatsche beim VfL Wolfsburg ließ den ohnehin wahrscheinlichen Abstieg in die 2. Bundesliga noch ein bisschen näher rücken. Elf Punkte beträgt der Rückstand zum Relegationsplatz – der Eindruck, den das Team hinterlässt, ist verheerend, die Zahlen sind ein Desaster. Zum elften Mal im 25. Spiel verlor Schalke mit mindestens drei Toren Differenz, hat inzwischen 66 Gegentore kassiert. Und in seinem zweiten Spiel musste der neue Trainer Dimitrios Grammozis erstmals erleben, wie schmerzhaft es ist, wenn die eigene Mannschaft so zerfällt.

Wie so oft hatte Schalke auch in Wolfsburg eine ordentliche Phase – diesmal die ersten 30 Minuten. „Da haben wir es dem VfL sehr schwer gemacht, zu Chancen zu kommen. Wir haben die Wolfsburger von unserem Tor entfernt gehalten, damit sie ihre individuelle Qualität nicht ausspielen können“, sagte Grammozis. Doch ein kleiner Fehler und ein daraus resultierendes Slapstick-Eigentor sorgten in der 31. Minute für die Vorentscheidung.

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Schalkes Innenverteidiger Malick Thiaw hatte einen Pass des Wolfsburgers Joshua Guilavogui hoch in den eigenen Strafraum abgefälscht. Der Ball flog Richtung Shkodran Mustafi. Der erfahrene Abwehrspieler wollte den Ball zur Ecke klären, köpfte ihn aber ins eigene Tor. Schalkes viertes Eigentor – in dieser traurigen Statistik ist das Team Liga-Spitze. Wolfsburg führte, ohne selbst zu glänzen.

Schalke in 90 Minuten ohne klare Torchance

Von diesem Gegentor erholten sich die Schalker nicht mehr, nach dem 0:2 durch Wout Weghorst (51.) brachen sie zusammen und stellten die Abwehrarbeit ein. Ridle Baku (58.), Josip Brekalo (64.) und Maximilian Philipp (79.) schraubten das Ergebnis auf 5:0 für den VfL, weitere Gegentore verhinderte Torwart Frederik Rönnow.

Geschlagen: Schalke Torwart Frederik Rönnow.
Geschlagen: Schalke Torwart Frederik Rönnow. © getty Images

„Nach dem 0:3 war die Messe gelesen. Dass es noch zwei Gegentore gab, war natürlich bitter für uns“, sagte Grammozis. Eigentor-Schütze Mustafi sagte: „Nach der Pause sind uns zu viele Fehler unterlaufen. Das hat der VfL eiskalt ausgenutzt. Wir konnten die Intensität der ersten Halbzeit nicht aufrechterhalten.“ Torgefährlich wurden die Schalker zu keiner Phase des Spiels: Eine klare eigene Torchance hatten sie sich nicht erspielt.

Das Debakel in Wolfsburg zeigte einmal mehr, wie nötig die Königsblauen einen Neuaufbau haben – mit neuen Spielern, einem veränderten Konzept. Und um diesen Aufbau ist im Aufsichtsrat ein mächtiger Streit entbrannt. Schuld daran ist eine Personalie, die diese Redaktion am Freitag enthüllt hatte: Ralf Rangnick ist bereit, als Sportvorstand den Klub langfristig anzuführen – ein Traum für viele Fans, der aber am Freitagnachmittag im Aufsichtsrat zu einem wüsten Zoff führte.

Schalke: Aufsichtstats-Boss Bucht wollte Markus Krösche als Sportvorstand

Der Hintergrund: Aufsichtsrats-Boss Jens Buchta hatte sich offenbar auf Markus Krösche, Sportdirektor von RB Leipzig, als Nachfolger des freigestellten Jochen Schneider festgelegt. Vom Plan einer einflussreichen Gruppe aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft, Rangnick zu verpflichten, ahnte er nichts. Er selbst hatte Rangnick nicht angerufen.

Die Gruppe hatte versucht, Kontakt zu Buchta aufzunehmen, doch der rührte sich nicht. Im Gegensatz zu Aufsichtsrats-

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Mitglied Stefan Gesenhues. Der 66-jährige Arzt hörte sich als Teil des Sportausschusses die Pläne der Gruppe an. Und die sind schon weit: Mit Rangnick ist bereits ein Vertrag ausgehandelt.
In der Sitzung des Aufsichtsrates am Freitag präsentierte Gesenhues den Plan – der Rest des Gremiums reagierte aber eher verdutzt und wütend als begeistert. Gesenhues wurde von einigen als „Verräter“ beschimpft, soll nach dem Willen einiger vor dem Ehrenrat antreten. Der könnte einen Ausschluss aus dem Aufsichtsrat beschließen. Gesenhues ist großer Schalke-Fan, verfolgt alle Spiele, war auch in Wolfsburg vor Ort. Die Wut auf Gesenhues war am Freitagabend zu spüren. In einer offiziellen Mitteilung hieß es, der Aufsichtsrat habe Buchta gebeten, die Berufung eines Sportvorstandes vorzubereiten. Buchta, nicht Gesenhues. Und Buchta bevorzugt seinen Kandidaten.

Auch Schalke-Trainer Grammozis muss nun gute Leistungen nachweisen

Eine Entscheidung fiel bisher nicht. Viele Fans haben ihre schon getroffen: Eine Online-Petition für die Verpflichtung von Rangnick hatte am Samstagabend bereits etwa 20.000 Unterstützer.

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Grammozis hielt sich in seinen Aussagen zum Thema Rangnick zurück: „Ich möchte mich zu solchen Spekulationen nicht äußern und keinen Interpretations-Spielraum lassen, dass man sich eine Tendenz denken kann.“ Auch für den Trainer steigt der Druck, wenn Rangnick kommen sollte. Im Sommer hat Schalke die Möglichkeit, den Vertrag mit ihm vorzeitig zu beenden – die Kosten dafür sind gering. Auch Grammozis muss nun gute Leistungen und Ergebnisse nachweisen. Das 0:5 in Wolfsburg war keine Eigenwerbung.