Gelsenkirchen. Schalke 04 muss sparen und hat sich zunächst von großen Zielen verabschiedet. Wir haben uns unter Fans umgehört: Sie zeigen Verständnis.

In der Destille Buer unweit der Veltins-Arena ist der FC Schalke 04 täglich das Thema Nummer eins. Finden nicht gerade Geisterspiele statt, versammeln sich in der Kneipe zu den Bundesligaspielen der Gelsenkirchener dutzende Anhänger in blau und weiß. Sogar ein Fanclub wurde nach dem Triumph der legendären Eurofighter im Uefa-Pokal 1997 im Lokal gegründet.

Zeiten, in denen die Schalker um Titel mitspielen oder durch Europa reisen, sollen nun aber vorerst vorbei sein. „Wir müssen einen Schritt zurückgehen, damit wir künftig wieder wachsen können“, sagte Sportvorstand Jochen Schneider zuletzt und machte in Bezug auf die Europapokalambitionen klar: „Träumen dürfen wir nicht mehr.“

„Das Blaue vom Himmel versprochen“: Thomas Wesselborg
„Das Blaue vom Himmel versprochen“: Thomas Wesselborg © SK

Für den Verein und seine Fans, die in den vergangenen Jahren stets den Anspruch hatten, doch zumindest die Europa League zu erreichen, sind diese klaren Worte schmerzhaft. „Uns wurde hier lange das Blaue vom Himmel versprochen“, weiß Thomas Wesselborg, der die Destille in Buer betreibt und gleichzeitig im Vorstand des gleichnamigen Fanclubs aktiv ist. „Natürlich wollen wir alle den größtmöglichen Erfolg und sehen nicht gern, dass andere Mannschaften vorbeiziehen, trotzdem ist es richtig, dass auf Schalke künftig gespart werden soll“, findet er.

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Der gleichen Meinung ist auch Patrick Suchy aus dem Fanclub Bergische Knappen Remscheid. „Auf Schalke wurde in den letzten zehn Jahren viel Geld verbrannt, damit muss Schluss sein.“ Eine Gehaltsobergrenze, die zuletzt öffentlich diskutiert wurde, hält er trotzdem für falsch. „Bei einer starren Grenze würde die Gefahr bestehen, dass wir aufstrebende Talente wieder nicht halten können. Was sind schon 2,5 Millionen Euro im Jahr, wenn ein Spieler auch Angebote aus England hat? In einem so harten Wettbewerb funktioniert das nicht“, erklärt er.

Den Europapokal nicht abschenken - man muss Ziele haben

Die Qualifikation für den Europapokal abzuschenken hält Wolfgang Derks aus dem Vorstand des Fanclubs Kuzorras Enkel trotzdem für ein komplett falsches Signal. „Es ist wichtig, Ziele zu haben und mit dem aktuellen Kader kann es nicht das Ziel sein, Zehnter zu werden oder den Abstieg zu vermeiden“, betont der 70-Jährige, der als Kind sogar noch den bislang letzten Schalker Meistertitel miterleben durfte. „Viele andere Klubs haben uns überholt“, wirft Suchy ein und versucht, die nach unten korrigierten Ziele zu erklären. „Sowohl finanziell als auch mit Blick auf das Potenzial des Kaders sind wir hinten dran. So weh es mir tut, aber in Wolfsburg, Leverkusen oder Gladbach wurde zuletzt einfach besser gearbeitet. In der Tabelle vor diesen Klubs zu stehen, wird künftig sehr schwer.“

Vertrauen in Schalkes Vorstand

Das Vertrauen in den Vorstand hat der 29-jährige Suchy dennoch nicht verloren: „Jochen Schneider ist ein Guter“, findet er. „Seine Denke passt zu Schalke und das Potenzial ist da. Es liegt nicht am Vorstand, dass wir zuletzt so schlecht gespielt haben“. Gastronom Wesselborg pflichtet dem bei und sagt: „Wir Fans müssen Verständnis zeigen und den handelnden Personen eine zweite Chance geben.“ Einzig die angekündigte Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit hält er für fragwürdig. „Das muss vom Vorstand erst gelernt werden“, sagt Wesselborg. Derks hingegen hält Worte der S04-Führung für „Verarsche“, denn in seinen 60 Jahren als Fan wurden ihm schon viele Versprechungen gemacht, sagt er: „Deshalb traue ich dem Ganzen nicht.“

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Eine zweite Chance erhält in der kommenden Saison auch Trainer David Wagner, der trotz Horror-Serie in der Rückrunde eine Jobgarantie des Vorstandes bekam. „Inzwischen träume ich schon gar nicht mehr von einer Schalker Meisterschaft, sondern nur, dass ein Trainer bei uns mal fünf Jahre im Amt bleibt“, sagt Wesselborg. Seiner Meinung nach habe Wagner zwar einige Fehler gemacht, doch trotzdem dürfe er nicht „wie eine Sau durchs Dorf getrieben werden“. Der Inhaber der Destille findet: „Fans müssen sich von der Schwarz-Weiß-Denke verabschieden.“ Suchy hingegen vermisst bei Wagner die nötige Emotionalität. „In der Rückrunde wirkte Wagner auf mich ratlos. Das macht mir für die kommende Saison Sorgen.“

Die Arbeit der Knappenschmiede macht den Fans Hoffnung

Hoffnung macht den Schalke-Fans einzig die gute Arbeit in der Knappenschmiede. „Wir sollten weiter auf die Jugend setzen. Das ist auch gut für unsere Finanzen“, sagt Derks, stellt allerdings klar: „Die Talente dürfen aber auf keinen Fall wieder ablösefrei abhauen. So haben wir zuletzt ganz viel Geld verloren.“ Mit Can Bozdogan (19) schaffte am Saisonende ein Spieler aus der U19 den Sprung zu den Profis, auf Innenverteidiger Malick Thiaw (18), der erst kürzlich seinen Vertrag bis ins Jahr 2024 verlängert hat, ruhen ebenfalls Hoffnungen. „Das Gerüst in der U19 steht und mit Norbert Elgert hat der Verein den besten Jugendtrainer überhaupt“, sagt Suchy hoffnungsvoll.

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Aus vielen – glücklichen, aber auch unglücklichen – Jahren als Schalke-Fan weiß Derks, wie schnell sich die schlechte Stimmung in königsblaue Euphorie verwandeln kann. „Wir wissen doch, wie es hier läuft“, erklärt er. „Gewinnt Schalke zu Beginn der nächsten Saison wieder drei Spiele, träumt jeder von Europa.“ Ein Phänomen, welches sich bei Königsblau wohl nie ändern wird, wie die drei Fans sicher sind.

Auch deshalb wird Schalke 04 in Gelsenkirchener Kneipen wie der Destille wohl für immer das Thema Nummer eins bleiben. Für genügend Gesprächsstoff sorgt dieser Verein in jedem Fall.