Gelsenkirchen. Vorstand Alexander Jobst strukturiert Schalke 04 um und bereitet eine Ausgliederung der Profiabteilung vor. Dafür gibt es eine Menge Kritik.

Es ist früher Abend in Gelsenkirchen, die Geschäftsstelle des FC Schalke 04 um kurz nach fünf fast leergefegt. Das hat mit der Uhrzeit zu tun, mit dem Corona-Lockdown, mit zahlreichen Mitarbeitern im Homeoffice. Einer ist noch da: Alexander Jobst, eines der drei Vorstandsmitglieder des Bundesligisten. Selbstverständlich ist das nicht: Beide Arme hat er eingegipst – nach einem Sturz mit dem Fahrrad ist der rechte Ellenbogen gebrochen, dazu zwei Finger an der linken Hand. „Zwei Tage Krankenhaus“, sagt der 47-Jährige, „danach war ich wieder am Schreibtisch.“

Nötig ist das – die Zeiten sind unruhig, und das hat nicht nur mit der grauenhaften Minus-Serie der Profimannschaft zu tun. 23 Spiele in Serie ohne Sieg zehren an den Nerven – bei den Profis, auch bei den 600 Mitarbeitern. Die Stichwortliste der Probleme ist auch außerhalb des Rasens lang, viele Themen sind kompliziert: Es geht um Umstrukturierungen, eine Ausgliederung der Profiabteilung, einen vermeintlich schlechten Umgang mit langjährigen Mitarbeitern, Fehler in der Außendarstellung, heftige Fan-Kritik. Redselig sind auf Schalke viele, ihren Namen möchten die Wenigsten in der Zeitung lesen. Einer aber steht im Mittelpunkt jeder Diskussion: Alexander Jobst. Seit Aufsichtsratschef Clemens Tönnies und Finanzvorstand Peter Peters zurückgetreten sind, ist er der mächtigste Mann auf Schalke. Und dabei ist er keiner, der aus dem Fußball oder dem Ruhrgebiet kommt. Ein Marketing-Mann, geboren in Fulda.

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Seit neun Jahren im Schalke-Vorstand

Sein neun Jahren trägt er Verantwortung auf Schalke. „Und in diesen neun Jahren ist es gerade die kritischste Phase“, sagt er im Gespräch mit dieser Zeitung und stützt seine Gipsarme auf einen großen Konferenztisch. Sportlich droht der Abstieg, wirtschaftlich war die Situation während der Corona-Pause existenzbedrohend. „Ein ,Weiter so’ kann es nicht geben“, sagt Jobst. Deshalb sei es „unumgänglich, dass wir uns Veränderungen widmen“.

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Und hier beginnen die Probleme, die verschiedenen Meinungen. Im internen Umgang wird Jobst als überehrgeizig beschrieben, zuweilen im persönlichen Umgang als schroff. Oft heißt es, er würde Ja-Sager bevorzugen – ein Vorwurf, den er entschieden zurückweist. Fürs Marketing allein ist er nicht mehr zuständig, er kontrolliert nun auch die Organisationsstruktur des Klubs. Und die ändert er gerade.

Beispiele? Er holt tief Luft und sagt: „Ergebnis unserer Analyse war zum Beispiel, dass unsere zwei Eventabteilungen zukünftig besser als ein Team zusammenarbeiten. Ähnlich ist das zweite Beispiel: Im Sponsoring haben wir bisher Vertrieb und Betreuung in zwei Abteilungen organisiert. In den kommenden zwei, drei Jahren wird es aber vorrangig darum gehen, Sponsoren zu halten und zu binden.“

Schalke-Vorstand Jobst: "Keiner wurde degradiert"

Und auch Personal-Entscheidungen musste Jobst treffen: „Dass nicht alle Mitarbeiter Gewinner einer Strukturveränderung sind, ist auch klar.“ Drei beliebte langjährige Abteilungsleiter verloren ihre Aufgabe – nicht aber ihren Job. „Keiner wurde degradiert“, sagt Jobst. Einer unterschrieb einen Aufhebungsvertrag, zwei bleiben. Gefeuert wurde niemand. „Es ist unmissverständlich eine Vereinbarung mit dem Betriebsrat, dass es keine betriebsbedingten Kündigungen gegeben hat und auch nicht geben wird“, sagt Jobst. Und doch gab es um diese Personal-Entscheidungen große Aufregung; der Betriebsrat äußerte sich auf unsere Anfrage nicht.

Einigen Fans gingen die Entscheidungen sehr nahe. Viele dieser langjährigen Mitarbeiter, schrieb zum Beispiel der „Supportersclub“ bei Facebook, hätten klein angefangen. Für sie sei ein Traum in Erfüllung gegangen, für ihren Verein zu arbeiten. „Die Professionalität“, heißt es, „birgt in einer familiären Vereinsstruktur große Gefahren. Der Mensch an sich findet nicht mehr statt.“ Die Redaktion des beliebten Fan-Magazins „Schalke Unser“ überschrieb einen langen Beitrag mit einer Frage: „Wer Schalke liebt, muss Schalke verlassen?“

Das ist Alexander Jobst

Alexander Jobst (47) studierte Sportökonomie in Bayreuth. Bevor er 2011 zu Schalke 04 wechselte, arbeitete er von 2000 bis 2005 im Sportsponsoring der Siemens AG, 2006 im Marketing-Management bei Real Madrid und von 2007 bis 2011 für die Fifa in Zürich.

Er ist verheiratet, hat zwei Kinder, und ist in seiner Freizeit begeisterter Triathlet.

Den Vorwurf, er würde Schalke „entschalken“, findet Jobst irritierend. Viele langjährige Mitarbeiter wären noch da und sehr loyal – so wie die drei, die ihre Aufgabe verloren. „Dass die Loyalität dieser Mitarbeiter infrage gestellt wurde, ist grober Unfug.“ Jobst vermutet, alle Vorwürfe hingen mit einem übergeordneten Thema zusammen: der Ausgliederung. Jobst treibt sie voran, er steht dafür wie kein Zweiter.

Jobsts Vertrag auf Schalke gilt noch bis 2024

Noch ist Schalke ein eingetragener Verein (e. V.) – als einer der wenigen im Profifußball. „Schalke 04 ist in seiner jetzigen Struktur an seine Grenzen gestoßen“, sagt Jobst. Dauerhaft Champions League spielen als e. V.? Das hält Jobst für sehr unwahrscheinlich. Die Ausgliederung ist deshalb sein großes Projekt, bis 2024 gilt sein Arbeitsvertrag. Abwanderungsgedanken, die ihm zuweilen nachgesagt werden, habe er „zu 100 Prozent nicht“. Er sei schnell Schalke-Fan geworden.

Einige Fans mögen das nicht glauben. Der eingetragene Verein und die Mitbestimmung der 160.000 Mitglieder sind für sie das höchste Gut, Investoren lehnen sie ab. Bei einer Hauptversammlung müssten 75 Prozent der Mitglieder zustimmen. Jobst strebt deshalb eine schnelle Entscheidung nicht an.

Doch welches Modell einer neuen Rechtsform bietet sich an? Jobst schweigt. Mit einer Rückkehr von Tönnies als Investor, über die häufig spekuliert wird, befasse er sich nicht. Raphael Brinkert (43), Sportmarketing-Experte und Schalke-Fan, sieht eine Ausgliederung skeptisch, sie sei kein „Allheilmittel“. Einmalzahlungen hätten im schlechtesten Fall einen kurzfristigen Effekt bei Banken, aber keinen langfristigen im Sport. Wenn überhaupt, spräche er sich für das Modell einer Genossenschaft aus. Das wäre „die schalkigste Alternative“.

Schalke-Vorstand Jobst: Das Stadionerlebnis fehlt

Doch was ist an Schalke noch schalkig? Jobst glaubt, dass Schalke nach der Corona-Pandemie wieder zur alten Identifikation zurückfinden kann. „Das Stadionerlebnis und den vielfachen direkten und persönlichen Austausch braucht Schalke“, sagt Jobst. Brinkert sieht das differenziert. „So sehr man sich die alte Normalität zurückwünscht, so sicher sind sich Experten, dass wir eine neue Normalität erleben werden“, sagt er und ergänzt: „Dass es in guten Zeiten mehr Schalker gibt als in Schlechten, hat schon Charly Neumann gewusst. Und er hat Recht: Gerade jetzt braucht der Verein seine Mitglieder, seine Fans.“

Das ist ein Satz, den auch Jobst nahezu wortgleich sagt – auf Schalke für alle der kleinste gemeinsame Nenner. „Ich hoffe, dass wir ein erfolgreicheres Schalke sehen als jetzt gerade“, betont Jobst. Der Weg dorthin aber bleibt umstritten.