Gelsenkirchen. In einer neuen WAZ-Serie blickt Peter Peters auf seine 27 Jahre auf Schalke zurück. Zum Start geht’s um Eichberg, Lattek und natürlich um Assauer.

Man kann wohl sagen: Schon sein Antrittsbesuch auf Schalke hatte es in sich. Als sich Peter Peters im Frühjahr 1993 beim damaligen Schalke-Präsidenten Günter Eichberg als Geschäftsführer vorstellte, hatte der junge Mann eine fein abgefasste Bewerbungsmappe dabei. Eichberg blätterte einmal flüchtig durch – dann riss er ein Blatt mitten aus der Mappe und wollte auf der Rückseite handschriftlich fix einen Vertrag aufsetzen. So ging das damals auf Schalke, bis 1993 eine neue Zeit anbrach. Wenige Wochen vor Peter Peters war bereits Rudi Assauer gekommen, und der nahm die Sache dann selbst in die Hand. „Schluss mit diesen Bierdeckel-Verträgen“, sagte Assauer zu Eichberg: „Ab jetzt machen wir hier richtige Verträge.“

27 Jahre ist das jetzt her – so lange war Peter Peters, heute 58, Geschäftsführer und später Vorstand auf Schalke. Ende Juni hat er die Königsblauen verlassen – nun starten wir in der WAZ eine neue Serie, die die Entwicklung der Schalker über mehr als ein Vierteljahrhundert beschreibt. Titel: „27 Schalker Jahre“.

Gerne großzügig: Günter Eichberg mit dem unvergessenen Charly Neumann (links).
Gerne großzügig: Günter Eichberg mit dem unvergessenen Charly Neumann (links). © imago | foto: imago

1993 war Schalke gerade wieder einmal ein großer Sanierungsfall, als erste Amtshandlung schickte der junge Geschäftsführer Peters eine Rechnung an den damaligen Hauptsponsor Müllermilch mit der höflichen Bitte, die fälligen 1,3 Millionen D-Mark plus Umsatzsteuer auf das Vereinskonto zu überweisen. Von der Molkerei kam aber nur die Umsatzsteuer, und als Peters nachfragte, wo denn der Rest des vielen Geldes bliebe, erfuhr er: Die 1,3 Millionen hatte Eichberg schon zwei Jahre zuvor für seine Marketing-Gesellschaft bekommen. „Schalke hatte zwar einen tollen Sponsor, aber kein Geld“, schmunzelt Peter Peters heute im Rückblick. Und bei der nicht ganz unwichtigen Frage, wo das viele Geld denn steckte, gab’s nur wenig Aufklärung von Eichberg und dessen Schatzmeister Rüdiger Höffken.

Geschichten wie diese beschäftigten damals auch den DFB und führten ein Jahr später beinahe zum Lizenzentzug. Doch darum geht’s erst in der nächsten Folge. Heute bleiben wir im Jahr 1993.

Gesperrte Tankkarten

Auch in kleinen Dingen war Eichberg großzügig. In den Jahren seiner Regentschaft (seit 1989) hatte Schalke allerhand Menschen erlaubt, auf Vereinskosten ihr Auto vollzutanken – am Monatsende kam ein so hoher Betrag an Benzinkosten heraus, dass Assauer meinte, damit könne man ja glatt einen Flugzeugträger am Laufen halten. Niemand wusste, wie viele Tankkarten von Schalke überhaupt im Umlauf waren und so beschloss Peters, einfach alle Karten zu sperren: Wer sich ungerecht behandelt fühlen würde, der würde sich schon melden. Gleich am nächsten Tag klingelte der erste empörte Anrufer durch: Es war Udo Lattek, der an einer Tankstelle in Hürth stand und tobte, wer denn nun seine Benzinrechnung bezahlen würde. Dabei war Lattek im Sommer 1993 schon seit einem halben Jahr nicht mehr Trainer auf Schalke...

Auch interessant

Assauer und Peters räumten den Laden auf – um Schalke vorwärts zu bringen, mussten sie jede Menge Klinken putzen. So streckten in jenem Sommer 1993 zwei Gelsenkirchener Geschäftsleute das Geld für die Ablösesummen der Neuzugänge Jiri Nemec (Sparta Prag) und Youri Mulder (Twente Enschede) vor – anders ging es nicht. Besiegelt wurde das per Handschlag, und Peters betont: „Alle haben ihr Geld später zurückbekommen.“

Rücktritt im Maritim-Hotel

Sportlich hing Schalke unter Trainer Helmut Schulte richtig in den Seilen: Nur das erste Heimspiel gegen Dortmund wurde gewonnen – ein Spiel übrigens, an das sich Peter Peters auch deswegen so gut erinnert, weil auf der Tribüne Chaos herrschte: Zahlreiche Plätze waren doppelt belegt, denn nicht mal das EDV-Programm auf Schalke funktionierte – ein neues musste her.

Helmut Schulte musste als Trainer nach dem elften Spieltag gehen, für ihn kam Jörg Berger, der die Mannschaft auch zum Klassenerhalt führte. Trotzdem wurde Schalke nach Bergers Einstand, einem 1:5 in Leverkusen, doppelt und dreifach durchgeschüttelt: Denn am nächsten Tag trat Günter Eichberg als Präsident zurück, weil sein Klinik-Imperium ins Schlingern geraten war. Peters erinnert sich, dass Eichberg die Schalke-Bosse schon mittags vor dem Spiel in seine Suite im Maritim-Hotel in Gelsenkirchen geladen hatte, um seinen Rücktritt anzukündigen: „Wir fanden das damals wirklich schade, denn wir hatten gerade ein bisschen Ruhe im Verein“, sagt Peters: „Wir hätten zu dieser Zeit gerne mit Eichberg weitergemacht.“

Assauer und der junge Strippenzieher

So brauchte Schalke mal wieder einen neuen Präsidenten: Die Suche nahm Jürgen W. Möllemann, der Vorsitzende des damaligen Schalker Verwaltungsrates höchst selbst in die Hand. Der FDP-Politiker schlug Schalke zwei Kandidaten vor, die er beide für präsidial genug hielt: Den Unternehmer Walther Seinsch und den Fleisch-Giganten Bernd Tönnies. Seinsch wurde es nicht, er stieg Jahre später beim FC Augsburg groß ein.

Der mächtige Rudi Assauer und der junge Strippenzieher Peter Peters machten sich intern mit Erfolg für Bernd Tönnies stark: Ihn wählten die Mitglieder im Januar 1994 zum neuen Schalke-Präsidenten. Es war der Startschuss in ein Jahr, das noch viel turbulenter wurde – darüber lesen Sie im nächsten Teil.