Gelsenkirchen. 1994 auf Schalke: Peter Peters erinnert sich an einen Auftritt von Bernd Tönnies, eine missglückte Wahl – und eine Entscheidung auf der Toilette.

Diesen Morgen wird Peter Peters niemals vergessen. Bernd Tönnies, im Februar 1994 gerade erst auf Schalke zum Präsidenten gewählt, tauchte in aller Herrgottsfrühe auf der Geschäftsstelle auf und machte klar, wer ab sofort hier der Herr im Hause ist: Er wies den jungen Geschäftsführer Peter Peters an, ihm die Tür zum Büro von Rudi Assauer zu öffnen, der an diesem Morgen noch nicht da war. Bernd Tönnies setzte sich auf den Stuhl des Managers – und wartete dort geduldig, bis Assauer eine Viertelstunde später zum Dienst kam.

So drohte Bernd Tönnies Rudi Assauer

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„Was machst du hier?“, entgegnete Assauer völlig perplex, als er Bernd Tönnies auf seinem Platz sitzen sah: „Steh’ auf!“ Doch der ältere Bruder von Clemens Tönnies blieb seelenruhig sitzen und ließ es auf die Kraftprobe ankommen. Die beiden Alphatiere redeten wild aufeinander ein, beinahe wäre es zu Handgreiflichkeiten gekommen. Am Ende stand Bernd Tönnies auf, näherte sich Assauer mit der Nasenspitze bis auf wenige Zentimeter und sagte nur: „Das machst du mit mir in diesem Ton nie wieder!“

Peter Peters war Augenzeuge dieser Auseinandersetzung, er sagt heute: „Damit war klar, wer der Chef war.“ Bernd Tönnies sei mit einer ganz klaren Agenda auf Schalke angetreten, er habe sich sogar die Kontoauszüge des Vereins regelmäßig nach Rheda-Wiedenbrück faxen lassen. „Ob er Rudi Assauer loswerden wollte, weiß ich nicht“, sagt Peter Peters – denn Bernd Tönnies starb nicht einmal fünf Monate später, am 1. Juli 1994, an den Folgen einer Nierentransplantation.

Das Jahr 1994: Es war wohl das turbulenteste in den 27 Jahren, die Peter Peters auf Schalke verbracht hat: Schalke hatte drei Präsidenten in zwölf Monaten, war vom Lizenzentzug bedroht und verabschiedete eine neue Satzung, die den Klub wieder seriös machte. In der Rückschau geht fast unter, dass 1994 auch Olaf Thon von den Bayern zu Schalke zurückkehrte. „Den Transfervertrag“, erinnert sich Peters, „habe ich im Büro von Uli Hoeneß auf einer alten Schreibmaschine geschrieben.“ Assauer war dabei.

Der Kampf um die Lizenz

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Der schwerste Kampf war der um die Lizenz – Assauer und Peters mussten wegen Auflagenverstößen aus der Zeit von Ex-Präsident Günter Eichberg beim DFB in Frankfurt antreten. Nach zähen Verhandlungen ließ sich Liga-Sekräter Wilfried Straub auf einen Kompromiss ein, der einen Abzug von vier Punkten für die Saison 1994/95 vorsah – Assauer und Peters zogen sich zur Beratung auf die Toilette zurück. „Lass uns die vier Punkte akzeptieren“, knurrte Assauer. Doch Peters riet seinem Vorgesetzten zu einer anderen Strategie, und darauf ließ sich „Assi“ ein: „Wir haben dann dargestellt, dass wir eigentlich gar keinen Auflagenverstoß begangen haben“, berichtet Peters heute mit einem Schmunzeln: „Am Ende gab’s eine Geldstrafe, und die wurde sogar noch über vier Jahre gestreckt.“

Peters, heute bei der Deutschen Fußball-Liga (DFL) der zweite Mann hinter Christian Seifert, zog schon in jungen Jahren im Hintergrund gut die Strippen – nur bei der folgenden Suche nach einem neuen Präsidenten ging die Politik nicht auf. Schalke hatte sich den Gelsenkirchener Rechtsanwalt Volker Stuckmann ausgeguckt – nach den Erfahrungen mit Eichberg und Bernd Tönnies wollte man dann doch lieber einen ruhigen, verlässlichen Vertreter. Der aber setzte seine Rede auf der Mitgliederversammlung völlig in den Sand, indem er nach seiner Wahl eine Politik „im stillen Kämmerlein“ ankündigte – die Schalker wählten dann doch lieber ihren Ex-Profi Helmut Kremers, der die Mitglieder ganz anders mitnahm („für Dortmund haben wir uns früher nicht mal umgezogen“).

„1. FC Schalke 04, Außenstelle Kleve“

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Das löste einen überaus stürmischen Herbst aus mit einem unvergessenen Höhepunkt: Rudi Assauer wurde vom neuen Präsidium an einem Sonntagmittag entlassen und am folgenden Montagabend wieder eingestellt. Als treibende Kraft für den Kurzzeit-Rauswurf hat Peters den Kremers-Stellvertreter Jürgen Wennekers in Erinnerung – einen Mann vom Niederrhein, der einen ganz besonderen Briefbogen mit nach Schalke gebracht habe: „1. FC Schalke 04, Außenstelle Kleve.“

Dass es so nicht weitergehen konnte, war allen klar. Dem neuen Präsidium wurde ein geordneter Rückzug abgerungen mit dem Ziel, die Vereinssatzung auf einer Außerordentlichen Mitgliederversammlung zu ändern: Die Direktwahl des Präsidenten wurde abgeschafft – es wurde wie bei einem ganz modernen Unternehmen ein Aufsichtsrat ins Leben gerufen, der fortan die Vereinsführung zu bestellen hatte. Und so kam mit dem ehemaligen Steiger Gerd Rehberg am 12. Dezember 1994 der dritte Schalke-Präsident binnen eines Jahres ins Amt.

In seinem Metier: Bernd Tönnies in der Firma in Rheda-Wiedenbrück.
In seinem Metier: Bernd Tönnies in der Firma in Rheda-Wiedenbrück. © firo Sportphoto | firo Sportphoto

Begonnen hatte das Jahr mit der Wahl des so früh verstorbenen Bernd Tönnies, in dessen Gefolge 1994 auch der spätere Schalke-Präsident Jupp Schnusenberg sowie der jüngere Tönnies-Bruder Clemens den königsblauen Planeten betraten – sie hielten sich zunächst viele Jahre im Hintergrund auf.

Rudi Assauer hatte eher seinen Strauß mit Bernd Tönnies auszufechten. Dabei hatte sich Assauer 1993, wie bereits an dieser Stelle berichtet, noch für die Kandidatur des Fleisch-Großhändlers aus Rheda-Wiedenbrück stark gemacht. Deshalb kursierte in der Folgezeit auf der Schalker Geschäftsstelle auch noch lange Jahre ein flapsiger Spruch, an den man sich auch ein Vierteljahrhundert später noch gut erinnern kann: „Die dümmsten Ochsen suchen sich ihren Metzger selbst aus.“